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# taz.de -- Debatte ANC: Mandelas falsche Erben
> Vor zwanzig Jahren kam Südafrikas Freiheitsheld Nelson Mandela aus der
> Haft frei. Heute hat der ANC seine Werte und damit das Land verraten.
Bild: "Diese Leute sind gefährlich": Julius Malema, Präsident der ANC-Jugendl…
Wenn der kranke Nelson Mandela wüsste, so sagte seine Exfrau Winnie
Madikizela-Mandela vor wenigen Wochen, was heute mit seinem ANC
(Afrikanischer Nationalkongress) los sei, würde es "seine Reise in die
Ewigkeit beschleunigen".
Tatsächlich ist der ANC, für den Mandela 26 Jahre im Gefängnis saß und
Millionen einfache Südafrikaner ihr Blut vergossen haben, unter dem
heutigem Präsidenten Jacob Zuma nicht wiederzuerkennen. Er macht durch
Streit, Skandale und moralische Schlüpfrigkeit von sich reden.
Dank ihrer zentralen Rolle im Widerstand gegen Kolonialismus und die weiße
Minderheitsherrschaft erwarben der ANC ebenso wie andere afrikanische
Befreiungs- und Unabhängigkeitsbewegungen eine außerordentliche
Legitimität. Sie sind nicht normale politische Parteien. Sie funktionieren
eher wie Kirchen. Wer ihnen beitritt, verinnerlicht gewisse Regeln. Werden
ihre Handlungen nach außen und ihr Verhalten nach innen undemokratisch,
dann strahlt das auf die gesamte politische Kultur ihres Landes aus.
Dies ist die traurige Erfahrung von Südafrika heute. "ANC-Kader sollten als
Prinzipienwächter des grundsätzlichen Wandels auftreten und sich durch
beispielhaftes Verhalten den Respekt ihrer Freunde sowie der Gesellschaft
erarbeiten", steht im Grundsatzpapier des ANC. "Ihre Leitwerte sind
Ehrlichkeit, harte Arbeit, Demut, Dienst am Volk und Respekt für das
Gesetz." Die Realität ist das genaue Gegenteil. Es ist kein stärkerer
Kontrast denkbar als zwischen der moralischen Autorität Nelson Mandelas und
der Zwielichtigkeit Jacob Zumas.
Am heutigen Donnerstag wird Zuma vor dem südafrikanischen Parlament die
alljährliche Rede zur Lage der Nation halten und die Prioritäten seiner
Regierung für das kommende Jahr erläutern. Der Termin wurde eigens auf den
Jahrestag der Freilassung Nelson Mandelas aus der Haft vor zwanzig Jahren
gelegt. Doch Zumas Rede wird nicht im Licht dieses historischen Ereignisses
stehen, sondern im Gegenteil von einem weiteren Skandal überschattet
werden, einem von vielen. Diesmal geht es darum, dass der polygame Zuma
öffentlichen Ekel erregt hat, weil er mitten im Wahlkampf 2009 ein
uneheliches Kind zeugte.
Schon vor Jahren wurde Zuma von dem Vorwurf freigesprochen, eine Frau
vergewaltigt zu haben, die ihn als Vaterfigur betrachtete. Das Gericht
akzeptierte seine Ansicht, dass es in Ordnung war, ungeschützten Sex mit
einer HIV-positiven Frau im Alter seiner eigenen Tochter zu haben. Und
wenige Wochen vor seinem Wahlsieg wurden schwerwiegende Korruptionsvorwürfe
gegen Zuma unter kontroversen Umständen fallengelassen. Zumas enger Freund
Schabir Shaik war zuvor zwar ins Gefängnis gegangen, weil er nach
Auffassung der Richter Schmiergelder zugunsten Zumas organisiert hatte.
