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# taz.de -- Transsexuelle dürfen Dokumente ändern: In Österreich darf Frau a…
> Transsexuelle können sich in Österrreich jetzt auch ohne operative
> Eingriffe offiziell Frau nennen: Das Gericht gab der Beschwerde einer
> Wienerin nach.
Bild: Eine OP ist laut Gericht "keine notwendige Voraussetzung für eine deutli…
Die Probleme, mit denen sich Transsexuelle in Österreich herumschlagen
müssen, sind weniger spektakulär als im Film "Der Knochenmann" mit Josef
Hader: Michael P. will sich schlicht auf Michaela umbenennen. Und das,
anders als der Wunsch des Transsexuellen im Knochenmann, ohne sich einer
Operation zu unterziehen.
Doch manchen Behörden muss man erst mit einer höchstgerichtlichen
Entscheidung kommen, bevor sie funktionieren. Die etwa 50jährige Wienerin,
die nach einer Hormonbehandlung Brüste entwickelt hat und sich die
männliche Behaarung entfernen ließ, wird dank eines Urteils des
österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) demnächst auch in den
Dokumenten das sein können, was sie für ihren Freundeskreis längst ist:
eine Frau.
Das hat der VwGH jetzt entschieden. Die Beschwerdeführerin, die seit vielen
Jahren psychisch und sozial als Frau lebt, war mit ihrem Begehren zweimal
beim Innenministerium abgeblitzt. Ihr Antrag auf Änderung des Geschlechts
im Personenstandsregister und Namensänderung war schon im Februar 2009
zurückgewiesen worden. Die Begründung: erst müsse sie die männlichen
Geschlechtsorgane entfernen lassen.
Die für das Alltagsleben wichtigen Dokumente wie Reisepass oder
Geburtsurkunde offenbaren die Transsexualität von Michaela und zwingen sie
regelmäßig zum oft erniedrigenden Outing. Sie trachtet daher
Behördenkontakte zu meiden. Sichtet sie Polizisten, wechselt sie instinktiv
die Strassenseite, um nicht in eine Polizeikontrolle und die damit
verbundenen demütigenden Situationen zu geraten. Sie fühle sich wie eine
illegale Ausländerin im eigenen Land, so das Rechtskomitee LAMBDA (RKL),
Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie
transidente Frauen und Männer.
Die männlichen Geschlechtsorgane will sie nicht entfernen lassen, weil sie
fürchtet, dass der damit verbundene längere Krankenstand ihren Job in
leitender Funktion in der Privatwirtschaft gefährden würde. LAMBDA: „Der
Verlust des Arbeitsplatzes würde sie der Gefahr der sozialen Desintegration
und Verelendung aussetzen“.
Der negative Bescheid wurde schon letztes Jahr vom VwGH aufgehoben. Das
Innenministerium blieb aber stur. Ein Gesetz, das einen solchen Fall regeln
würde, gibt es in Österreich nicht. Der Verwaltungsgerichtshof geht aber im
Hinblick auf die österreichische Rechtslage davon aus, „dass ein
schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die von der belangten Behörde
geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige
Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild
des anderen Geschlechts“ sein dürfe. Diese Entscheidung wurde vor wenigen
Tagen zugestellt.
Laut Anwalt Helmut Graupner, der die Transsexuelle vertrat, habe die
Behörde nach diesem neuerlichen Rüffel signalisiert, dass sie ihre
Verweigerungshaltung aufgeben werde. Walter Grosinger von der
Rechts-Sektion des Innenministeriums kündigte im Fernsehen ein mögliches
Abgehen von der bisherigen Praxis an. Michaela wird damit nicht die einzige
sein. Gleichzeitig erstritt eine weitere Transsexuelle das Namensrecht beim
Verfassungsgerichtshof.
Graupner, Director for Europe der International Lesbian, Gay, Bisexual,
Transgender & Intersex Law Association, und spezialisiert auf Sexualität
und Menschenrechte, hat vor vier Jahren schon den Scheidungszwang für
transsexuelle Verheiratete erfolgreich bekämpft. Bis dahin waren
Geschlechtsänderungen bei aufrechter Ehe nicht erlaubt worden. „Seither
gibt es in Österreich gleichgeschlechtliche Ehen“, so Graupner zur taz:
„Früher als in Deutschland“.
Nicht erfolgreich war Michaela P. mit einer Anzeige, die sie nach der
zweiten Abfuhr wegen Amtsmissbrauchs bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft
einbrachte. Diese hat das Verfahren eingestellt, ohne Ermittlungen
einzuleiten. Ihre Begründung: den Beamten sei kein „wissentlicher“
Befugnismißbrauch nachzuweisen. Das Rechtskomitee LAMBDA, dem Anwalt
Graupner auch vorsteht, zeigt sich darüber empört: „Wir sind erschüttert
über die blitzartige Einstellung. Jetzt hoffen wir darauf, dass das Gericht
die Fortführung des Verfahrens anordnet, damit der Amtsmissbrauch nicht
straflos bleibt.“
18 Mar 2010
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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