# taz.de -- Debatte Swift: Datenspende an die USA | |
> Europas Innenminister wollen den Datentransfer mit den USA. Das | |
> EU-Parlament hingegen macht sich neuerdings für den Datenschutz stark. | |
Terroristen bekämpfen, indem man Konten überwacht oder einfriert, ist in | |
den USA eine beliebte Maßnahme. So beliebt, dass die Amerikaner | |
prophylaktisch die Daten auch europäischer Bankkunden speichern wollen. | |
Doch da der Lissabon-Vertrag dem Europäischen Parlament (EP) neuerdings in | |
der EU-Kriminalpolitik ein Vetorecht zuspricht, stehen nun die Chancen gut, | |
dass die EU-Abgeordneten diese gigantische Datenvorratsspeicherung | |
verhindern werden. In anderen Worten: dass sie das Swift-Abkommen scheitern | |
lassen. | |
Swift, das ist eine belgische Genossenschaft, die im Auftrag von mehr als | |
8.000 Banken den weltweiten Zahlungsverkehr abwickelt. Im Swift-Abkommen | |
räumt die EU den USA das Recht ein, die Daten von europäischen Bankkunden | |
zur Terrorbekämpfung anzufordern. Das Abkommen soll zunächst bis Oktober | |
2010 gelten und dann neu ausgehandelt werden. | |
Am Donnerstag ist die vorentscheidende Sitzung im EP-Innenausschuss, | |
nächste Woche die Abstimmung im Plenum. Derzeit sind wohl nicht nur | |
Sozialdemokraten, Grüne, Liberale und Linke gegen die Unterzeichnung, | |
sondern auch Teile der Konservativen. Eine kleine Revolte bahnt sich an. | |
Schon die Tricksereien der EU-Innenminister haben die Abgeordneten | |
misstrauisch werden lassen - zu Recht. Unbedingt wollten die Minister am | |
30. November im Rat abstimmen, also einen Tag bevor der Lissabon-Vertrag in | |
Kraft trat. So wollten sie verhindern, dass das EU-Parlament gleich | |
mitbestimmen darf. Doch ihre Rechnung ging nicht auf. Die Juristischen | |
Dienste von Rat, Kommission und Parlament kamen zum Schluss, dass das | |
Parlament dem Swift-Abkommen jetzt schon zustimmen muss und nicht erst bei | |
der Neuverhandlung im Oktober. | |
Doch obwohl die Abgeordneten ohnehin schon ärgerlich waren, wurden sie noch | |
weiter provoziert. Erst vorige Woche bekamen sie das Abkommen zur Beratung | |
überstellt, angeblich hat die Übersetzung in alle Amtssprachen so lange | |
gedauert. Das ist ein Affront, immerhin wird der Vertrag schon seit dem 1. | |
Februar, also diesem Montag, vorläufig angewandt. Das heißt, die | |
Swift-Datenquelle sprudelt bereits, bevor die Abgeordneten nächste Woche | |
abstimmen. | |
Diese Verfahrenstricks passen zur Vorgeschichte, der Umgang der USA mit den | |
europäischen Bankdaten war von Anfang an dubios. Gleich nach den Anschlägen | |
von 2001 führte das US-Finanzministerium ein Terrorist Finance Tracking | |
Program (TFTP) ein. Man wollte herausfinden, von wem Terrorverdächtige Geld | |
erhalten haben und an wen sie Gelder überweisen. Zu diesem Zweck wurde | |
unter anderem auf Swift-Daten zugegriffen, die auf einem Server im | |
US-Bundesstaat Virginia lagerten. | |
Die europäische Öffentlichkeit erfuhr erst 2006 durch eine Recherche der | |
Washington Post von diesem Programm. Die Empörung über die Eigenmächtigkeit | |
der USA war groß, auch der Vorwurf der Wirtschaftsspionage zulasten | |
europäischer Firmen kam auf. Swift sah seinen guten Ruf gefährdet und | |
reagierte. Seit Jahresbeginn lagern nun die Überweisungsdaten europäischer | |
Bankkunden nur noch auf Servern in den Niederlanden und einem neuen | |
Rechenzentrum in der Schweiz. Allerdings hatte Swift nicht mit den | |
EU-Innenministern gerechnet. Diese begannen sofort, mit den USA ein | |
Abkommen auszuhandeln, das den Amerikanern den Zugriff auf den | |
niederländischen Swift-Server erlauben sollte. Grund war nicht Druck aus | |
den USA, vielmehr fanden es die europäischen Minister praktisch, wenn die | |
US-Terrorfahnder die europäischen Bankdaten auswerten und gelegentlich ihre | |
Erkenntnisse mit den hiesigen Behörden teilen würden. Schon diese | |
Auslagerung von Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, in die USA ist | |
Grund genug, das Swift-Abkommen abzulehnen. Denn in Europa wäre das | |
Terrorist Finance Tracking Program kaum legal umzusetzen. | |
Vermutlich handelt es sich bei dem ominösen Projekt nämlich um eine neue | |
große Vorratsdatenspeicherung. Nach Informationen der FAZ haben die USA in | |
der Vergangenheit rund 25 Prozent aller Swift-Daten abgerufen und fünf | |
Jahre auf eigenen Computern gespeichert. Dazu passt, dass die | |
amerikanischen Fahnder nach US-Angaben nur auf maximal ein Prozent der von | |
Swift erhaltenen Daten überhaupt zugegriffen haben. Aber Genaues weiß man | |
nicht. Die Bundesregierung darf nicht sagen, wie viele Millionen Datensätze | |
die USA bisher erhalten haben. Auch Swift wurde zum Schweigen verpflichtet. | |
Ein derart undurchsichtiges Abkommen sollten die Abgeordneten aber nie und | |
nimmer billigen. | |
Lehnt das Swift-Abkommen ab | |
Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass es im Swift-Abkommen auch einige | |
positive Punkte gibt. So haben sich die USA verpflichtet, mit den | |
Swift-Daten keine Rasterfahndung ins Blaue hinein zu betreiben. Auch sollen | |
die Daten ausschließlich zur Terrorbekämpfung und nicht etwa zur | |
Industriespionage verwendet werden. Die USA wollen sich sogar durch ein | |
europäisches Kontrollgremium überwachen lassen, dem auch Datenschützer | |
angehören. Und in den Niederlanden soll eine staatliche Aufsicht | |
sicherstellen, dass so wenig wie möglich Swift-Daten an die USA übermittelt | |
werden. | |
Dennoch ist das Abkommen abzulehnen. Wenn wirklich nur wenige spezifische | |
Daten an die USA gehen, dann ist der Vertrag überflüssig, dann genügt die | |
normale Rechtshilfe. Wenn aber Millionen Daten auf Vorrat in die USA | |
geliefert werden, wird der Datenschutz verletzt. Schließlich weiß niemand | |
konkret, welche US-Stellen was mit den Daten genau anstellen werden und | |
welche weiteren Staaten noch mit Erkenntnisse beliefert werden. | |
Anfang März wird in Karlsruhe das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung von | |
Telekom-Daten erwartet, die auf eine EU-Vorgabe zurückgeht. Dann wird das | |
Bundesverfassungsgericht hoffentlich verbieten, Daten einfach auf Vorrat zu | |
speichern, nur weil die Polizei sie später vielleicht mal brauchen kann. | |
Jetzt ist der Zeitpunkt, den EU-skeptischen Richtern zu signalisieren, dass | |
mit der Ermächtigung des EU-Parlaments ab jetzt der Datenschutz an | |
Wichtigkeit gewonnen hat. | |
1 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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