# taz.de -- "Dschungel statt Öl"-Projekt in Ecuador: Hier wird nicht gebohrt | |
> Der Yasuní-Nationalpark zählt zu den artenreichsten Regionen. Damit das | |
> so bleibt, soll dort kein Öl gefördert werden. Für den Profitausfall | |
> könnte die Staatengemeinschaft aufkommen. | |
Bild: Auf der Fläche eines Fußballfeldes gibt es fast soviele Baumarten wie i… | |
COCA/NUEVO/ROCAFUERTE taz | Rosarote Delfine tollen in der Mitte des | |
Flusses, kreischende Affen springen durch das Geäst der Urwaldriesen am | |
Ufer. Ara-Pärchen und Papageienschwärme ziehen über den Himmel. Bei | |
Einbruch der Dunkelheit schwillt das Vogelkonzert an. Hier, im | |
ecuadorianischen Amazonasgebiet unmittelbar an der Grenze zu Peru, zeigt | |
sich der Regenwald von seiner faszinierendsten Seite. | |
Der Yasuní-Nationalpark ist eine der | |
[1][doi/10.1371/journal.pone.0008767:artenreichsten Regionen der Welt]. | |
Wissenschaftler haben eine rekordverdächtige Vielfalt von Fledermäusen, | |
Ameisen und Käfern identifiziert. Eine neue Studie führt 150 Lurch-, 121 | |
Reptilien- und 596 Vogelarten auf. Auf der Fläche eines Fußballfeldes gibt | |
es fast soviele Baumarten wie in ganz Nordamerika. Der Park ist der | |
traditionelle Lebensraum der Huaorani-Indígenas sowie der Tagaeri und der | |
Taromenane, zweier Urvölker, die dem Kontakt mit den Weißen aus dem Weg | |
gehen. | |
Seit knapp drei Jahren macht unter dem Stichwort "Dschungel statt Öl" eine | |
von Umweltgruppen entwickelte Klimaidee Furore: Jenes Erdöl, das im | |
östlichen Teil des Yasuní-Nationalparks lagert, dem | |
Ishpingo-Tambococha-Tiputini-Korridor (ITT), soll im Boden bleiben. Es | |
handelt sich um knapp 850 Millionen Barrel, ein Fünftel der landesweiten | |
Ölreserven. Im Gegenzug, so die Hoffnung, bringt die internationale | |
Gemeinschaft als Ausdruck ihrer "Mitverantwortung" 20 Jahre lang die Hälfte | |
der erwarteten Deviseneinkünfte auf, 350 Millionen Dollar im Jahr. | |
Fünf Monate nach seinem Amtsantritt im Juni 2007 erklärte Ecuadors linker | |
Präsident Rafael Correa die Yasuní-ITT-Initiative zum | |
[2][Regierungsprojekt]. Mit besonders großer Begeisterung wurde das Projekt | |
in Deutschland aufgenommen. Ein Jahr später unterstützte es der Bundestag | |
in seltener Einhelligkeit, im Juni 2009 stellte die Bundesregierung über 13 | |
Jahre je [3][50 Millionen Euro in Aussicht]. | |
Die Mittel sollen in einen bei der UNO angesiedelten Treuhandfonds | |
eingezahlt werden - für den Erhalt von Naturschutzgebieten, | |
Wiederaufforstungsprogramme, den Ausbau erneuerbarer Energien, | |
Energiesparprogramme und Sozialprojekte. Doch dieser Fonds ist bis heute | |
nicht eingerichtet - Staatschef Correa fordert seit neuestem die | |
Stimmenmehrheit für Ecuador. | |
Für den renommierten US-Ökologen Thomas Lovejoy zielt der Vorschlag auf die | |
zwei größten Ursachen des Klimawandels, die fossilen Brennstoffe und die | |
Urwaldzerstörung: "Es ist fantasievoll und ermutigend, dass es eine | |
Regierung gibt, die überhaupt daran denkt, dass man auf Ölförderung | |
verzichten könnte". | |
Doch was halten die Menschen in der Amazonasregion selbst von dem | |
Vorschlag? Eine von der NGO [4][Acción Ecológica] organisierte Bootsfahrt | |
auf dem Amazonas-Nebenfluss Napo gibt Aufschluss. Von Coca, der Hauptstadt | |
der Urwaldprovinz Orellana, geht es rund 250 Kilometer flussabwärts nach | |
Osten bis Nuevo Rocafuerte kurz vor der peruanischen Grenze. An den engsten | |
Stellen ist der Napo immer noch einen halben Kilometer breit. Er gehört zur | |
