Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Menschenrechtler zum Fall Jalloh: "Selbsttötung ist nicht bewiesen"
> Eine Menschenrechtsliga fordert neue Ermittlungen für die Wiederholung
> des Prozesses: Die Selbsttötung Oury Jallohs im Polizeigewahrsam sei eine
> "unbewiesene Grundannahme".
Bild: Flugblatt bei einer Demonstration für Oury Jalloh von 2006.
HAMBURG apd | Nach der Anordnung eines neuen Prozesses zum Feuertod des
Asylbewerbers Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam fordert eine
Menschenrechtsorganisation neue Ermittlungen. Der Vizepräsident der
Internationalen Liga für Menschenrechte, der Bremer Rechtsanwalt Rolf
Gössner, sagte dem Spiegel, er tendiere zwar nicht zu der Mordtheorie von
Angehörigen und Freunden Jallohs, "aber diesem Verdacht muss stärker als
bisher nachgegangen werden".
Wegen "Lücken in der Beweisführung" hatte der Bundesgerichtshof am
Donnerstag den Freispruch des Landgerichts Dessau für einen Polizeibeamten
aufgehoben und den Fall an das Landgericht Magdeburg verwiesen (s. Kasten
"Mehr zum Thema" unten).
Gössner sagte dem Nachrichtenmagazin zufolge, die "unbewiesene
Grundannahme" einer Selbsttötung habe bislang "die Option verbaut, auch
andere Ursachen für das Entstehen des Feuers zu prüfen". So seien
verschiedene Indizien nicht hinreichend gewürdigt worden, die auf ein
Verschulden Dritter hindeuten könnten, etwa der Nasenbruch und die
Trommelfellverletzung Jallohs.
Auch der Dessauer Rechtsextremismus-Experte Marco Steckel fordert, die
Rolle der Polizei neu zu bewerten. Dass Beamte an der Entstehung des
Brandes in der Zelle beteiligt gewesen sein könnten, "stehe immer noch als
Hypothese im Raum", wird er zitiert.
In dem neuen Prozess muss sich der Polizeibeamte Andreas S. verantworten,
den die Dessauer Richter vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im
Amt freigesprochen hatten. Polizisten hatten den 23-jährigen Jalloh aus
Sierra Leone am 7. Januar 2005 in einer Ausnüchterungszelle an Händen und
Füßen gefesselt und ans Bett fixiert. Trotzdem soll er mit einem Feuerzeug
den Matratzenüberzug geöffnet und die Schaumstoffmatte angezündet haben.
Der Dienstgruppenleiter Andreas S. hielt das Signal des Rauchmelders nach
eigener Aussage für einen Fehlalarm und schaltete es ab. Der BGH sah es als
fraglich an, ob und wie es Jalloh möglich gewesen sein konnte, den Brand zu
legen. Die Zweifel sprächen aber nicht zwingend dafür, dass der Brand von
Dritten, also einem Polizisten, gelegt worden sei.
Einer der Verteidiger im Dessauer Prozess, Attila Teuchtler, warf dem
Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann, versuchte politische
Einflussnahme auf die Justiz vor. Dieser hatte erklärt, nun gebe es die
Chance zu einer vollständigen juristischen Aufarbeitung des Falls. Der
Focus zitiert Teuchtler mit der Kritik: "Der Minister erweckt den Eindruck,
damals sei unvollständig ermittelt, falsch ausgesagt oder etwas vertuscht
worden. Das ist Unfug."
Bei der Urteilsverkündung hatte der Vorsitzende Richter des Dessauer
Landgerichts, Manfred Steinhoff, kritisiert, es seien überwiegend
Polizeibeamte gewesen, die mit widersprüchlichen Aussagen verhindert haben,
dass die Wahrheit nicht gefunden werden konnte.
11 Jan 2010
## ARTIKEL ZUM THEMA
Feuer-Tod von Afrikaner Jalloh: Aktivisten planen Experten-Kommission
Eine Initiative will eine unabhängige Kommission einsetzen, um den Fall des
Afrikaners Jalloh aufzuklären. Er verbrannte in einer Dessauer
Polizeizelle.
Freispruch gegen Polizisten aufgehoben: Oury-Jalloh-Prozess wird wiederholt
Der BGH in Karlsruhe hat entschieden, dass der Feuertod des Afrikaners in
einer Dessauer Polizeizelle neu aufgerollt wird. Das Urteil des
Landgerichts weise Lücken auf.
Urteil im Jalloh-Prozess aufgehoben: Neuer Blick auf den Flammentod
Der Bundesgerichtshof hebt den Freispruch für den Dessauer Polizisten auf.
Er soll den Tod von Ouri Jalloh verursacht haben, der in seiner Zelle
qualvoll verbrannte.
Kommentar Oury Jalloh: Ein Urteil gegen den Korpsgeist
Der Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer
Polizeizelle muss neu verhandelt werden, urteilt der Bundesgerichtshofs -
ein wichtiges Signal.
Freund des toten Asylbewerbers Jalloh: Fünf Jahre gekämpft
Seit fünf Jahren kämpft der Guineer Mouctar Bah für die Wahrheit im Fall
des toten Asylbewerbers Jalloh. Der Cafébetreiber war immer wieder
Schikanen der Polizei ausgesetzt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.