# taz.de -- Reform der Krankenversicherung: PKV läuft gegen Kopfpauschale Sturm | |
> Private Krankenversicherer (PKV) kämpfen gegen die von | |
> Gesundheitsminister Rösler geplante Kopfpauschale. Sie fürchten um | |
> Kunden. | |
Bild: Was für die private Krankenversicherung zu zahlen ist, hängt vom Gesund… | |
Wenn ab heute die Regierungskommission zur Gesundheitsreform tagt, ist das | |
auch für die privaten Krankenversicherungen (PKV) von hohem Interesse. Zwar | |
geht es beim Treffen um die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen. Doch | |
was deren Versicherte künftig für ihren Schutz im Krankheitsfall anlegen | |
müssen, wirkt sich auch auf das Geschäftsmodell der privaten Versicherer | |
aus. In der PKV können sich derzeit alle Beamten und Selbstständigen | |
versichern. Angestellte sind in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) | |
pflichtversichert. Sie können nur in eine private Versicherung wechseln, | |
wenn sie genug verdienen. Seit der schwarz-roten Gesundheitsreform muss | |
dies dreimal in Folge passieren. Die Grenze liegt bei einem Jahreseinkommen | |
von 49.950 Euro. | |
Den Unternehmen der PKV ist diese Grenze ein Dorn im Auge. Denn die Branche | |
setzt auf den Zustrom der solventen Kunden aus dem anderen System. Union | |
und FDP haben zwar versprochen, die Wartefrist wieder auf ein Jahr zu | |
stutzen. Noch ist das allerdings nicht passiert. Hier fordert die PKV | |
Tempo. | |
Kritisch beäugt die Branche zugleich die Pläne, einkommensabhängige | |
Beiträge bei den gesetzlichen Kassen durch pauschale Prämien zu ersetzen. | |
Denn gerade für die gut verdienenden Lieblingskunden könnte das den Wechsel | |
in die Privatversicherung uninteressant machen. | |
Angestellte, die wechseln dürften, zahlen derzeit einen | |
Krankenkassenbeitrag von knapp 300 Euro im Monat. Erhebt ihre Kasse einen | |
Zusatzbeitrag, werden maximal weitere 37,50 Euro fällig. Mit den Zahlungen | |
sind nicht berufstätige Ehepartner und die Kinder mitversichert. Zum | |
Vergleich: Die private Krankenversicherung Debeka erhebt nach eigenen | |
Angaben von Wechslern aus der GKV durchschnittliche Monatsprämien zwischen | |
200 und 250 Euro. Was zu zahlen ist, hängt vom Gesundheitsrisiko der Kunden | |
ab. Die Versicherung von Ehepartnern und Kindern muss extra bezahlt werden. | |
Pauschalen in der gesetzlichen Krankenversicherung aber würden gerade für | |
die gut verdienenden Mitglieder die Kosten senken. Je stärker sie im | |
Verhältnis zu den einkommensabhängigen Beiträgen gewichtet werden, desto | |
weniger Kunden dürften sich für die PKV interessieren, meint der Fuldaer | |
Gesundheitsökonom Stefan Greß. Gut möglich, dass das die Koalition gerade | |
vor große Rechenaufgaben stellt. Sie hat den Einstieg in die Pauschale | |
vereinbart. Gleichzeitig ist die Koalition für die private | |
Krankenversicherung. | |
Der jetzt kolportierte Plan einer Minipauschale von 29 Euro im Monat würde | |
am Status quo für die PKV nicht viel ändern, meint Greß. Die kritische | |
Grenze liege bei 200 Euro monatlich für die gesetzliche Versicherung der | |
gesamten Familie - oder darunter. So etwas ist in der Vergangenheit | |
durchaus diskutiert worden. | |
Auch bei der Debeka in Koblenz wird diese Zahl genannt. Für das Unternehmen | |
ist die private Krankenversicherung das Kerngeschäft, das es zu verteidigen | |
gilt. "Es kann nicht sein, dass eine Prämie so heruntersubventioniert wird, | |
dass die PKV keinen Zuwachs mehr bekommt", sagt Debeka-Vorstandsmitglied | |
Roland Weber. Die enormen Steuerzuschüsse, die die gesetzlichen Kassen bei | |
einer so niedrigen Pauschale nötig hätten, müssten selbst wenig verdienende | |
Privatversicherte mittragen, sagt er. | |
Derzeit deutet alles darauf hin, dass die Union und FDP keine riesigen | |
Umwälzungen bei der Finanzierung der gesetzlichen Kassen mehr planen. Hat | |
womöglich der Streit um die Privatversicherer dazu beigetragen? Die CSU | |
nämlich, geräuschvollster Gegner der "ungerechten" Kopfpauschale, steht | |
auch in dem Ruf, schärfste Kämpferin für die Interessen der PKV zu sein. | |
Forscher Greß nimmt den Kampf der CSU um ihr soziales Profil ernst. Er weiß | |
aber auch: "Viele Zentralen privater Krankenversicherer sitzen in Bayern." | |
Die CSU habe sich immer vehement gegen Schritte gewehrt, die deren Geschäft | |
beschneiden. | |
Branchengröße mit Sitz in München ist die Private Krankenversicherungs-AG | |
des Allianzkonzerns. Dass diesem an politischem Einfluss gelegen ist, zeigt | |
ein Blick in die Parteispendenübersicht. Die Gaben sind breit gestreut. Im | |
vorigen Sommer flossen 60.001 Euro an die CSU, 60.001 Euro an die CDU, | |
60.001 Euro an die SPD, 60.001 Euro an die Grünen und 50.001 Euro an die | |
FDP. 2008 und 2007 war es genauso. Die Linken gingen leer aus. | |
17 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Katja Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Armut | |
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