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# taz.de -- Homöopathie im Tierstall: Nichts drin und es hilft doch
> Zunehmend rufen Tierbesitzer zur Behandlung ihrer kranken Lieblinge nach
> einem homöopathisch ausgebildeten Veterinärmediziner.
Bild: Homöopathie hilft , um Kühe vor Euterentzündungen zu schützen.
BERLIN taz | Ende des 18. Jahrhunderts formulierte der deutsche Arzt Samuel
Hahnemann sein therapeutisches Grundprinzip: Ähnliches wird durch Ähnliches
geheilt. Wenn eine eingenommene Substanz bei einem Gesunden bestimmte
Symptome hervorrufe, so sei sie auch zur Heilung einer Krankheit geeignet,
welche dieselben Symptome erzeugt. Damit war die Homöopathie erfunden.
Mineralien sowie Stoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft werden dabei
zu Heilzwecken verdünnt, manchmal so stark, dass die Grundsubstanz nicht
mehr nachweisbar ist.
"Nichts drin - nichts dran?" heißt, mit Fragezeichen, ein jüngst
erschienenes Buch über die Homöopathie. Ihre Feinde, die diese Methode für
Quacksalberei halten, würden sofort mit Ja antworten. Die oft positive
Wirkung halten sie für einen Placebo-Effekt: Da es für den Homöopathen
dazugehöre, sich für seine Diagnosen intensiv mit der Persönlichkeit des
Kranken auseinanderzusetzen, schöpfe dieser frische Hoffnung und aktiviere
Selbstheilungskräfte.
Die Methode ist noch immer wissenschaftlich stark umstritten. Dabei hat
sich der Patientenkreis der Homöopathen seit den 70er-Jahren beträchtlich
erweitert: um Haustiere. Die Tierhomöopathie erzielt manchmal auch in
Fällen Heilerfolge, in denen traditionelle Tierärzte die Waffen strecken.
Frank Skorepa (48), bisher Bürokaufmann, erlebte mehrere solcher Beispiele.
Bei einer seiner Hündinnen entdeckte man im Alter von 14 Monaten, dass die
Hüftgelenkpfannen nur rudimentär vorhanden waren. Der Tierarzt riet zum
Einschläfern.
Doch er und seine Frau entschieden sich für eine alternativmedizinische
Operation, nach der das Tier aufrecht laufen konnte. Eine später
auftretende Arthrose behandelten sie erfolgreich homöopathisch. "Die Hündin
wurde 11 Jahre alt, sie machte mit uns stundenlange Hochgebirgswanderungen
und war hinterher weniger erschöpft als wir", erzählt Skorepa. Beflügelt
von den heimischen Heilerfolgen macht er jetzt eine Ausbildung zum
Tierheilpraktiker mit dem Ziel einer selbständigen Praxis.
Ein Tier kann schließlich nicht wissen, wozu es Tropfen schleckt. Wäre die
Placebo-Theorie also hiermit widerlegt?
"Nicht unbedingt", meint Peter Klocke, Veterinärmediziner am
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im Schweizer Kanton
Aargau. Er arbeitete homöopathisch mit Kühen in landwirtschaftlichen
Großbetrieben. "Erstens beschäftigen wir uns intensiver mit dem Patienten
und mit dem Landwirt selbst als herkömmliche Tierärzte, zweitens gehen
dabei wir und der Landwirt mit besonderen Erwartungen an das Tier heran.
Auch das Tier kann diese Zuwendung spüren."
Jüngst führte er eine Schweizer Studie im Rahmen eines EU-Projektes durch,
bei der es um Vorbeugung von Euterentzündungen bei hochschwangeren Kühen
ging. Das Resultat: Mit Homöopathika behandelte Tiere waren neunmal besser
gegen die Entzündung geschützt als nichtbehandelte.
