# taz.de -- Gender und Elektro-Musik: "Es gibt halt keine Frauen" | |
> Im Berliner Pfefferberg lief am Wochenende Teil eins von "Wie es ihr | |
> gefällt". Das Festival vereint elektronische Musikpionierinnen mit | |
> Popkünstlerinnen. | |
Bild: Mädchenzimmer: "Mischform aus Band und Ensemble" | |
Seit 1991 gibt es das Festival [1]["Wie es ihr gefällt"], dieses Jahr ist | |
mit dem Motto "Unter Strom" der elektronischen Musik gewidmet. Ein | |
Musikerinnen-Festival gilt heute als antiquiert, aber noch antiquierter ist | |
nun mal das Geschlechterverhältnis in der Musik. Hatte doch gerade | |
elektronische Tanzmusik versprochen, tradierte Geschlechterrollen | |
aufzubrechen, zeigt sich inzwischen sogar im Popmainstream ein | |
ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis als bei DJs und | |
Elektronik-Produzenten. | |
Spricht man Clubbetreiber auf ihr monogeschlechtliches Künstlerangebot an, | |
kommt gern das Argument "Es gibt halt keine Frauen". Diesem Scheinargument | |
tritt "Wie es ihr gefällt" seit vielen Jahren entgegen und zeigt, dass es | |
sehr viele Frauen in den unterschiedlichsten musikalischen Genres gibt, man | |
muss nur die Augen aufmachen und auch mal Künstlerinnen außerhalb | |
männlicher Zitierkartelle und Jungs-Netzwerke einladen. | |
Auch das Vorurteil, dass musikalisches Nerdtum unter Frauen kaum | |
anzutreffen sei, wurde am Wochenende ad absurdum geführt. Der erste Teil | |
des Festivals hat sich nämlich genau diesen weiblichen Nerds, den | |
Pionierinnen, die in den Anfangstagen elektronischer Musik in Labors von | |
Universitäten oder Radiostationen Europas und der USA elektronische | |
Klangwelten erforschten, gewidmet. | |
Den Samstag eröffnete die in Berlin lebende Schweizer Komponistin Laura | |
Gallati am Moog-Synthesizer mit einer Aufführung einer der frühesten | |
Partituren elektronischer Musik. Johanna Magdalena Beyer, 1888 in Leipzig | |
geboren, in die USA ausgewandert, hatte mit "Music of the Spheres (1938) | |
ein Stück für nicht näher bezeichnete "elektrische Instrumente plus | |
Löwengebrüll und Triangel" geschrieben. Die Komponistin, die auch mit John | |
Cage auftrat, schrieb für ein Instrumentarium, das sich 1938 erst zu | |
entwickeln begann. | |
Mit der Aufführung ihrer Tonbandkonzerte wurde die 2003 verstorbene | |
Komponistin und Pionierin der britischen elektronischen Musik, Daphne Oram, | |
gewürdigt. Sie arbeitete seit den 60er-Jahren im Musikstudio der BBC mit | |
modernen Tape-Aufnahmetechniken und entwickelte das elektronische | |
Aufzeichnungsinstrument "Oramics", das grafische Symbole in elektronische | |
Sounds transformiert. Die dazu angekündigte Lichtinstallation von Ingrid | |
Kerma erwies sich als schlichtes Video mit Standfotos von eingefärbten | |
Partituren und Fotografien der Komponistin - ein Moment, in dem man sich | |
wünschte, die hochkarätige Besetzung des Festivals in einer weniger kargen | |
Umsetzung erleben zu können. | |
Auf der Idee der "Third Ear Music", dass die Ohren wie Instrumente agieren, | |
die Klänge nicht nur empfangen, sondern auch abstrahlen, beruht die | |
Komposition der kürzlich verstorbenen US-Amerikanerin Maryanne Amacher. Das | |
Tonbandkonzert aus Rauschen, Gegurgel, Sprachfetzen und Radiowellen, | |
Gezische und Tape-Geräuschen wurde von einer recht statischen | |
Tanzperformance untermalt, die die Zuschauer eher ratlos zurückließ. | |
Höhepunkt des ersten Festivaltages war der Auftritt der Komponistin, | |
Improvisationskünstlerin und Akkordeonistin Pauline Oliveros. 1932 geboren, | |
hatte sie Anfang der 60er-Jahre das "San Francisco Tape Music Center", ein | |
einflussreiches Forum elektronischer Musik, mit gegründet. Später wandte | |
sie sich mehr der Selbsterfahrung durch Klänge zu und entwickelte eine von | |
Spiritualismus und Feminismus beeinflusste musikalische Ästhetik. Die | |
Uraufführung von "Digidreams 2010", einem Stück für digitales Akkordeon, | |
hatte bei aller Virtuosität neben furiosen durchaus zähe Momente und | |
forderte auch beim Hören meditative Selbsterfahrung. | |
Am Sonntag kam dann bei den jüngeren Klangtüftlerinnen wie Pamela Z aus San | |
Francisco, die mit Stimme, Sampling und Livebearbeitung elektronischer | |
Klänge experimentiert, etwas mehr Leben auf die Bühne, und nach dem | |
spröden, sperrigen Charme der Neuen Musik wird am nächsten Wochenende die | |
Brücke von den Pionierinnen zu den digitalen Ladys der Jetztzeit im Maria | |
am Ufer geschlagen. | |
16 Mar 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.wieesihrgefaellt.de/ | |
## AUTOREN | |
Christiane Rösinger | |
## TAGS | |
elektronische Musik | |
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