| # taz.de -- MGMT-Konzert in Berlin: Zwei Collegekids wollen mehr | |
| > Mit Riesenteddybären, Cembalo-Sounds und Twingy-twangy-Gitarrenlicks wird | |
| > das einzige Deutschlandkonzert der US-Band im Berliner Columbiaclub | |
| > gefeiert. | |
| Bild: MGMT beim Grammy Award im Januar in Los Angeles. | |
| "Sonnenschein macht müde", sagt eine höchstens 20-Jährige zu ihrer | |
| Freundin. Im nächsten Moment schwenkt sie ihre beide ausgestreckten Arme | |
| wie Scheibenwischer im Takt von "Kids", einem der Hits vom Debütalbum der | |
| US-Band MGMT. | |
| Süßer Vogel Jugend: Als "Oracular Spectacular" 2008 aus dem Nichts | |
| erschien, waren die beiden Musiker Ben Goldwasser und Andrew VanWyngarden | |
| auch erst knapp 20. Sie hatten Kunst am Wesleyan College in Connecticut | |
| studiert und einige ihrer Performance-Ideen mit Musik unterfüttert. So geht | |
| die Sage. Andere vor ihnen kreuzten auch schon die Sixties mit den | |
| Eighties. Aber MGMT haben die besseren Keyboardhooklines: Ben Goldwasser | |
| fährt mit seinen Bubblegum-Synthies Slalom durch blinkende Lichtorgeln. Die | |
| LSD-im-Trinkwasser-Stimme VanWyngardens singt, seine Texte feiern die | |
| eigene Jugend, stecken aber auch voller Zweifel und je ne sais quoi. | |
| Sarkastisch, zukunftsangstlos, saufrech. | |
| Auf einem Albumfoto sind die beiden Musiker zu sehen, wie sie - Hommage an | |
| KLF - Geld verbrennen. Hilft nichts: Gleich vier MGMT-Songs werden | |
| Radiohymnen und Internet-Clickmonster. Auch das Album beherrscht im | |
| Popsommer 2008 die medialen Jukeboxen. Zwei verpeilte Collegekids | |
| marschieren durch alle Kanäle. Goldwasser, kurze schwarze Haare, | |
| Nutty-Professor-Brille und der nuschelnde Wuschelkopf VanWyngarden haben | |
| die Gesten und die Chuzpe, die es braucht, um beim "So zu tun, als ob" über | |
| die Ziellinie zu kommen. Sagt auch schon ihr Bandname: MGMT, das Wort | |
| Management ohne Vokale. Irgendwie steckt in diesem Konzept ein | |
| Meta-Riecher. Geschäftssinn in einer Welt, die unbezahlte Praktika und | |
| Talenteausbeutung forciert. Pop braucht mehr Panzerknacker wie MGMT. | |
| Wer nun denkt, der Berliner Columbiaclub hätte die Bühne für abgezockte | |
| Showbiz-Gymnastik bereitet, sieht sich getäuscht. MGMT mischen ihre Hits | |
| mit Songs des in Kürze erscheinenden zweiten Albums "Congratulations". Bei | |
| den Hits wie "Electric Feel" bricht überschwänglicher Jubel aus, sogar | |
| Riesenteddybären werden vor der Bühne hochgehalten. VanWnyngardens Ansagen | |
| gehen im Kreischen unter. | |
| Ein Wunder, dass auf der Bühne überhaupt Kohärenz entsteht. Die von | |
| "Oracular Spectacular" überlieferte Tanzbarkeit und ihre elektrisch | |
| aufgeladenen Emotionen haben MGMT zugunsten von löschblattdünner | |
| Sixties-Harmonik aufgelöst. "I found a whistle" heißt das Auftaktlied. Wie | |
| in dem Comic "Herr Rossi sucht das Glück" betätigt die Band diese Pfeife | |
| und geht, zum Quintett erweitert, auf Zeitreise zum viktorianischen | |
| Psychedelikpop. Alles Marktschreierische ihres Debüts machen sie damit zwar | |
| nicht vergessen, aber die Abkehr ist erst mal grundsympathisch. Goldwasser | |
| und VanWyngarden ahnen, dass sie ihren Durchmarsch nicht werden wiederholen | |
| können. | |
| Stattdessen lassen sie, im Mainstream angekommen, Cembalo-Sounds und | |
| Twingy-twangy-Gitarrenlicks hören. Widmen ihren Idolen Dan Treacy (TV | |
| Personalities) und Brian Eno Songs. Singen von okkulten Begebenheiten in | |
| alten Kathedralen und angeturnten Landpartien. Höhepunkt des Konzerts ist | |
| ein zwölfminütiges Ungetüm namens "Siberian Breaks", bei dem man um Jahre | |
| altert, so viel Wissen steckt da drin. | |
| MGMT spielen diszipliniert, manchmal zu nah am Text und zu brav für das, | |
| was sie nun vorgeben zu sein. Das Publikum ist unschlüssig, schreit nach | |
| den Hits und quittiert die Songs von "Congratulations" mit höflichem | |
| Applaus. Nach dem Konzert stürmen zwei Mädchen zum Merchandising-Stand. | |
| Beide tragen Stoffumhängetaschen mit dem Slogan "Kauf nix". | |
| 25 Mar 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Julian Weber | |
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