# taz.de -- Bruch der Koalition in den Niederlanden: Regierung scheitert an Afg… | |
> In den Niederlanden stehen im Frühling Neuwahlen bevor. Die ehemaligen | |
> Koalitionsparteien üben sich in Schuldzuweisungen, die Rechtspopulisten | |
> sehen ihre Chance kommen. | |
Bild: Der niederländische Premier Jan Peter Balkenende bei seiner Mitteilung, … | |
Unmittelbar nach dem Bruch der Koalition am Samstag ging die | |
Auseinandersetzung zwischen den Koalitionspartnern in den niederländischen | |
Medien weiter. Der Christdemokrat Jan Peter Balkenende, der noch am selben | |
Tag Königin Beatrix den Rücktritt seines Kabinetts angeboten hatte, erhob | |
schwere Vorwürfe gegen seinen bisherigen Koalitionspartner, den | |
Sozialdemokraten Wouter Bos. Dieser habe mit seiner Forderung nach einem | |
Truppenrückzug aus Afghanistan die Abmachung des Kabinetts gebrochen, alle | |
Optionen zunächst intern zu untersuchen. Aus Balkenendes Partei CDA hieß es | |
zudem, Bos habe bewusst auf einen Bruch der Koalition hingearbeitet. | |
Bos dagegen machte Balkenende selbst für das Scheitern der Krisengespräche | |
verantwortlich. Der Premierminister habe von der PvdA eine öffentliche | |
Erklärung verlangt, Alternativen zu einem Abzug zu prüfen. Für die | |
Sozialdemokraten war dies jedoch indiskutabel. Sie berufen sich auf einen | |
Beschluss des niederländischen Parlaments von Ende 2007. Demnach endet die | |
Beteiligung an der Isaf-Mission definitiv am 1. August dieses Jahres. | |
Schon die letzte Verlängerung des Mandats war zwischen CDA und PvdA | |
umstritten gewesen. Zusätzlich angeheizt wurde der Konflikt durch die Bitte | |
des Nato-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen, Teile des knapp 2.000 | |
Personen zählenden Kontingents über den August hinaus in der umkämpften | |
südafghanischen Provinz Urusgan zu belassen. Seit Beginn des Einsatzes | |
kamen dort 21 Niederländer ums Leben. | |
Mit dem Sturz der Regierung ist ein Verbleib der Truppen vorerst | |
ausgeschlossen. Nun dürfte Balkenende ein kommissarisches Kabinett aus CDA | |
und der dritten Partei, der calvinistischen Christen Union, bilden. Über | |
die Details wird sich Königin Beatrix ab Montag mit den Parteivorsitzenden | |
unterhalten. Umstrittene Themen wie der Afghanistaneinsatz werden von | |
solchen Übergangsregierungen aber nicht behandelt. Einen Beschluss darüber | |
könnte erst eine neue Regierung treffen. | |
Für Neuwahlen sieht die niederländische Verfassung eine Frist von 83 Tagen | |
vor, nachdem die Königin den Rücktritt eines Kabinetts angenommen hat. Am | |
Wochenende zeichneten sich bereits erste personelle Entscheidungen ab: CDA | |
und PvdA bestätigten Balkenende bzw. Bos als Spitzenkandidaten. Eine | |
neuerliche Koalition aus beiden Parteien erscheint so noch | |
unwahrscheinlicher. Zwischen ihnen waren neben der Afghanistanpolitik auch | |
Themen wie eine Anhebung des Rentenalters oder eine Form des | |
Kündigungsschutzes umstritten. | |
Die ersten Umfragen nach dem Sturz der Regierung zeigten am Wochenende | |
leichte Verluste für den CDA und deutliche Zugewinne für die PvdA, die | |
zuletzt im konstanten Umfragetief gelegen hatte. Der Freiheitspartei des | |
Rechtspopulisten Geert Wilders, die den Afghanistaneinsatz ebenfalls | |
beenden will, prognostizierte diese Umfrage leichte Einbußen, bestätigten | |
sie aber hinter dem CDA als zweitstärkste Kraft. Dennoch wird erwartet, | |
dass Wilders von vorgezogenen Neuwahlen profitieren wird. Entsprechend | |
euphorisch begrüßte er den Fall des "schlechtesten Kabinetts aller Zeiten" | |
mit den Worten: "Die Fahne kann heraus." | |
22 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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