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# taz.de -- Oswald Metzger: Die Gier nach Anerkennung
> Der Stehaufmann der deutschen Politik, Oswald Metzger, möchte am Sonntag
> Oberbürgermeister in Ravensburg werden. Zu den Favoriten gehört auch die
> Grüne Brigitte Lösch.
Bild: Eigentlich, sagt Metzger, wollte er immer Bürgermeister werden.
"Auf dem menschlichen Gen sitzt die Gier nach Anerkennung." Pause. Warten,
wirken lassen. Oswald Metzger blickt auf sein Publikum im Wirtshaussaal.
Auf Weizenbier, Wurstsalat und seine Wähler. Die potenziellen. Mehr als
hundert sind gekommen, geladen hat die Wählergemeinschaft "Bürger für
Ravensburg", deren Vertreter auch im Stadtrat sitzen. Eine farbenreiche
Mischung aus Exgrünen, Alt-ÖDPlern und renitenten Parteifernen. Deren
Aufmüpfigkeit ist beispielhaft für die 50.000-Einwohner-Stadt in
Oberschwaben, in der die Bürger stolz sind auf ihren Bürgersinn. Hier will
Oswald Metzger am Sonntag Oberbürgermeister werden.
Die Gier nach Anerkennung also - eigentlich ging es bei der
Podiumsdiskussion der sieben OB-Kandidaten gerade um die Frage: Wohin mit
den Jugendlichen, abends in der Stadt, in ein Jugendhaus vielleicht? Aber
Metzger macht gern aus allem das große Ganze, verweist auf eben jene
Anerkennungssehnsucht, auf Bildungsferne, Alkoholismus - und Eltern, die
sich zu wenig um ihre Kinder kümmern. "Da kommt immer der Ruf nach der
Stadt, der Polizei, den Lehrern. Aber wir sind es doch selber, Herrgott!",
ruft der 55-Jährige und der Saal applaudiert.
Die Haushaltsanierung, die Kleinkinderbetreuung, die Bürgernähe und die
Mobilfunkstrahlen - Metzger hat zu allem Fakten, Zahlen, Beispiele, meist
noch ein Problem obendrauf. Er spricht druckreif, gestikuliert, immer mehr
auf dem Sprung als auf dem Stuhl. Er ist der Mann aus dem Fernsehen. Der
Politprofi, der Publizist, oder war es Populist? Er selbst sagt: "Ich habe
einen Hang zur Selbstdarstellung."
Wegen Willy Brandt ist Metzger erst in die SPD, wegen der
Sicherheitsgesetze dann wieder raus, wegen Tschernobyl zu den Grünen und
mehr als 20 Jahre später der Sozialpolitik wegen wieder raus - und zur CDU.
Zweimal hat er seitdem versucht, für die CDU in den Bundestag zu kommen,
beide Male scheiterte er knapp, und in seiner Heimatstadt Bad Schussenried
hat er es als Bürgermeisterkandidat probiert. Nun versucht er es dort, wo
er Abitur gemacht hat - und seine Chancen stehen gut. Hört man sich um,
dann sagen die meisten: "Es wird auf den Metzger und den Rapp rauslaufen."
Der Rapp, Daniel, 37, ist Metzgers stärkster Konkurrent. Mit 94 Prozent der
Stimmen gewann er 2006 die Bürgermeisterwahl in Sigmaringen, unweit von
Ravensburg. Jetzt will er es in der Stadt versuchen, in der seine Familie
verwurzelt ist - und bei einem Wahlsieg sein Amt in Sigmaringen in der
Halbzeit aufgeben. Seine Erfolge dort - schuldenfrei, keine Neuverschuldung
- sind sein schlagendstes Argument. "Die Stadt braucht einen Bürgermeister,
der sein Amt gelernt hat", sagt Rapp. Eher chancenlos dürfte Alexander "Bei
den Damen heiße ich Adonis" Miele sein, 60, Diplomingenieur mit dem flotten
Wunsch: Tanzkurs für alle. Ebenso wie Andreas Haferkamp, 44,
Physiotherapeut: "Ich bin zumindest eine Alternative." Weitere Alternativen
sind Bernd-Ulrich Szafrynski, 55, Betriebswirt, Wahlslogan: "Hol dir deine
Stadt zurück", und Klaus Guggenberger, 58, Verwaltungsfachmann, "bin
einfacher Bürger, kein Politprofi, kein Promi".
