| # taz.de -- Arzneiprüfer Sawicki: "Wir werden genug beschimpft" | |
| > Der Leiter der Arznei-Prüfstelle IQWiG wehrt sich gegen Vorwürfe. Seinen | |
| > Posten will der bei Pharmaunternehmen verhasste Peter Sawicki nicht | |
| > kampflos räumen. | |
| taz: Herr Sawicki, zwei Tage vor der Entscheidung, ob Ihr Vertrag als | |
| IQWiG-Chef verlängert wird, berichtete am Montag die "FAZ": Laut einer | |
| Unternehmensprüfung sind durch fehlerhafte Abrechnungen von Dienstwagen und | |
| falsche Tankbelege Kosten in Höhe von 40.000 Euro entstanden. Ist das ein | |
| Rücktrittsgrund für Sie? | |
| Peter Sawicki: Ich kenne den Prüfbericht. Was die FAZ schreibt, ist | |
| schlicht falsch. Ich kann das aber hier nicht im Detail richtigstellen, | |
| weil wir im Vorstand Vertraulichkeit vereinbart haben. Ich halte mich daran | |
| - jemand anderes aber der FAZ gegenüber nicht. | |
| FDP und CDU wollen Sie am Mittwoch als Leiter des IQWiG kippen und durch | |
| einen pharmafreundlicheren Nachfolger ersetzen. Packen Sie schon? | |
| Nein, ich packe noch nicht. Fakt ist bislang nur: Bald wird über die | |
| Verlängerung meines Vertrages über August hinaus abgestimmt. Der Vertreter | |
| des Gesundheitsministeriums hat dabei ein Vetorecht. Und CDU-Abgeordnete | |
| forderten schon im vergangenen Jahr eine Neuausrichtung des IQWiG, die sich | |
| auch an der personellen Spitze des Hauses niederschlagen sollte. So eine | |
| einseitige Festlegung von Mitgliedern einer Regierungspartei ist schon | |
| erstaunlich. | |
| Mit einer Unterschriften-Kampagne setzen sich unter anderem 50 | |
| Uni-Professoren für Ihren Verbleib ein. Diese fürchten, wissenschaftliche | |
| Standards bei der Bewertung von Medikamenten könnten zugunsten der | |
| Pharmalobby leiden. Wird die Kampagne die Abstimmung beeinflussen? | |
| Ich glaube nicht, dass die Entscheidung des Ministeriums davon abhängt. | |
| Aber es freut mich natürlich, dass sich Ärzte und Hochschullehrer für mich | |
| einsetzen. Wir werden ja genug beschimpft. | |
| Hängt der Ruf des IQWiG eigentlich allein davon ab, ob Sie gehen oder | |
| bleiben? | |
| Unser Ziel ist, das Institut so aufzubauen, dass es nicht von Personen | |
| abhängt. Mehr Sorgen macht mir deshalb, dass Pharmaindustrie und | |
| CDU-Abgeordnete klar gesagt haben, sie wollen beim IQWiG andere | |
| Prüfstandards einführen. Das zielt nicht auf Personen, sondern auf die | |
| Inhalte unserer Arbeit. | |
| Beobachter fürchten Milliardenkosten für die Versicherten, wenn Kassen | |
| künftig teure Medikamente mit zweifelhaften Nutzen erstatten. Teilen Sie | |
| diese Sorgen? | |
| Es geht uns nicht primär ums Sparen, sondern zunächst darum, das vorhandene | |
| Geld für eine möglichst gute Behandlung der Patienten auszugeben. Lange | |
| hatten Pharmaunternehmen die alleinige Hoheit über die wissenschaftliche | |
| Interpretation dessen, was ein Präparat bewirkt. Manche Firmen halten | |
| Studien unter Verschluss, andere kaufen Experten und lassen ihnen genehme | |
| Artikel schreiben. Diese Alleinherrschaft haben wir aufgebrochen. Wir | |
| ermöglichen eine unabhängige Beurteilung des Nutzens des Medikaments. Das | |
| führt manchmal zu Einsparungen, aber ganz oft auch zu Enttäuschungen bei | |
| Ärzten und Patienten, die in solche Medikamente ihre Hoffnungen gesetzt | |
| haben. | |
| Wie viel Geld hat Ihr Institut dadurch den Kassen - und damit den | |
| Versicherten - gespart? | |
| Das haben wir nicht hochgerechnet. Aber bei der jüngsten | |
| Gerichtsverhandlung vergangene Woche hat der Richter gesagt: Alleine durch | |
| die durch uns bewirkte Preissenkung eines Medikaments habe das Unternehmen | |
| 25 Millionen Euro pro Jahr weniger eingenommen. | |
| 19 Jan 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Matthias Lohre | |
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