# taz.de -- Statistik über rechtsextreme Angriffe: Neonazis schlagen härter zu | |
> Im vergangenen Jahr gab es weniger rechtsextrem motivierte Angriffe, | |
> berichtet die Opferberatung ReachOut. Kommt es aber zum Konflikt, endet | |
> der meist böse. | |
Bild: 2009 gab es weniger rechtsextreme Gewalt als 2008 | |
Im vergangenen Jahr gab es in Berlin deutlich weniger rechtsextreme Gewalt | |
als 2008, meldete am Dienstag ReachOut, die Beratungsstelle für Opfer | |
rechter Gewalt. Die Zahl rassistisch, antisemitisch und homophob | |
motivierter Angriffe sei um fast ein Drittel zurückgegangen, statt 148 habe | |
es nur noch 102 Vorfälle gegeben. "Das ist zunächst erfreulich. Bei näherer | |
Betrachtung aber kein Anlass zur Entwarnung", sagte ReachOut-Sprecherin | |
Sabine Seyb. Auch 2007 habe es einen leichten Rückgang gegeben; in den | |
Folgejahren seien die Zahlen wieder gestiegen. | |
Leicht gesunken sei die Zahl rassistisch motivierter Angriffe. In 53 der | |
102 Fälle wurden Menschen aus rassistischen Motiven angegriffen, berichtete | |
Seyb. Rassismus ist damit immer noch das häufigste Motiv für gewaltsame | |
Übergriffe. | |
Die Sprecherin geht jedoch davon aus, dass sich in den nächsten Monaten die | |
Zahlen noch erhöhen würden: "Aus Erfahrung erwarten wir umfangreiche | |
Nachmeldungen für das letzte Jahr." Außerdem wies sie auf eine große | |
Dunkelziffer hin: Zahlreiche Gewalttaten würden gar nicht gemeldet. Zudem | |
fehlen vor allem in Westbezirken Einrichtungen, die die Angriffe | |
protokollierten. "Nur aus Neukölln und Reinickendorf gibt es zuverlässige | |
Zahlen", betonte Seyb. | |
Während ReachOut eine berlinweite Statistik führt, arbeiten die "Register" | |
auf Bezirksebene. Auch diese Initiativen meldeten weniger Gewalt. Wie in | |
den Vorjahren hatte Friedrichshain mit 17 Angriffen die höchste Rate, zum | |
ersten Mal war mit Wedding ein westlicher Stadtteil auf Platz zwei. Zwar | |
seien die Angriffe etwas seltener geworden, "das Ausmaß der Gewalt aber ist | |
mittlerweile besorgniserregend", erklärte Heike Weingarten vom Register | |
Friedrichshain. "Immer mehr Opfer finden sich im Krankenhaus wieder." | |
Gerade in Friedrichshain würden oft junge Menschen angegriffen, die von den | |
Tätern der linken Szene zugeordnet würden. | |
Auch berlinweit ist die Gewalt gegen linksalternative Jugendliche und | |
Erwachsene stark zurückgegangen. Während es 2008 insgesamt noch 60 Angriffe | |
gegeben hatte, waren es 2009 noch 27. Als Gründe nannten die Vertreter der | |
Register gute Präventionsarbeit der Bezirke und Zivilcourage der Anwohner. | |
Auch hielten sich viele Rechtsextreme derzeit auffällig zurück. | |
Die Register der Bezirke erfassen neben physischer Gewalt auch Vorfälle, | |
die keinen Straftatbestand erfüllen: etwa das Plakatieren von NPD-Postern | |
und Verteilen von Aufklebern. Hier meldeten alle Bezirke einen starken | |
Anstieg. Grund sei die Bundestagswahl im September gewesen, erklärte Fei | |
Kaldrack vom Register Pankow. Auch auf der Internetseite der Heinersdorfer | |
Moschee habe es auffallend viele rassistische Kommentare gegeben. | |
Trotz teils erfreulicher Zahlen sei Zurückhaltung geboten, sagte Sebastian | |
Wehrhan von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Als warnendes | |
Signal nannte er die Drohbriefe, die in den letzten Wochen an Teilnehmer | |
der Neonazi-Blockade am 13. Februar in Dresden verschickt worden waren. | |
Deren Botschaft war: "Dein Leben interessiert uns brennend." "Die Briefe | |
zeigen, dass sich die Nazis empfindlich getroffen fühlen", so Wehrhan. | |
Gleichzeitig deute die Botschaft auf eine Radikalisierung hin und mahne zu | |
Vorsicht. | |
9 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Kempkens | |
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