Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Laptop-Avantgarde: Zurück in die Zukunft
> Nach acht Jahren Funkstille veröffentlichen die Superfrickler Fenn OBerg
> ihr neues Album "In Stereo". Und verabschieden sich von der reinen
> Computerlehre.
Bild: Fenn OBerg waren die ersten Musiker, die als improvisierende Laptop-Band …
Die Musikgeschichte des Laptop ist noch nicht geschrieben. Eigentlich eine
gute Nachricht, denn normalerweise bedeutet die historische Aufarbeitung
eines Themas so viel wie: Die Sache ist am Ende.
Über Aufstieg und Fall des tragbaren elektronischen Klangerzeugers Laptop
nachzudenken, würde aber allemal lohnen. Schließlich hat kaum ein anderes
Gerät die Entwicklung der elektronischen Musik seit 1990 derart bestimmt.
Der Laptop war das Symbol der Mobilitätsdoktrin der letzten 20 Jahre.
Dank zahlloser Software-Innovationen entwickelte er sich innerhalb
kürzester Zeit zur universal einsetzbaren Arbeitseinheit - für Tabellen-,
Grafik- und Schreibprogrammabhängige, aber auch für Produzenten
elektronischer Musik. Ein komplettes Studio passte damit bequem in eine
Umhängetasche und mit dem Material auf der Harddisk war Musik zu machen, wo
und wann man wollte.
Auch auf der Bühne, wie das Laptop-Trio Fenn OBerg bereits Mitte der
Neunzigerjahre eindrucksvoll demonstrierte. Christian Fennesz, Jim ORourke
und Peter Rehberg waren die ersten Musiker, die als improvisierende
Laptop-Band ihr Publikum euphorisierten. Ihre aus verschiedenen
Konzertmitschnitten zusammengestellten Alben wurden als Pionierleistungen
der freien Computermusik gefeiert. Der eigenwillige wie ungestüme Umgang
mit Samples entsprang einem Wildern quer durch alle Musikgenres. Niemand
montierte aus vorgefundenem Klangmaterial ähnlich knisternde Sounds wie
Fenn OBerg. Nach acht Jahren Funkstille erscheint nun ein neues Werk, das
erste veritable Studioalbum der drei Datendandys auf Peter Rehbergs eigenem
Label Editions Mego.
Der in Wien lebende englische Musiker gehört in der experimentellen
Elektronik-Szene zu den Vorreitern des ausschließlich am Rechner
produzierten "Glitch"-Techno. Schon Mitte der Neunziger arbeitete Rehberg
vor allem mit digital verfremdeten Samples und mit den Störgeräuschen von
Musiksoftware. Gemeinsam mit dem Wiener Gitarristen Christian Fennesz
prägte er das Klangdesign seines Labels.
Mego spezialisierte sich auf experimentelle elektronische Musik, selbst
brachialster Krach fand hier ein Forum. Auch der aus Chicago stammende Jim
ORourke veröffentlichte auf Mego, das 2005 schließlich pleiteging, um ein
Jahr später von Rehberg als Editions Mego wiederbelebt zu werden. Fennesz
und Rehberg schlossen sich erstmals 1997 mit ORourke zusammen, um gemeinsam
das Live-Potenzial einer reinen Laptop-Band zu erproben. Die Gegenwart von
tragbaren Rechnern auf der Bühne gehörte damals noch nicht zum alltäglichen
Bild im Konzertbetrieb. Als Instrument zum Improvisieren war er praktisch
unerforscht.
Bemerkenswerterweise waren zwei der beteiligen Musiker gar nicht als
Computerspezialisten bekannt. Fennesz und Jim ORourke hatten sich vor allem
als experimentelle Gitarristen einen Namen gemacht, als sie sich mit dem
Laptop-Pionier Rehberg unter dem Namen Fenn OBerg zusammentaten.
##
Mittlerweile sind tragbare Rechner in der Musik so allgegenwärtig, dass man
sie kaum noch wahrnimmt. Konzertbesucher hatten sich allmählich an den
fahlen Schein der Rechner gewöhnt. Anfang des Jahrtausends gab es einen
regelrechten Backlash und Laptops machten wieder Platz für analoge
Instrumente und Effektgeräte.