Aber ANC-Jugendliga-Chef Julius Malema sagte, er sei bereit, zu "töten",
damit die 16 Korruptionsanklagen gegen Zuma fallengelassen werden und Zuma
Präsident werden könne. Die Klagen wurden fallengelassen. Zuma wurde
Präsident.
Der ANC hat Zuma bei all diesen Machenschaften unterstützt. Mit Mandelas
Abgang als ANC-Führer verwandelte sich der ANC von einer moralischen
Bewegung, die einen gerechten Kampf führt, in eine ganz normale politische
Partei. Im Herzen des ANC und Südafrikas insgesamt klafft heute ein
moralisches Vakuum.
Mandela glaubte an Führung durch gutes Vorbild. Es war entscheidend, dass
er tatsächlich so auftrat, als stünde er über dem Gesetz, als sei er
unantastbar. Indem er dann trotzdem dem Gesetz folgte, setzte er den
anderen ein Beispiel. So erschien Mandela in seiner Funktion als
Staatspräsident vor Gericht, als es darum ging, die Einrichtung einer
Untersuchungskommission zu rassistischen Praktiken in Südafrikas
Rugbyverband gegen eine Klage des einstigen Rugbyführers Louis Luyt zu
verteidigen. Mandelas Anwalt sagte, als Präsident solle sich Mandela keiner
gerichtlichen Befragung stellen. Mandela widersprach: Gerade als Präsident
müsse er sich zur Verantwortung ziehen lassen.
## "Ich will keine Schoßhunde"
Mandela ermutigte eine Kultur der Direktheit: Jedes ANC-Mitglied,
insistierte er, müsse Kritik üben dürfen, vor allem auch an ihm. Bei der
ersten ANC-Vorstandssitzung nach seiner Wahl zum Parteichef sagte er: "Ich
will keine Schoßhunde." Sein Nachfolger Mbeki hingegen ermutigte seine
Mitstreiter, ihm das zu sagen, was er selbst hören wollte. Wenn
ANC-Führungspersönlichkeiten wie Cyril Ramaphosa, Tokyo Sexwale und Mathews
Phosa auch nur sanfte Kritik an Mbeki äußerten, wurden sie
lächerlicherweise der "Verschwörung" beschuldigt. Auch Zuma schwieg, als
Jugendligachef Malema drohte, Kritiker zu "töten". Als ANC-Veteran und
Exbildungsminister Kader Asmal letztes Jahr Zuma und andere ANC-Führern
kritisierte, riet ihm der mit Zuma verbündete ANC-Veteranenverband, er
solle "zum nächsten Friedhof gehen und sterben".
Mandela warb bei seinen Gegnern um Vertrauen. Mbeki war unfähig, um
Vertrauen zu werben, sogar innerhalb des ANC. Zumas Verbündete schüchtern
ihre Gegner einfach ein, im ANC und außerhalb.
Mandela stand für eine nichtrassische Politik. Zuma spielt die ethnische
Karte. Als er sich um die ANC-Führung bewarb, nannte er seine Plattform
"100 % Zulu". Manche seiner radikaleren Anhänger setzten auf schwarzen
Unmut und vertieften die Gräben zwischen den Rassen damit weiter. Mandela
stand für die Wahrung der Einheit des ANC; unter Zuma wandten sich viele
ANC-Mitglieder enttäuscht ab und gründeten den "Volkskongress" (Cope). Im
nächsten Monat wird es eine weitere Spaltung geben, wenn Gewerkschaftler,
Kommunisten und Sozialisten aus dem ANC austreten und eine "Demokratische
Linke" als Opposition gegen Zuma gründen.
Je weiter sich Afrikas älteste Befreiungsbewegung von den Idealen Mandelas
entfernt, desto einfacher werden es ihre Mitglieder begründen können, dass
sie ihr den Rücken kehren. Die Legitimität, die der ANC im Kampf erwarb,
wird heute von ihrer Führung zerstört.
Aus dem Englischen von
Dominic Johnson
11 Feb 2010
## AUTOREN
William Gumede
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