Zu den Favoriten gehört neben Metzger und Rapp Brigitte Lösch, 47,
sozialpolitische Sprecherin der Grünen im baden-württembergischen Landtag.
Sachpolitikerin und Exotin, weil Frau, sagt sie selbst und betont ihre
Kompetenzen bei der Familienpolitik und ihr Plus, einen frischen Blick von
außen zu haben. Ihr werfen viele vor, rhetorisch zu enttäuschen. "Ich mache
die Erfahrung, dass es nicht um Inhalte, sondern um
Persönlichkeitsgeschichten geht", sagt Lösch. Die Wahlberichterstattung sei
sehr subjektiv. "Und Metzger ist ein guter Selbstdarsteller. Er legt sich
inhaltlich nicht fest, will in allen Lagern fischen".
Und er hat es leichter, die Netze auszuwerfen, als Lösch, die als Einzige
dezidiert für eine Partei antritt und wohl bei Grünenwählern und jungen
Familien punkten wird. Metzger, Guggenberger und Rapp sind zwar
CDU-Mitglieder, ihre Partei unterstützt offiziell aber keinen der
Kandidaten, inoffiziell favorisieren die Parteioberen Rapp.
Sein Ruf ist Metzgers größtes Handicap. Im grün-alternativen Milieu, wo
vielen seine Wechselhaftigkeit suspekt ist. "Wir wollen keinen Metzger
hier", heißt es am Stammtisch in der "Räuberhöhle", Ravensburgs
alternativster Kneipe. "Der Metzger wechselt die Partei wie die
Unterhosen", sagen sie dort beim Samstagmittagsbier. "Wir sind eher links
orientiert - und der ist nicht glaubwürdig." Dann doch lieber der Rapp.
"Eben wollte er noch in den Bundestag und jetzt ins Rathaus - das ist viel
vorbelastetes Kapital", sagt die Verkäuferin im Naturwarenladen "Kräutle".
Eigentlich, sagt Metzger, wollte er immer Bürgermeister werden. "Die
Bundespolitik war nicht so eine Herzblutsache. Ich wollte immer was
bewegen, mich durchsetzen und nicht nur reden." In der Bundespolitik habe
er über seine Medienpräsenz versucht, Einfluss zu nehmen. Jetzt will er es
direkt versuchen und den CDU-OB Hermann Vogler ablösen, der nach 23 Jahren
im Amt in Rente geht.
Er hat das Gefühl, man braucht ihn da. Seine Frau hat ein Modegeschäft in
Ravensburg, und Kunden von ihr gratulierten Metzger, bevor er überhaupt an
eine Kandidatur dachte: "Kommen Sie! Dann haben wir wenigstens eine Wahl!"
Es war nur ein Gerücht, aber Metzger begann nachzudenken. Erst drei Wochen
vor der Wahl gab er seine Kandidatur bekannt.
Seitdem ist Wahlkampf. Metzger ist beim Seniorentreff, der Freiwilligen
Feuerwehr und den Bürgern von Eschach-Obereschach, bei zig
Kandidatenvorstellungen und jeden Samstag auf dem Wochenmarkt in der
Innenstadt. Punkt acht steht er an diesem Samstag dort, bei scheußlichem
Wetter, Schneesturm. Mit langem Mantel, Schiebermütze und seinen Prospekten
unterm Arm. "Unabhängig, kompetent, ehrlich" steht außen drauf, drinnen
wirbt Metzger für die Südbahn-Elektrifizierung und eine attraktive
Familienstadt. Da hätte auch keiner der anderen Kandidaten was dagegen. Es
geht kaum um Inhalte, noch weniger um Parteien. Es ist ein
Personenwahlkampf. Ein Jahresgehalt steckt der Publizist Metzger da rein,
diverse Vorträge hat er abgesagt. In Ravensburg witzeln sie schon über den
Marketingfaktor Metzger, der die Stadt überregional in die Medien bringt.