Auch Fenn OBerg haben sich für ihr neues Album von der reinen digitalen
Lehre verabschiedet und analoge wie akustische Instrumente hinzugenommen.
Die Aufnahmen entstanden in einem abgeschiedenen Studio in Tokio, wo
ORourke heute lebt. "Es ergab sich die Möglichkeit, dass alle drei
Mitglieder zur gleichen Zeit am selben Ort sein konnten", so Rehberg. "Wir
hatten schon immer ein Studioalbum aufnehmen wollen, aber es war terminlich
nicht möglich gewesen." Vergangenen Oktober fand man endlich für eine Woche
zusammen, um neues Material einzuspielen.
Dafür darf man den dreien dankbar sein. Statt der ausschweifenden
Improvisationen mit seltsamen Samples - auch John-Barry-Soundtracks wurden
einst im Rechner verhackstückt - gibt es auf "In Stereo" streng
konzentrierte Arbeit am Klang zu hören. Ohne Augenzwinkern werden in aller
Gemütsruhe grandios dichte Atmosphären in die Luft gezaubert. Kaum
greifbare Klänge ziehen majestätische Bögen von entwaffnender, ja doch,
Erhabenheit. Dem Zufall wurde nur begrenzter Raum gelassen.
"Einige Sequenzen sind beim Improvisieren entstanden, doch das war nur eine
von vielen Techniken", schränkt Rehberg ein. "Die Arbeit im Studio
funktioniert kaum anders als bei einer Rockband." Als Klangquellen dienten
unter anderem Gitarre, Bass, Klavier und Schlagzeug, für die elektronischen
Klänge wurde sowohl analoges als auch digitales Gerät verwendet. Einst
Speerspitze der mobilen Computermusik, hat der Fetisch digitale
Klangerzeugung für Fenn OBerg anno 2010 weitgehend ausgedient. Ein paar
ihrer Rechner hatten sie dennoch im Studio dabei.
Seltsamerweise klingt ihr neues Album über weite Strecken wie reinste
Computermusik, den nicht-binären Ursprung der Töne erahnt man nur
gelegentlich. Mitunter entwickeln sich die schlicht "Parts" betitelten
Tracks mit einer akademischen Strenge, die angesichts ihres schrägen Humors
etwas verwundern mag. "Die schrullige Seite unserer Musik, wie sie auf den
ersten beiden Alben zu hören ist, hat eher mit den Umständen zu tun, unter
denen sie entstanden. Fenn OBerg wollten nie eine ,lustige' Band sein, es
kam einfach dazu."
Der Titel "In Stereo" erscheint angesichts der Avanciertheit ihrer Musik
wie Retro-Ironie. Stereo steht schließlich für eine Studiotechnik, die dem
Laptop-Zeitalter um einige Jahrzehnte vorausging. Ein Abgesang auf den
Computer soll der Titel aber keinesfalls sein, er ist völlig ernst gemeint,
wie Rehberg klarstellt: "Die meisten Soundfiles, die wir für unsere ersten
beiden Veröffentlichungen benutzt haben, waren tatsächlich Mono-Files.
Diesmal war auch Stereo möglich." Ob damit ein neues Zeitalter der
Laptop-Musik eingeläutet wird, sei dahingestellt.
Mit ihrem ersten properen Studioalbum empfehlen sich Fenn OBerg jedenfalls
wieder als Pioniere des neuen Klangs, ganz gleich ob digital oder analog.
Und wer ihre Frühphase kennen lernen möchte, kann mit den nun
wiederveröffentlichten ersten beiden Alben Vorlieb nehmen - auch wenn
Rehberg findet, dass sie im Vergleich zum Studioalbum "unter grauenhaften
Bedingungen" aufgenommen wurden. Zu Klassikern wurden sie dennoch.
Fenn OBerg: "In Stereo" (Editions Mego)
5 Mar 2010
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
Tim Caspar Boehme
## TAGS
Abenteuerliche Musik
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachruf auf Musiker Peter Rehberg: Sperrig und auch meditativ
Peter Rehberg war Musiker und Chef von Editions Mego, einem der
einflussreichsten Labels für Elektromusik. Nun ist er mit 53 Jahren
gestorben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.