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# taz.de -- Gender-Debatte bei Piratenpartei: Meuterei der Piratinnen
> Die Piraten streiten aktuell über Gender. Eine Aktivistin startete eine
> Mailingliste "nur für Frauen" – dafür hagelte es sofort harsche Kritik
> bis hin zu Parteiausschluss-Forderungen.
Bild: Lena Simon, die Initiatorin der Mailingliste.
Lena Simon meutert. Die 25jährige Philosophiestudentin ist Mitglied in der
Piratenpartei, und sie hat ein Problem. "Ich fühle mich als Frau bei den
Piraten oft unwohl. Aber wenn ich das anspreche, rollen die meisten anderen
Mitglieder nur mit den Augen - und sagen: 'Wir sind Post-Gender'."
Simon rief das Netzwerk der "Piratinnen" ins Leben, [1][meldete eine
Homepage an] und veröffentlichte darauf eine Pressemitteilung. Das Netzwerk
wolle "zu einem besseren Verständnis von Zielen, Wünschen und Nöten der
Frauen in einer von Männern dominierten Piratenpartei" beitragen, heißt es
darin. Und weiter: "Die Piratinnen möchten einen Schutzraum bieten, in dem
auch die leisen Stimmen unter den Frauen Gehör finden können."
Die Mitteilung hat sie am vergangenen Samstag veröffentlicht, an dem die
Mitgliederversammlung des Berliner Landesverbandes stattfand. Seitdem tobt
in der Piratenpartei ein verbissen geführter Gender-Streit.
Eine von Simon initiierte Mailingliste mit derzeit 40 Mitgliedern ist
exklusiv Frauen vorbehalten. Darin schildern Geschlechtsgenossinnen ihre
Probleme. Eine erzählt, dass Frauengruppen von männlichen Piraten oft
abschätzig als "Häkelgruppen" bezeichnet würden. Eine andere berichtet,
dass ihre Parteikollegen sie nicht als "potentielle
Parteifunktionsausüberin" sähen, sondern vor allem als "Sexualpartnerin".
Eine dritte schreibt: "Die Anti-Gleichberechtigungstendenzen, die mir
regelmäßig aus den Reihen der Männer entgegenschlagen, werden mich unter
Umständen zu einem Austritt zwingen."
Der Berliner Landesvorsitzende Andreas Baum sagt: "Ich sehe nicht, dass wir
ein Gender-Problem haben. Mir persönlich sind Vorfälle von Diskriminierung
nicht bekannt." Baum will jetzt Kritikerin Simon treffen - und reagieren.
"Natürlich müssen sich Frauen äußern können, ohne mit Witzen belästigt zu
werden. Und es ist nötig, ihnen Schutzräume und Ansprechpartnerinnen zu
verschaffen."
Den Focus nur auf Frauen zu setzen, lehnt er ab. Es sei falsch,
Gleichberechtigung nur auf Mann und Frau bezogen zu diskutieren und damit
Unterschiede zu zementieren, betont auch seine Stellvertreterin, Manuela
Schauerhammer. "Die Piraten müssen generelle Diskriminierung diskutieren -
zum Beispiel auch die von Kindern."
Die Piratenpartei hat bundesweit derzeit 12.000 Mitglieder. Wie viele davon
Frauen sind, weiß niemand - auf den Beitrittsformularen fehlt die Angabe
zum Geschlecht. Doch auch wenn jüngst Frauen an die Spitze der
Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Rheinland-Pfalz gewählt
wurden, sind Frauen in der internetorientierten Partei massiv
unterrepräsentiert.
Die Auseinandersetzung über den Piratinnen-Aufruf wird [2][äußerst scharf
geführt]. Der Thread zur Initiative wächst täglich, häufig ist der Ton
beleidigend. "Ich bin gegen Schutzräume und andere Käfige für weibliche
Piraten", schreibt ein Nutzer. Ein anderer argumentiert etwas
widersprüchlich: "Gegen eine Gruppe, die Genderprobleme innerhalb der
Gesellschaft diskutieren will, habe ich nichts. Sehr wohl aber gegen
eine,die welche innerhalb der Piratenpartei diskutieren will - damit
unterstellt sie nämlich, die PP hätte Probleme mit Männlein und Weiblein
und ihrer Gleichberechtigung und diskriminiert damit sowohl Männer wie
Frauen."
Eine häufig geäußerte Kritik passt nicht recht zum basisdemokratischen
Verständnis, das die Piratenpartei offiziell vor sich herträgt: Lena Simon
und ihre Mitstreiterinnen würden sich nicht ausreichend von der Partei
abgrenzen. So hat Simon ihre Homepage an das offizielle Piraten-Partei-Wiki
gekoppelt. Einmal wurde die Seite eigenmächtig von einem User gelöscht,
dann von anderen wieder hergestellt. Ein anderer User stellte danach wieder
einen Löschantrag.
Mit ihrer Initiative hat Simon angestoßen, was sie als ersten Schritt für
nötig hält: "Eine Bestandsaufnahme darüber, wie sich die Frauen in der
Partei fühlen." Die Studentin, die sich nicht als "typische Emanze" sieht,
hat das Wohl der Partei im Blick: "Die Piraten werden niemals die fünf
Prozent Hürde schaffen, wenn sie sich dem Gender-Thema weiter so
verschließen."
Simon will aus ihrer Partei austreten, wenn sich langfristig nichts ändert.
"In den Diskussionen im Netz fehlt teilweise die Hochachtung vor Menschen.
Wenn User etwa schreiben, dass man sich für Piraten-Frauengruppen künftig
mit Menstruationsblut anmelden müsse."
4 Mar 2010
## LINKS
[1] http://www.piratinnen.org
[2] http://wiki.piratenpartei.de/Piratinnen#Gegner
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