Verkehrsachse zwischen der Amazonasmetropole Manaus und dem Pazifikhafen | |
Manta, die die Regierungen Brasiliens und Ecuadors planen: Wenn er einmal | |
ausgebaggert ist, soll hier brasilianisches Soja nach Asien verschifft | |
werden. | |
Flammen am Himmel | |
Schon bald schießen linker Hand hinter den Bäumen zwei Flammen in den | |
Himmel. Es ist der Beginn des Ölfelds Sacha. Früher wurde es von Texaco | |
betrieben, nun soll ein Joint Venture zwischen den Staatsbetrieben | |
Petroecuador und PDVSA aus Venezuela die Tagesproduktion von 48.000 auf | |
70.000 Barrel steigern. | |
Immer mehr Fähren ziehen vorbei. Sie bringen Lastwagen, Kräne und dicke | |
Betonrohre in die Fördergebiete, etwa zur Hafenanlage Itaya. Seit 2008 wird | |
der Block 15 von Petroamazonas gemanagt, einer ecuadorianischen | |
Aktiengesellschaft mit öffentlichem Kapital. Unmittelbar daneben leben 120 | |
Kichwa-Indígenas vom Kakao-, Kaffee- und Maisanbau. Ein paar Kinder spielen | |
auf dem Fußballplatz. | |
"Hier verseuchen 18 Bohrlöcher das Wasser", sagt Daniel Tangüela, einer | |
ihrer Sprecher, im schmucklosen Gemeinschaftsraum des Dorfes. "Fische gibt | |
es kaum noch, und der ständige Lärm vertreibt die wilden Tiere." Dennoch | |
trauert er dem US-Multi Occidental Petroleum (Oxy) nach: "Die haben uns | |
wenigstens als Bootsfahrer verpflichtet, die Verträge eingehalten, unsere | |
Schule unterstützt". | |
Gedämpft ist auch die Stimmung auf der Gemeindeversammlung in Pañacocha, | |
eine weitere Stunde flussabwärts. "Petroamazonas kauft uns nicht einmal | |
unser Obst und Gemüse ab", sagt Dorfvorsteher Nelson Rivadeneira, "alles | |
lassen sie von außen herbringen." Heute sei die Umweltverschmutzung nicht | |
mehr so offensichtlich wie in den Achtzigerjahren, als Texaco am Oberlauf | |
des Napo und seinen Nebenflüssen wütete: "Damals war der ganze Fluss mit | |
einer schwarzen, fünf Zentimeter dicken Ölschicht bedeckt. Viele sind an | |
Krebs gestorben". | |
"Die Ölfirmen haben uns gespalten", berichtet der Endvierziger. "Nie reden | |
sie mit allen, sie greifen sich einzelne Leute oder Gruppen heraus und | |
machen Versprechungen. Den Reichtum schaffen sie weg, die Armut bleibt." In | |
Pañacocha hat sich ein Teil der Gemeinde abgespalten, nun beschäftigt der | |
Streit die Justiz. | |
Lebensweisen verändert | |
Lebensweise und Kultur der Kichwa und der mestizischen Siedler, die sich | |
vor Jahrzehnten am Napo niederließen, hätten sich radikal gewandelt. "Wir | |
waren Bauern, die sich gegenseitig ausgeholfen haben. Heute geht alles nur | |
gegen Bezahlung", bedauert Rivadeneira. "Früher wussten wir nicht, was Zeit | |
ist, heute geht alles nach der Uhr. Kleidung, Ess- und Trinkgewohnheiten, | |
Sprache, alles ist heute anders. Unsere Kinder schämen sich, Kichwa zu | |
sprechen". | |
[5][Das Prinzip des "guten Lebens"] (auf Kichwa: "sumak kawsay"), das | |
Ecuadors neue Verfassung prägt, ist für ihn eine sehr konkrete | |
Angelegenheit: "Gesundheit, gutes Essen, Ruhe, das müssen wir | |
zurückgewinnen." Auch deswegen begrüßt er die Yasuní-ITT-Initiative, | |
allerdings fragt er: "Was haben wir davon? Wir bräuchten mehr Know-how für | |
die Verarbeitung unseres Kakaos oder der Hühner - und Absatzmärkte. Diese | |
Mittel müssten gerecht und transparent verwaltet werden". | |
Selbst in den Gemeinschaften, die direkt an den noch unberührten Teil des | |
Nationalparks angrenzen, kennt man das Projekt nur vom Hörensagen. "Einmal | |
ist Staatspräsident Correa mit einem Hubschrauber hereingeschwebt", | |
