# taz.de -- Debatte über Hartz-IV-Missbrauch: Wenig verheimlicht | |
> Vermögen verschweigen, schwarz ackern oder sich fälschlich krank melden - | |
> das gilt als Missbrauch bei Sozialleistungen. Doch das kommt eher selten | |
> vor. | |
Bild: 74.100 Missbrauchsfälle wurden 2009 bei Hartz IV ermittelt. | |
BERLIN taz | Die Debatte um Missbrauch von Hartz IV und Sanktionen für | |
"arbeitsunwillige BezieherInnen" von Sozialgeldern hält die halbe Republik | |
in Atem. Aber worum geht es eigentlich, wenn von Hartz-IV-Missbrauch die | |
Rede ist? Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat den Begriff definiert: | |
"Leistungsmissbrauch liegt vor, wenn die nicht dem materiellen Recht | |
entsprechenden Leistungen in einem vorwerfbaren Verhalten des | |
Leistungsbeziehers begründet sind." | |
Darunter zu verstehen sind beispielsweise falsche oder unvollständige | |
Angaben wie das Verschweigen von anrechnungsfähigem Vermögen und anderen | |
Einkommensquellen, wenn Hartz IV beantragt wird. Dazu zählen Schwarzarbeit | |
sowie das Vortäuschen von Krankheiten und Arbeitsunfähigkeit. | |
Laut BA ist der festgestellte Leistungsmissbrauch 2009 um 0,1 Prozent im | |
Vergleich zum Vorjahr gestiegen, die Missbrauchsquote bei den rund 6,5 | |
Millionen Hartz-IV-EmpfängerInnen betrug insgesamt 1,9 Prozent. 74.100 | |
tatsächliche Missbrauchsfälle wurden 2009 ermittelt. "Der Missbrauch ist | |
verschwindend gering", sagte BA-Pressesprecherin Anja Huth. | |
Leicht ist der Missbrauch von Hartz IV in jedem Fall nicht. So gibt es den | |
sogenannten automatisierten Datenabgleich, der falsche Angaben und | |
verstecktes Vermögen rasch aufdeckt: Vierteljährlich gleichen die | |
Sozialbehörden die Daten von LeistungsempfängerInnen mit denen von Banken | |
ab. Dadurch wird unter anderem geprüft, ob Freistellungsaufträge vorliegen, | |
die auf ein Vermögen jenseits der gesetzlich gestatteten Freibeträge | |
(Schonvermögen) hinweisen. | |
Die Betroffenen wissen in der Regel von dieser Praxis. Die Zahl der | |
"Überzahlungsfälle", die zustande kommen kann, wenn der Datenabgleich | |
später erfolgt, ist im vergangenen Jahr leicht, nämlich um 1,9 Prozent | |
gesunken - bundesweit von 139.471 Fällen auf 136.867 Fälle. | |
Leichter ist Missbrauch hingegen bei der Schwarzarbeit. 39.055 Fälle | |
meldete die BA 2009 an die für Schwarzarbeit zuständige Finanzkontrolle | |
Schwarzarbeit in Köln weiter. Das waren 6,9 Prozent mehr als 2008. "Wir | |
werden stutzig, wenn jemand mehrmals nicht zu einem Termin erscheint, weil | |
er möglicherweise schwarz arbeitet", sagt Anja Huth. | |
Insgesamt aber mache "die Zielgruppe Hartz IV" nur einen "kleinen Aspekt" | |
bei der Schwarzarbeit aus, sagte Klaus Salzsieder, Pressesprecher der | |
Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Die Behörde überprüfte 2008 rund 535.000 | |
Arbeitsstellen und Arbeitgeber, etwa 170.000 Ermittlungsverfahren wurden | |
eingeleitet. "Die Dunkelziffer aber ist um einiges höher", sagte | |
Salzsieder. Den Ermittlern, die meist anonymen Hinweisen nachgehen, gehe es | |
nicht um die gezielte Fahndung nach Schwarzarbeit bei | |
Hartz-IV-BezieherInnen. Die seien einfach auch dabei, so Salzsieder. Die | |
Ermittler leiten Daten an die Arbeits- und Finanzämter sowie die | |
Krankenkassen weiter. | |
Eine Grauzone ist der Bereich "Missbrauch durch Vortäuschen einer | |
Krankheit". "Wenn jemand einen Krankenschein vorweist, auch mehrmals, | |
unterstellen wir nicht automatisch Missbrauch", sagt Erik Benkendorf, | |
Vizesprecher der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg: "Es geht eher darum zu | |
prüfen, welche Tätigkeit jemand noch machen kann und welche nicht." Werde | |
jemand mit einer dauerhaften körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung | |
vermittelt, sei das weder für den Betroffenen gut noch für den Arbeitgeber. | |
Darüber hinaus gibt es in den bundesweit 178 Arbeitsagenturen einen | |
Ärztlichen Dienst mit über 350 MedizinerInnen, an den Betroffene im | |
Zweifelsfall überwiesen werden. Rund 600.000 Anfragen werden laut BA jedes | |
Jahr an den Ärztlichen Dienst gestellt. | |
23 Feb 2010 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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