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# taz.de -- Wintersport in Berlin: Es muss nicht immer Schlitten sein
> Berlin ist im Rodelwahn - die Schlitten sind fast ausverkauft. Was tun?
> Die taz testet alternative Rutschunterlagen und stellt fest:
> Schlauchboot, Tüte oder Weinflasche tun es auch.
Bild: Erst leer trinken, dann damit Schlitten fahren!
Die Berliner zieht es in den Schnee: Beinah jeder Hügel wird berodelt,
Schlitten sind fast überall ausverkauft, Nachschub kaum in Sicht. Womit
denn dann in der Gegend herumrutschen? Also außer dem Auto? Wer jetzt noch
kein schneetaugliches Gefährt hat, braucht gute Kontakte. Oder eine taz.
Denn auch auf der kann man rodeln. Was aber ist nun das beste Gefährt:
schnell, günstig, bequem - und möglichst auch zur Hand? Der Schweizer
Snowboardlehrer Silvio Guerriero (24) hat für die taz in der Hasenheide
multifunktionale Rutschunterlagen getestet.
Das halbierte Surfbrett, mit dem man sich normalerweise bäuchlings in die
Wellen wirft, macht auch auf dem Schnee gut Tempo. Die Nasenspitze nur
Zentimeter über dem vorbeischießenden Weiß, rast der Tester Guerriero
davon. Scheinbar völlig ohne Reibungswiderstand saust das Brett mit einem
leisen Surren über den Schnee. Erst weit in der Ebene ist die Fahrt
beendet. "Das ist mal richtig schnell", muss selbst der weit steilere Hänge
gewohnte Guerriero zugeben. Allerdings sei das Kurvenverhalten miserabel,
Lenken kaum möglich. Bremsversuche führten außerdem zu unkontrolliertem
Wirbeln um die eigene Achse. Zudem ist das Gefährt in Berlin ähnlich schwer
zu beschaffen wie ein Schlitten.
## Hosenboden
Wie vermutet, ist der eigene Hosenboden eine sehr langsame Möglichkeit, den
Berg hinabzukommen. Der Versuch bringt einen kalten und nassen Hintern,
sieht bescheuert aus und tut weh.
## Skateboard
Im Prinzip klingt es ganz einfach: Rollen ab und schon ist das Skateboard
ein Snowboard. Doch selbst der geübte Skateboarder Guerriero kann sich kaum
darauf halten. "Dadurch, dass es unten gewölbt ist und nicht flach wie ein
Snowboard, hat man null Kontrolle", sagt der taz-Tester. Stehend weiter als
einige Meter zu kommen, scheint unmöglich. Darum kann man sich den
Vorbereitungsaufwand - Rollen abschrauben - sparen.
## Wok
Das durch Stefan Raabs Wok-WM und unzählige asiatische Imbisse berühmt
gewordene Kochgerät vermag im Test kaum zu überzeugen. "Da braucht man mal
einen echt kleinen Arsch", meint Guerriero, bevor er sich in seinen Rennwok
zwängt. Dann lässt auch das Tempo einiges zu wünschen übrig. Dem Wok fehlt
eine Gleitfläche, der Snowboardlehrer versinkt im Schnee. Auf der
plattgefahrenen Piste nebenan geht es besser, doch sowohl Geschwindigkeit
als auch die Umdrehungen pro Minute bewegen sich im unteren Bereich.
## Weinflasche
"Verrückte Schlitten? Da hab ich hier auch noch was." Der Testfahrer
Guerriero zaubert eine Flasche Wein hervor und meint es tatsächlich ernst.
Es wirkt äusserst kompliziert, wie sich der Schweizer sitzend auf der
kleinen Flasche drapiert, doch dann geht es in einem ordentlichen Tempo die
Piste hinunter. "Bisschen ungemütlich", kommentiert der taz-Fahrer, aber es
sei durchaus ganz gut lenkbar gewesen. "Und man hat immer was zu trinken
dabei!", freut sich der Tester. Der Preis für das Sportgerät beginnt bei 99
Cent und ist nach oben offen. "Aber die billigen sind genauso schnell",
verrät Guerriero. Je nachdem wie schlecht man Alkohol verträgt, ist
allerdings die Umweltbelastung durch die potenzielle Trendsportart relativ
hoch. Wirkung und Geschwindigkeit des Schlittenersatzes multiplizieren sich
zudem zu einer gewissen Gefahr für die Gesundheit, so dass die Benutzung
erst ab 18 Jahren empfohlen werden kann.
## Backblech
Obwohl von der Idee her vielversprechend, entpuppt sich das Backblech als
absoluter Flop des Tests. Es klebt förmlich auf dem Schnee. Dafür schafft
es Snowboardlehrer Guerriero, damit einige Tricks zu machen: Kleine Sprünge
und sogar der Ansatz eines "Kickflips" sind zu erkennen. "Ganz okay, man
müsste es vielleicht im Backofen vorwärmen", meint der Tester.
## Plastiktüte
Ein echter Klassiker. Fast immer verfügbar, sehr robust und günstig in der
Anschaffung. Richtig gut geeignet für den Einsatz auf der Piste sind die
120-Liter-Müllsäcke in den trendigen Farben Schwarz und Blau. Die Tüte
allein ist unserem Tester jedoch schnell zu unbequem, und so macht er sich
daran, alle möglichen Dinge hineinzupacken. Am meisten überzeugt Guerriero
die Variante mit einer kuscheligen Wolldecke. "Bequem und rasant im
Abgang", lautet sein Urteil, nachdem er sitzend einen Hügel
hinuntergerutscht ist. Auch die gute alte Isomatte, die im Alleingang noch
zu den absoluten Spaßbremsen zählte, da sie sich einfach nicht den Hügel
hinunterbewegen lassen wollte, kann eingehüllt in Plastik plötzlich
begeistern: "Die Polsterung ist beeindruckend gut", sagt Guerriero.
## Schlauchboot
"Eins, zwei, drei!" Das taz-Schlittentest-Team rennt los, schiebt sein
Gefährt an und wirft sich in das Gummiboot, das schon gut Fahrt aufgenommen
hat. Je mehr drin sind, desto schneller wird es. Fünf Mitfahrer sind es am
Ende und noch immer ist Platz im Boot. Eingespielten Mannschaften dürfte es
möglich sein, mit dem Rudelrodel Kurven zu fahren oder zu bremsen, das
taz-Test-Team versteckt sich lieber hinter der Bordwand, bis die Fahrt zu
Ende ist. Die Fahrt macht so viel Spaß, dass selbst der massive
Vorbereitungsaufwand (bestimmt zehn Minuten fürs Pumpen) gerechtfertigt
ist.
## taz
Print oder Online? Diese Frage erledigt sich hier von selbst. Ein Laptop
zum Rodeln? Geldbeutel und Umwelt sagen Nein. Also rauf auf eine 40 Seiten
starke Wochenend-taz und ab gehts. Zumindest wenn jemand kräftig am Ärmel
zieht oder von hinten anschiebt, denn die taz ist auch als Schlittenersatz
widerspenstig - Profitester Guerriero kommt von allein nicht so recht vom
Fleck. In Sachen Stabilität gibt die Zeitung aus recyceltem Papier mehr her
als erwartet: Selbst nach dem zweiten und dritten Durchgang konnte
Guerriero sie noch immer lesen.
13 Jan 2010
## AUTOREN
Martin Schwarzbeck
Bernd Skischally
## TAGS
Trendsport
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