# taz.de -- Kein Masterplan gegen Mietsteigerungen: Aus billigen Mietwohnungen … | |
> Die Durchschnittsmieten in Berlin sind innerhalb von zehn Jahren um 25 | |
> Prozent gestiegen. Doch nicht nur die Landespolitik ist weitgehend | |
> ratlos, auch Aktivisten und der Mieterverein haben keinen Masterplan. | |
Bild: Schieflage auf dem Wohnungsmarkt | |
Was ist eigentlich Fakt auf dem Wohnungsmarkt in Berlin? Während der | |
rot-rote Senat "keine gravierenden Probleme" sieht, trugen am | |
Donnerstagabend vier Stunden lang ein gutes Dutzend Experten und | |
Stadtforscher ihr Wissen zusammen. | |
"Es geht vor allem darum, überhaupt wieder eine Perspektive aus der Sicht | |
der Berliner Mieter durchzusetzen", sagte Reiner Wild vom Berliner | |
Mieterverein. Denn im Senat vergleiche man sich immer nur mit anderen | |
westdeutschen Städten oder gar London und Paris, und dagegen seien die | |
Mieten in Berlin niedriger. Aber: "Im letzten Jahrzehnt sind die Mieten in | |
Berlin um etwa 25 Prozent gestiegen, bei gleichbleibenden Einkommen", | |
fasste Wild seine mit ausführlichen Statistiken dokumentierten Erkenntnisse | |
zusammen. "Und allein in den fünf gerade vom Senat identifizierten sozialen | |
Problemgebieten in der Stadt wohnt ein Viertel der Berliner Bevölkerung", | |
betonte Franz Schulz, grüner Bezirksbürgermeister von | |
Friedrichshain-Kreuzberg. | |
Ihre Brisanz erhalten die zusammengetragenen Fakten, weil nur dann, wenn | |
der Senat eine Schieflage auf dem Wohnungsmarkt feststellt, auch das | |
Zweckentfremdungsverbot wieder in Kraft gesetzt werden kann. Auch an vielen | |
anderen "kleinen Stellschrauben" könne der Senat etwas machen, so Schulz, | |
zum Beispiel per Gesetz die um sich greifende Umwandlung von Wohnraum in | |
Ferienwohnungen verbieten. Andere Vorschläge von Schulz wie eine | |
gesetzliche Kappung von Mieterhöhungen ohne Wohnwertverbesserung auf der | |
Höhe der Inflationsrate bedürfen allerdings bundesweiter | |
Gesetzesänderungen. "Da müssen die mit ähnlichen Problemen geplagten | |
deutschen Großstädte endlich an einem Strang ziehen", hoffte Wild. | |
Doch schwer tat sich die versammelte Runde an diesem Abend mit dem | |
Ausformulieren von möglichen Alternativen. So kann der Stadtsoziologe | |
Andrej Holm zwar die Prozesse der Gentrifizierung inzwischen sehr gut | |
beschreiben, doch bei den Gegenmaßnahmen fiel ihm auch nicht viel ein, | |
außer Baugenehmigungen mit einer "Mindestquote von preisgebundenen | |
Wohnungen" zu verknüpfen. Ebenso enttäuschte Michael Arndt, | |
wohnungspolitischer Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus, weil er viele | |
blumige Sätzen präsentierte ("keiner darf Sorge um seine Wohnung haben"), | |
aber wenig konkret in die Zukunft gerichtete Politikvorschläge. | |
Richtig füllen konnte allerdings auch der Soziologe Reiner Huhs die Frage | |
nach einem "neuen sozialen Wohnungsbau" nicht, zu verhaftet war er als | |
Ex-Richter im juristischen Diskurs des Sozialgesetzbuches. Dabei hatte | |
Rainer-Maria Fritsch, Staatssekretär für Soziales, zuvor klar benannt, dass | |
Berlin jedes Jahr 1,4 Milliarden (!) Euro zur Finanzierung der | |
Wohnungskosten von Empfängern von staatlichen Hilfen ausgibt. | |
Wie viel dieser Gelder sich langfristig einsparen ließe, wenn man zum | |
Beispiel kleinen bauwilligen Genossenschaften städtische Grundstücke völlig | |
kostenlos überließe und im Gegenzug dafür eine Belegung eines Teils der | |
Wohnungen mit Menschen mit geringem Einkommen verlangt, wurde am Ende des | |
Abends deutlich. Dort stellte die Initiative Möckernkiez ihr Konzept für | |
ein neues Wohnquartier mit 385 Wohnungen an der Südost-Ecke des neuen Parks | |
am Gleisdreieck vor. Doch ohne die staatliche Unterstützung kostet eine | |
Wohnung 2.000 Euro pro Quadratmeter bei Kauf. Oder 8,50 Euro netto kalt pro | |
Monat und Quadratmater zur Miete, wie die Vertreterin eines weiteren | |
größeren Projekts am südlichen Ende der Friesenstraße betonte. Obwohl also | |
explizit nicht gewollt, entstehen so de facto nur neue Quartiere für | |
Besserverdienende und reiche Erben. "Alles, was diese Kosten reduziert, ist | |
sozial nützlich", appellierte daher Barbara Rolfes-Poneß von der | |
Wohnungsgenossenschaft Fidicin 18 an die Politiker aller Parteien. | |
Christoph Villinger | |
23 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Christoph Villinger | |
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