Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Reform bei Musikzeitschrift "Spex": Das popjournalistische Quartett
> Das Internet als Tempomacher setzt die Musikmagazine unter Druck. Die
> "Spex" ersetzt die klassische Plattenrezension durch ein diskursives
> "Pop-Briefing".
Bild: Heft Nummer 324: Tocotronic auf der "Spex".
Wenn am 26. Februar das neue Album der Dreampopper von Beach House in
Deutschland erscheint, werden alle Interessierten bereits wissen, wie es
sich anhört und ob sich ein Kauf lohnt. Seit November letzten Jahres
kursieren die Songs im Internet - das wieder einmal schneller war. Zu
schnell für die hiesigen, an die Veröffentlichungstermine der Alben
gebundenen Musikmagazine. Die Hörer, die Tag für Tag das Internet nach
neuer Musik durchforsten, sind längst nicht mehr auf die Filterfunktion der
Fachmagazine angewiesen.
Der gedruckte Musikjournalismus macht momentan eine harte Zeit durch. Das
sieht auch Max Dax, Chefredakteur der Spex, so und beschloss gemeinsam mit
seiner Redaktion einen radikalen Schritt: die Verbannung der klassischen
Plattenkritik. An ihre Stelle setzt die Redaktion seit der
Januar/Februar-Ausgabe das sogenannte "Pop-Briefing". Dort werden zwar
immer noch Alben besprochen, aber das gleich von drei bis vier AutorInnen.
Im redaktionseigenen Intranet werkeln diese in einem Zeitraum von 60 Tagen
an den Besprechungen, können immer sehen, was der andere macht, sich
gegenseitig korrigieren und aufeinander Bezug nehmen. Für Max Dax ist klar,
dass die Spex "die Musikkritik damit auf eine ganz andere Ebene bringt".
Das sei auch dringend nötig gewesen. "Ich persönlich lese auch keine
Plattenkritiken mehr", sagt Dax. Zu spät, zu subjektiv. Es bedurfte eines
Formates, das robust genug ist, sich der monatlichen
Musikveröffentlichungsschwemme und der Geschwindigkeit des Internets zu
widersetzen. Der Vorteil des Pop-Briefings liege darin, dass es drei bis
vier Einstiege ermögliche. Man sei nicht mehr an die Meinung einzelner
AutorInnen gebunden, sondern finde gleich mehrere Argumente für oder gegen
ein Album. "Das kann das Internet so nicht bieten", sagt Dax, auch wenn
fraglich ist, wie lange die Spex dieses Alleinstellungsmerkmal haben wird.
Pop-Theoretiker Diedrich Diederichsen ergänzt in der FAZ, der wichtigste
Gewinn sei der, dass endlich wieder eine "schroffe Ablehnung des ganzen
Scheiß" im Print lesbar wird. Derzeit ist es gang und gäbe, dass AutorInnen
sich auf ihre Lieblingsbands stürzen, entsprechend liest man kaum noch
kritisch über Musik.
Auch das Indierock-Magazin Visions ist auf der Suche nach Qualitäten, die
durchschnittliche Musikblogs nicht bieten können. Von den Albumkritiken
will man sich trotzdem nicht trennen. "Die Rezensionen sind ein
essenzieller Teil der Visions", sagt Chefredakteur Dennis Plauk der taz.
Die Redaktion wolle deshalb nach originellen Konzepten suchen, die
angeschlagene Rezension attraktiver zu machen. Er könne sich vorstellen,
Alben auf ihre Halbwertzeit testen oder herausragenden Releases mehr Platz
im Heft einzuräumen.
Zurzeit kürt die Visions auf ihrer Internetseite die Platte der Woche und
hängt gleichzeitig eine Liste aller für die Redaktion relevanten
Neuerscheinungen an, um den monatlichen Printzyklus zu umgehen. Außerdem
liefert Visions zu besonders wichtigen Alben Storys oder Interviews, bei
denen sie zuletzt sogar die Textlänge erhöhte. "Wir sind näher dran am
Künstler als jedes durchschnittliche Musikblog", erklärt Plauk, was er als
die Stärke der Musikmagazine sieht.
Die Konzepte der beiden Redaktionen lauten also Diskurs, Tiefe und
Kontextualisierung, um die Schnelligkeit des Internets auszukontern. Zwar
schlägt auch Diedrich Diederichsen in diese Kerbe, fordert aber statt einer
Vielstimmigkeit à la Spex, die das Internet sowieso schon böte, eine
"qualifizierte Langsamkeit". Lange Rezensionen sollten verfasst werden, die
sich von dem Erscheinungsdatum einer Platte losmachten.
Nur sie könnten wirklich leisten, was die Spex will: das Ausdiskutieren und
Aushalten mehrerer Argumente und Positionen.
1 Feb 2010
## AUTOREN
Lukas Dubro
## TAGS
Magazin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Magazin für elektronische Musik: „Groove“ stellt Printausgabe ein
Das Musikmagazin „Groove“ soll ab 2019 nur noch online erscheinen. Auch
„Intro“ und „NME“ gibt es seit diesem Jahr nicht mehr als gedruckte
Magazine.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.