# taz.de -- Modemesse auf dem Berliner Bebelplatz: Mercedes überrollt Denkmal | |
> Am Bebelplatz, Ort des Mahnmals für die Bücherverbrennung, habe "so eine | |
> Halligalli-Veranstaltung" nichts verloren, meint der Chef des | |
> Petitionsausschusses. | |
Bild: Irgendwo darunter ist das Mahnmal für die Bücherverbrennung. | |
Der Protest gegen die kommerzielle Nutzung des Bebelplatzes in Mitte hat | |
parlamentarische Unterstützung bekommen. Dass auf dem Platz ab nächsten | |
Mittwoch erneut die Fashion Week stattfindet, ist für den SPD-Mann Ralf | |
Hillenberg, seit neun Jahren Chef des Petitionsausschusses im | |
Abgeordnetenhaus, nicht hinnehmbar. "So eine Halligalli-Veranstaltung hat | |
nichts auf einem Platz verloren, auf dem Bücher gebrannt haben", sagte er | |
der taz. "Das ist eine Frage der Ethik - hier hat der Senat eine Grenze | |
überschritten." Am Dienstag werde sein Ausschuss ein Papier verabschieden | |
und den Senat auffordern, eine solche Nutzung nicht mehr zuzulassen. | |
Der Streitpunkt: Das Zelt der Fashion Week, einer dreitägigen, von | |
Mercedes-Benz gesponserten Modenschau, steht über dem 1995 eingeweihten | |
Mahnmal des israelischen Künstlers Micha Ullman. Es erinnert mit einem 5 x | |
5 Meter großen unterirdischen Raum mit leeren Regalen an die | |
Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 und ist durch eine Glasscheibe im Boden | |
des Platzes zu sehen. Schon am Montag liefen Aufbauarbeiten für das Zelt. | |
Offiziell hat zwar nicht der von Hillenberg kritisierte Senat, sondern der | |
Bezirk Mitte grünes Licht für die Fashion Week gegeben. Mitte hatte dabei | |
aber durchaus Bauchschmerzen. "Wir haben schon Verantwortung dafür, dass | |
der Bezirk nicht zu einem Disneyland wird", so Bürgermeister Christian | |
Hanke (SPD) zur taz. | |
Bei den im Jahr 2009 festgelegten Kriterien für Veranstaltungen auf | |
öffentlichen Plätzen habe man aber "außerordentliche Interessen des Senats | |
zur Metropole Berlin berücksichtigt" und für die Fashion Week eine Ausnahme | |
gemacht. Weniger diplomatisch als bei Hanke und hinter vorgehaltener Hand | |
heißt es in Mitte, die Senatsverwaltung für Wirtschaft habe mächtig Druck | |
ausgeübt, die Modenschau zuzulassen. | |
Die Kritik von Ausschusschef Hillenberg wendet sich nicht gegen die | |
Modenschau als solche: "Wir wollen die Fashion Week nicht aus Berlin | |
verjagen." Dem SPD-Abgeordneten gefällt es genauso wenig, wenn wie in | |
früheren Jahren in der Weihnachtszeit eine große Eislauffläche, gesponsert | |
von einer Telekommunikationsfirma, den Platz belegt. Nichts einzuwenden hat | |
Hillenberg hingegen, wenn Daniel Barenboim dort die Staatskapelle | |
dirigiert. | |
Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) weist die Kritik an der | |
Nutzung zurück. "Ich bin mir der historischen Bedeutung des Bebelplatzes | |
bewusst. Weder Veranstalter noch Bezirk haben die Nutzung je auf die | |
leichte Schulter genommen." Laut Wolf handelt es sich um eine | |
"Interimslösung" für die Fashion Week. Dieses vermeintliche Interim geht | |
nun aber schon ins dritte Jahr: Die Modenschau kam im Sommer 2008 auf den | |
Bebelplatz und gastiert dort jetzt zum vierten Mal. Zuvor ging sie je | |
einmal am Brandenburger Tor und am Postbahnhof über die Bühne. Am | |
Brandenburger Tor aber gab es laut Veranstalter IMG Fashion logistische | |
Probleme, der Bahnhof wiederum sei manchem zu abgelegen gewesen. "Wir | |
suchen einen neuen Standort in Berlin, haben aber noch keinen gefunden", | |
sagte der Sprecher des Veranstalters, Daniel Aubke. | |
Aubke verwies wie Senator Wolf auf Auflagen, die die Fashion Week einhalten | |
müsse. Es sei keineswegs so, dass das Denkmal zugedeckt sei, sagte Aubke. | |
Über einen Seiteneingang aus Richtung der Staatsoper gebe es dorthin einen | |
besonderen Korridor. Außerhalb des Zelts würden zudem Schautafeln auf das | |
Denkmal verweisen. "Der Zugang ist eigentlich nonstop möglich, nur mit | |
kurzen Unterbrechungen", sagte Aubke. "Wir hatten auch noch nie eine | |
einzige Beschwerde von jemand, dass er hätte warten müssen." | |
Damit widersprach Aubke Kritik der Vereinigung der Verfolgten des | |
Naziregimes (VVN). Deren Berliner Landeschef Hans Coppi hatte gegenüber der | |
taz von größeren Einschränkungen gesprochen. "Man muss sich vorher | |
anmelden, und wenn eine Veranstaltung läuft, kommt man nicht rein", so | |
Coppi. Er sieht eine "schleichende Privatisierung des Gedenkens" und | |
erinnerte daran, dass der Zugang schon beim Bau der Tiefgarage am | |
Bebelplatz 2003/2004 unmöglich war. | |
Die VVN und eine "Initiative Bebelplatz" hatten laut Coppi 2009 binnen | |
weniger Wochen 500 Unterschriften für eine Petition gesammelt, die sich | |
gegen eine derartige Nutzung des Platzes wendet. Sie ging im Herbst an den | |
Petitionsausschuss. Der befürwortet laut Hillenberg einstimmig das | |
Anliegen. | |
In einer Stellungnahme für den Ausschuss hatte auch Künstler Ullman die | |
kommerzielle Nutzung des Platzes scharf kritisiert. "Was auf dem Bebelplatz | |
während der Fashion Week passiert, ist ein aggressiver Eingriff in das | |
Denkmal und seine Funktion", äußerte sich Ullman. "Ich empfinde es als | |
Schande." | |
Laut Hillenberg ist der jetzt vom Ausschuss beschrittene Weg, den Senat | |
direkt zum Handeln aufzufordern, äußerst selten. "Ich bin bald zehn Jahre | |
Ausschussvorsitzender, und da ist das nie vorgekommen", sagte der SPD-Mann. | |
Sollte der Senat nicht umdenken, "dann werden wir über das Parlament | |
gehen". | |
14 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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