# taz.de -- Politik in Indien: Frauenquote nimmt Hürde | |
> Nach jahrzehntelangem Kampf ist eine 33-prozentige Frauenquote für die | |
> Mandate des Parlaments in der größten Demokratie der Welt jetzt in | |
> greifbare Nähe gerückt. | |
Bild: Festgenommene Anhängerinnen der oppositionellen BJP protestieren gegen d… | |
DELHI taz | Bei Indiens nächsten Parlamentswahlen wird aller Voraussicht | |
nach erstmals eine Frauenquote für 33 Prozent der Mandate gelten. Auch in | |
sämtlichen Regionalparlamenten soll sie eingeführt werden. Das verfügt eine | |
Verfassungsänderung, die am Dienstag im Oberhaus, der zweiten | |
Parlamentskammer, von einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurde. Die | |
drei größten Parteien im Parlament - die regierende Kongresspartei, die | |
oppositionelle hindunationalististische Bharatiya-Janata-Partei (BJP) sowie | |
die oppositionelle Kommunistische Partei (CPI, marxistisch) unterstützen | |
alle die Frauenquote. Es gab nur eine Gegenstimme, da die Gegner der Quote | |
aus Protest den Saal verlassen hatten. | |
Bevor die Verfassungsänderung in Kraft tritt, muss sie aber noch mit | |
Zweidrittelmehrheit das Unterhaus passieren und in insgesamt 15 von 28 | |
Regionalparlamenten der Bundesstaaten eine einfache Mehrheit finden. Die | |
Regierung ließ zuerst im Oberhaus abstimmen, weil hier mit der geringsten | |
Mehrheit für die Quote gerechnet worden war. | |
Im Unterhaus stehen auch noch weitere Diskussionen bevor: So entzog in | |
letzter Sekunde am Dienstag der bengalische Trinamool-Kongress, der Teil | |
der von der Kongresspartei geführten Regierungskoalition ist, der Vorlage | |
ihre Unterstützung. Die Regionalpartei fordert eine Sonderquote für | |
muslimische Frauen innerhalb der Frauenquote. | |
Dennoch dürfte der jetzt begonnene Abstimmungsprozess nach Einschätzung der | |
meisten politischen Beobachter zur Durchsetzung der Quote führen. "Wir | |
haben die große Ehre, eine Revolution einzuläuten", sagte der | |
BJP-Fraktionsvorsitzende Arun Jaitley im Oberhaus. "Millionen von Frauen | |
werden für die politischen Parteien aktiv werden, ein breite, horizontale | |
Frauenbewegung wird das ganze Land erfassen." Die Fraktionsvorsitzende der | |
Kongresspartei im Oberhaus, Jayanti Natarajan, gratulierte "im Namen aller | |
Frauen" ihrer Parteichefin Sonia Gandhi, welche die Quote auch gegen | |
parteiinterne Gegner durchsetzte. "Frauen bekommen endlich Gerechtigkeit | |
und einen neuen Platz an der Macht", so Natarajan. | |
Damit geht ein jahrzehntelanger Kampf der indischen Frauenbewegung einem | |
erfolgreichen Ende entgegen. Schon in den 50er-Jahren setzten sich | |
ehemalige Anhängerinnen der indischen Unabhängigkeitsbewegung unter Mahatma | |
Gandhi für eine Frauenquote ein. Doch eingeführt wurde eine Quote zunächst | |
nur für Ureinwohner und die untersten Kasten. Gehört wurden die Frauen erst | |
in den 80er-Jahren vom damaligen Premierminister Rajiv Gandhi, dem Enkel | |
des Republikgründers Jawaharlal Nehru. "Die heutige Abstimmung ist eine | |
logische Fortführung des Traums von Rajiv Gandhi", sagte Natarajan. | |
Auf Initiative von Rajiv Gandhi, der 1991 einem Attentat zum Opfer fiel und | |
dessen Witwe Sonia heute die Kongresspartei führt, wurde in den 90er-Jahren | |
zunächst eine Frauenquote von 30 bis 50 Prozent für die Dorfparlamente | |
eingeführt. 1,2 Millionen Inderinnen halten daher heute ein lokales Mandat. | |
Ihr über die Jahre hinweg zunehmend wirkungsvolles Engagement war in den | |
letzten Jahren eines der wichtigsten Argumente der Befürworter einer | |
Frauenquote auch auf nationaler und regionaler Ebene. | |
Leicht hatten es die Befürworter trotzdem nie. Schon 1996 wurde die jetzt | |
debattierte Verfassungsänderung das erste Mal im indischen Parlament | |
eingebracht. Doch mehrere Male scheiterte sie am Widerstand der kleinen | |
Kastenparteien, die kaum weibliche Politiker in ihren Reihen zählen und | |
wenig Chancen haben, für Frauen reservierte Mandate zu gewinnen. Allerdings | |
schwindet der Einfluss dieser Parteien seit den letzten Parlamentswahlen - | |
weshalb ihr Parlamentsboykott in den letzten Tagen in der Öffentlichkeit | |
nur noch Empörung hervorrief. Sieben protestierende Mitglieder der | |
Kastenparteien wurden aus dem Parlamentssaal entfernt. Unklar blieb der | |
Termin der Abstimmung im Unterhaus. | |
10 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
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