berichtet Franklin Cox, der Bürgermeister der Kommune Aguarico. "Unser | |
Haushalt kommt komplett aus den Steuern der Ölfirmen", sagt er, "doch immer | |
mehr davon bleibt in Quito: 2007 hatten wir 1,4 Millionen Dollar, die | |
beiden darauffolgenden Jahre nur noch die Hälfte, und für 2010 ist noch | |
alles offen." | |
Die Verbindung mit dem Öl ist so eng, dass ein Bohrturm das kommunale | |
Wappen in seinem Büro ziert, ebenso wie seine Visitenkarte. Auf dem Gebiet | |
der weitläufigen, aber dünnbesiedelten Kommune ist auch der spanische | |
Konzern Repsol aktiv. Wegen der Verseuchung einer acht Hektar großen Fläche | |
im Yasuní-Park hat Cox den Multi auf 3,1 Millionen Schadensersatz verklagt. | |
Ölsuche mit Dynamit | |
Im Block 31, der an das ITT-Gebiet angrenzt, will Petroamazonas mit Dynamit | |
nach Öl suchen. "Doch mit mir reden die nicht, sondern nur direkt mit den | |
Leuten vor Ort. Sie bieten ihnen 40 Cent pro Hektar, das ist absurd", sagt | |
der Bürgermeister. "Natürlich bin ich dafür, das Öl im Boden zu lassen - | |
wenn wir einen Teil des Geldes für echte lokale Entwicklung bekommen", sagt | |
Cox, "der Yasuní könnte eine wunderbare Touristenattraktion werden." Schon | |
jetzt träumt Bürgermeister Cox von Trinkwassersystemen und einem Flugplatz. | |
"Das Hauptproblem ist allerdings: Kaum jemand kennt das Projekt". | |
Das gilt auch für den verschlafenen Grenzort Nuevo Rocafuerte mit seinen | |
600 Einwohnern. Und das, obwohl Vizepräsident Lenín Moreno hier geboren | |
wurde und auch schon zweimal selbst vorbeigekommen ist, wie Blanca Acero | |
erzählt. Sie selbst betreibt eine kleine Unterkunft und sagt: "Unser Dorf | |
lebt vom Tourismus, wie schön wäre es, wenn es dabei bliebe!" Spanische | |
Jesuiten haben das beste Krankenhaus weit und breit aufgebaut, die | |
Strandpromenade ist gepflastert. Doch die Ladenbesitzerin Tomasa Guillín | |
schimpft: "Es gibt keine Arbeit für meine Kinder, die Regierung hat uns im | |
Stich gelassen". | |
Plan B Förderoption | |
Nach drei Tagen Erkundungsmission ziehen die BesucherInnen in der | |
Provinzhauptstadt Coca ein ernüchterndes Fazit: Die ecuadorianische | |
Regierung hat bisher offenbar noch nichts unternommen, um die | |
Yasuní-ITT-Initiative in Amazonien selbst bekannt zu machen. Gelegentliche | |
Visiten von Ökoaktivisten aus der Hauptstadt können dieses Defizit nicht | |
ausgleichen. Präsident Rafael Correa wolle sich die Förderoption | |
offenhalten, das steht für Esperanza Martínez von Acción Ecológica fest: | |
"Parallel zur Initiative hat man den sogenannten Plan B vorangetrieben - | |
für den Fall, dass die Mittel nicht zusammenkommen. Wir hingegen fordern | |
die Ausweitung des Förderstopps auf den Block 31." | |
"Es ist fantastisch, dass die Bundesrepublik Deutschland den | |
Regierungsvorschlag unterstützen will", sagt Cocas engagierte | |
Bürgermeisterin Ana Rivas von der Indígenapartei Pachakutik, "aber der ist | |
noch nicht vollständig. Die Behörden vor Ort müssen mitreden dürfen, ebenso | |
die betroffenen Gemeinschaften, die Huaorani, die Kichwas, die Mestizen." | |
21 Feb 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.plosone.org/article/info | |
[2] http://www.yasuni-itt.gov.ec | |
[3] /1/zukunft/umwelt/artikel/1/kein-erdoel-aus-dem-regenwald/ | |
[4] http://www.sosyasuni.org/de | |
[5] /1/politik/amerika/artikel/1/das-konzept-vom-guten-leben/ | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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