# taz.de -- CDU-Streit um Laufzeit der Akw: Rückendeckung für Röttgen | |
> Röttgen hat sich festgelegt: Er will die Laufzeiten um acht Jahre | |
> verlängern, mehr nicht. Das bringt viele in der Koalition auf die Palme. | |
> Merkel stellt sich nun hinter ihren Minister - ohne sich festzulegen. | |
Bild: Halt mir mal die Grünen warm! Merkel und ihr Umweltminister. | |
BERLIN dpa/ap/taz | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Debatte | |
über die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke indirekt hinter ihren | |
Umweltminister Norbert Röttgen gestellt. Ihr Regierungssprecher Ulrich | |
Wilhelm erklärte am Montagmittag in Berlin, Röttgen argumentiere durchaus | |
auf der Grundlage des Koalitionsvertrages, nach dem die Kernenergie eine | |
Brückentechnologie sei, bis sie verlässlich durch erneuerbare Energie | |
ersetzt werden könne. | |
Die konkrete Ausgestaltung, welche Energieträger in einem Energiemix für | |
welchen Zeitraum eine Rolle spielen würden, werde wie vereinbart bis Herbst | |
im Rahmen des geplanten Energiekonzepts der Regierung erarbeitet. Röttgen | |
hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung am Samstag gesagt, | |
die Laufzeit der Atomkraftwerke solle zwar wie im Koalitionsvertrag | |
vereinbart verlängert werden, 40 Jahre jedoch nicht überschreiten. Der von | |
Rot-Grün vereinbarte Atomausstieg sah etwa 32 Jahre vor. | |
Ob die Kanzlerin damit auch hinter der von Röttgen ins Gespräch gebrachten | |
Ausstiegsfrist steht, erklärte Merkels Sprecher nicht. Genau für das Nennen | |
dieser Frist musste Röttgen am Wochenende viel Prügel aus den eigenen | |
Reihen einstecken. | |
Unionsfraktionschef Volker Kauder betonte am Montag, dass in den | |
Koalitionsvereinbarungen keine konkreten Daten stünden. Andererseits stehe | |
dort ganz klar geschrieben, "dass wir ins Zeitalter der erneuerbaren | |
Energien einsteigen und dass die Kernenergie als Übergangstechnologie | |
weitergeführt werden soll". Kauder war auf dem Weg zur Sitzung des | |
CDU-Präsidiums in Berlin und ergänzte: "Es wäre gut, wenn sich alle an | |
diesen Text der Koalitionsvereinbarung halten." | |
Damit können Merkel und Kauder den Konflikt in ihrer Partei aber kaum noch | |
unter der Decke halten. Der Vorsitzende der Jungen Union etwa, Philipp | |
Mißfelder (CDU), hatte erklärt, aus seiner Sicht müsse die Brückenfunktion | |
der Atomkraft länger als 40 Jahre dauern. "Das Label draufzudrücken, die | |
CDU soll jetzt für den Atomausstieg stehen, das halte ich für falsch." Nur | |
dass Merkel und Röttgen eben auch den Eindruck vermeiden wollen, es handele | |
sich um einen Wiedereinstieg in die Atomtechnik. | |
Und Mißfelder ist nur einer von vielen, die am Wochenende Röttgen teilweise | |
scharf attackiert haben. Zu den Kritikern gehörten Bayerns Umweltminister | |
Markus Söder (CSU), aber auch der Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU). | |
Der ging so weit, Laufzeiten von 60 Jahren und mehr zu fordern, und griff | |
den Bundesumweltminister persönlich an: "Statt sich den Grünen an den Hals | |
zu werfen, sollte Herr Röttgen lieber versuchen, die Energiepreise in | |
Schach zu halten." | |
Für die FDP mischte sich Vizekanzler Guido Westerwelle höchstselbst in den | |
Konflikt: Es sei "ein absolut schwerer Fehler", aus der Kerntechnik | |
auszusteigen, erklärte er am Sonntagabend im ZDF. Um dann den | |
Koalitionsvertrag auf seine Weise zu interpretieren: "Was der | |
Umweltminister gesagt hat, ist nicht die Auffassung der Bundesregierung." | |
Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) stellte sich | |
hingegen hinter Röttgen: "Ich habe ihn auch unterstützt, weil ich finde, 40 | |
Jahre Laufzeit ist schon eine ganz schön lange Zeit." Sie forderte aber, | |
wegen der Pläne Röttgens zur Kürzung der Subventionen in der | |
Solarindustrie, auf die in Thüringen starke Branche zuzugehen. | |
Der Umgang der Union mit dem Ausstieg ist dabei sicher auch eine Nagelprobe | |
für künftige Schwarz-Grüne Bündnisse auf Bundesebene – oder gar schon bei | |
der kommenden Wahl in Nordrhein-Westfalen. Kanzlerin Merkel hat ein | |
Interesse darin, sich solche Optionen nicht durch eine ideologisch wirkende | |
Pro-Kernkraft-Politik zu verbauen – und gerade Röttgen kommt hier eine | |
Schlüsselrolle zu. Und es ist gewiss kein Zufall, dass Röttgen das besagte | |
Zeitungsinterview zu den Laufzeiten pünktlich zum Landesparteitag der | |
Grünen am Wochenende in NRW gab. | |
8 Feb 2010 | |
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