"Tiere haben andere Organe, andere Sozialisierungsweisen und andere
Umwelten als der Mensch", warnt Klocke: "In der Homöopathie zählt der
Bericht des Probanden, bei Tieren sind wir auf Verhaltensdeutung
angewiesen. Doch wenn eine Katze ihre menschlichen Mitbewohner beißt, hat
das bei ihr als jagendem Fleischfresser einen anderen Stellenwert, als wenn
ein Mensch das täte. Eine Vorliebe für grüne Blätter bedeutet bei einer Kuh
nicht dasselbe wie beim Landwirt."
"Deshalb", so Forscher Klocke, "müssen wir beim Tier von einer klassischen
medizinischen Diagnose ausgehen. Danach kennen wir die Symptome, auf die
hin sich die Krankheit voraussichtlich entwickeln wird. Unter
Berücksichtigung von weiteren Symptomen und dem Umfeld der Kühe versuchen
wir, diesen mit homöopathischen Mitteln zu begegnen." Persönlich vermutet
der Veterinärmediziner, dass zwischen den angewendeten homöopathischen
Mitteln und der zu beobachtenden Wirksamkeit ein Zusammenhang besteht.
"Doch da ich ihn bislang nicht beschreiben kann, muss ich als
Wissenschaftler skeptisch bleiben", sagt er. Sein Resümee: "Selbst falls es
nur die Zuwendung zu den Tieren ist, die wirkt, konnten wir mit
homöopathischen Mitteln bis zu 75 Prozent der in der herkömmlichen
Landwirtschaft verbrauchten Antibiotika bei Euterentzündungen einsparen und
damit zum Verbraucherschutz beitragen."
Die Entscheidung für die Homöopathie entspringt bei Besitzern eines Hundes
oder eines Pferdes oft der Befürchtung, dass klassische Medikamente zu
viele Nebenwirkungen haben.
Die Veterinärin Barbara Rakow aus Zeil am Main unterrichtet fertige
Tierärzte, die in Weiterbildungskursen die zertifizierte "Zusatzbezeichnung
Homöopathie" erwerben. Sie selbst kam auf die Methode in den 70er-Jahren,
als ihr Sohn immer wieder an schweren Erkältungen erkrankte: "Die
verordneten Antibiotika warfen ihn platt hin oder führten zu Allergien",
erinnert sie sich, "erst mit Homöopathie konnte ich ihm helfen."
Bei Tieren will sie bei leichteren Infekten und chronischen Erkrankungen
nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. "Immer dann, wenn es um Ausheilung
geht, haben die homöopathischen Systeme ihre Vorteile", sagt sie:
"Kortison, Antibiotika und Vitamine - das kanns doch nicht gewesen sein."
Vor der Wahl einer Therapie beobachtet sie zum Beispiel erst Farbe,
Schwellung und Struktur einer Wunde und das Verhältnis zwischen Tier und
Frauchen. Wie alle Tierärzte mit Zusatzqualifikation für Homöopathie und
die meisten Tierheilpraktiker sieht sie für die homöopathischen Verfahren
ebenso Grenzen wie für die konventionellen: "Wenn das Abwehrsystem eines
Organismus völlig zusammengebrochen ist oder wenn ein Bein genagelt werden
muss, ist zunächst eine konventionelle Therapie notwendig."
"Der Wunsch der Tierbesitzer nach homöopathischen Behandlungen ist heute
größer als die Zahl der Veterinäre, die sich dementsprechend
weiterqualifizieren", meint Ausbilderin Rakow. Die Veterinärin Katja
Wollenweber, Spezialistin für Homöopathie und Tierkommunikation an einer
Berliner Privattierklinik, wünscht sich noch viel mehr homöopathische
gebildete Tierärzte, auch Tierheilpraktiker: "Damit das wertvolle
Naturheilwissen nie verloren geht."
26 Mar 2010
## AUTOREN
Barbara Kerneck
## TAGS
Homöopathie
Homöopathie
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