# taz.de -- die wahrheit: Gelobet sei der Achwermittwoch | |
> Übermorgen ist die Sache ausgestanden. Wer auch immer den Begriff | |
> "rheinische Frohnatur" erfunden hat, musste vermutlich noch nie einer | |
> karnevalistischen... | |
... Zwangsfrohsinnssitzung beiwohnen. Gelobt sei der Aschermittwoch. Der | |
Engländer hingegen verkleidet sich zu allen Jahreszeiten gerne. Er mag | |
Kostümpartys, weil sie - ebenso wie Komasaufen und Zoten reißen - das Eis | |
brechen, glaubt die kanadische Journalistin Leah McLaren. Und mit "Eis" | |
seien Jahrhunderte alte tiefe soziale und sexuelle Hemmungen gemeint. | |
McLaren hat das am eigenen Leib erfahren. Sie hatte sich zu einer "fancy | |
dress party" bei Bekannten in London ein schickes Seidenkleid angezogen. | |
"Kurz nachdem ich an die Tür geklopft hatte, wurde mir klar, dass ich einen | |
großen Fehler gemacht hatte", schrieb sie im Spectator. "Eine junge Frau | |
mit nackten Titten öffnete mir." Die anderen Gäste aus der Londoner Medien- | |
und Kunstszene waren als Dominas oder Transen verkleidet. "Ich kam mir vor | |
wie eine Schullehrerin in Sodom und Gomorrha", meinte McLaren. | |
Schuld war ein Sprachproblem. Während sich Engländer zu einer "fancy dress | |
party" unweigerlich als Pfarrer und Konkubinen verkleiden, versteht der | |
Nordamerikaner unter dem Begriff ein festliches Ereignis, zu dem man in | |
Smoking oder Abendkleid erscheint. Wie groß war die Überraschung eines | |
englischen Ehepaars, das zu einer solchen Feier in New York als Kürbisse | |
verkleidet ging. Beim Anblick der piekfeinen Gesellschaft betranken sich | |
die beiden hoffnungslos. | |
"Anders als emotionale Offenheit, Kinderpflege oder Pediküre sind | |
Kostümpartys eine dieser belanglosen und nebulösen kleinen Dinge, denen | |
sich der Engländer mit einer grenzenlosen, stirnrunzelnden | |
Ruhm-oder-Tod-Ernsthaftigkeit hingibt", schrieb der Kolumnist A. A. Gill. | |
Kostümfeste sind Ende des 18. Jahrhunderts aus Italien nach England | |
importiert worden und erfreuten sich bei der Oberschicht schnell großer | |
Popularität. Am liebsten trugen die Adligen die Kleidung der Unterschicht. | |
Für einen Abend durften sie sich wie Tiere benehmen, wie es die niederen | |
Klassen ihrer Meinung nach taten. Dieser eigenartige Humor hat sich bis | |
heute in der englischen Aristokratie gehalten. Prinz William, der | |
Thronfolger nach dem ewigen Thronfolger, ging als Prolet zum Kostümfest auf | |
der Militärakademie Sandhurst. Er trug Trainingshose, Turnschuhe, | |
Goldkettchen und Baseballkappe und legte sich einen prolligen Akzent zu. | |
Bei seiner Geburtstagsparty auf Schloss Windsor hatte er lediglich eine | |
Leopardenfellunterhose an, denn das Thema war "Out of Africa". Seine Oma, | |
die Queen, erschien als Swasiländerin. Aber es tauchte auch ein ungeladener | |
Gast auf: Der selbsternannte "Komik-Terrorist" Aaron Barschak trug Turban, | |
Sonnenbrille, ein rosa Kleid, einen falschen Bart und stellte sich als | |
Ussama vor. Die Sicherheitsbeamten, an denen er vorbeigeschlüpft war, | |
hatten ihn offenbar für Prinz Philip gehalten, denn ob Araber oder | |
Afrikaner - für den Queen-Gatten sind es bloß blöde Ausländer. | |
14 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
Ralf Sotscheck | |
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Kolumne Die Wahrheit | |
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