"Herr Metzger, ich habe große Hoffnung, dass wir das schaffen", sagt der
62-jährige Schulleiter am Dinnette-Stand, wo Metzger sich die schwäbische
Pizza mit Rauchfleisch und Zwiebeln gönnt. Zum Aufwärmen. "Er ist klar im
Denken, ein Wirtschaftsfachmann, und er hat Standhaftigkeit", sagt der
Pädagoge. Erfahrung ist auch für den selbständigen Unternehmer mit dem
Kaffeegeschäft in der Innenstadt Metzgers großes Plus - und der
Parteienwechsel bringe doch noch mehr Wissen und Einblicke. "Es ist doch
legitim, sich umzuorientieren. Und da haben andere schon deutlich öfter die
Stelle gewechselt", sagt der 53-Jährige. Und dann erwähnt er noch den
Trumpf, den Metzger selbst gerne ausspielt: "Man muss ihm hoch anrechnen,
dass er sein Landtagsmandat zurückgegeben und auf die Kohle verzichtet
hat." 2008 trat Metzger bei den Grünen aus, legte sein Mandat nieder und
verzichtete damit auf Diäten von 4.800 Euro im Monat plus Rentenansprüchen.
Für ihn ist es der Beweis, dass er seine Überzeugung über alles stellt.
Beim Mittelstand und den Konservativen 60 plus kommt Metzger besonders an.
"In meinem Bekanntenkreis sagen viele: Ich mag den zwar nicht, aber er ist
der Beste", sagt eine 62-Jährige im bodenlangen Pelz. Metzger hat die
Beziehungen, er weiß, wie es läuft, er ist kein Duckmäuser, zählt sie auf.
"Wenn es der falsche Weg - also die falsche Partei - ist, muss man seine
Weiche halt anders stellen", sagt sie. Und überhaupt müsse man den Rapp mal
fragen, warum der nach vier Jahren Sigmaringen nun plötzlich wechseln will.
Der sei doch der Wendehals.
Je länger der Wahlkampf dauert, desto näher rückt Metzger an Rapp heran.
Das erzählen ihm die Leute auf dem Markt, das erzählt er den Leuten auf dem
Markt. "Ich hab Boden gutgemacht. Die Kandidatenvorstellung der Stadt in
der Oberschwabenhalle mit 2.400 Leuten und die im Konzerthaus vor gut 700,
da sagen viele, dass ich da vorn war." Und: "Bei Volkswahlen habe ich immer
besser abgeschnitten als bei Parteiwahlen", sagt Metzger. Das Volk möge
Ecken und Kanten. "Ich will gewinnen", sagt Metzger. "Ich habe eine echte
Chance, das spüre ich."
Für Stunden ist er der einzige Kandidat auf dem Markt, gegen elf kommen
Guggenberger und Lösch dazu. "Respekt", rufen die Leute Metzger zu. Dafür,
dass er sich stundenlang in den Schneesturm stellt. "Respekt, wie sie sich
eingearbeitet haben", sagt der 41-Jährige Industrieeinkäufer, der Metzger
bei der Freiwilligen Feuerwehr erlebt hat. Metzgers Wissen zu städtischen
Themen habe ihn beeindruckt. Frierend tritt er von einem Fuß auf den
anderen, will eigentlich weg und doch noch was loswerden: "Ich hatte meine
Wahl schon getroffen, aber Sie haben mich ins Zweifeln gebracht."
12 Mar 2010
## AUTOREN
Daniela Zinser
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