| # taz.de -- Brautpreis in Uganda bleibt legal: Irgendwo zwischen Mensch und Kuh | |
| > Ugandas Ehefrauen bleiben auch weiterhin rechtlich irgendwo zwischen | |
| > Mensch und Kuh, befinden die Verfassungsrichter. Denn die | |
| > Brautpreiszahlung sei Teil der Tradition. | |
| Bild: Eigentlich steht Frauen in Uganda vor dem Gesetz die Gleichheit zu. | |
| KAMPALA taz | Die Falten auf Mary Ajoots Stirn werden immer tiefer. Die | |
| Frauenrechtlerin sitzt auf der roten Couch im Untergeschoss des ugandischen | |
| Verfassungsgerichts. Ein Gerichtsregistrar verliest seit zwei Stunden eine | |
| Urteilsverkündung im gelangweilten Singsang-Ton. Nur wenige Zuhörer sind | |
| gekommen. | |
| Dabei geht dieses Urteil alle Menschen in Uganda etwas an. Ajoot kämpft für | |
| die Abschaffung des traditionellen Brautpreises, damit Frauen in Uganda | |
| endlich die Gleichheit genießen, die ihnen per Gesetz zusteht. Über zwei | |
| Jahre hat die junge Anwältin auf diese Entscheidung hingearbeitet. Aber | |
| jetzt entscheiden vier der fünf Verfassungsrichter: Die Tradition des | |
| Brautpreises ist nicht verfassungswidrig. Denn laut Artikel 37 der | |
| Verfassung Ugandas habe jeder das Recht, seine Traditionen und Bräuche frei | |
| auszuleben. | |
| Bei vielen Ugandern ist die Aushandlung des Preises, den der zukünftige | |
| Ehemann den Eltern seiner Braut noch vor der Hochzeit übergeben muss, das | |
| wichtigste Kapitel der Hochzeitszeremonie. Vor Jahrzehnten wurden Kühe, | |
| Ziegen oder Bananenhaine überreicht. Heute sind es Autos, Fernseher, | |
| Kühlschränke und Stereoanlage. Die Übergabe wird mit traditionellem | |
| Hirsebier begossen. Die eigentliche Hochzeitsfeier ist dann nur noch die | |
| Abwicklung des Geschäfts. | |
| Dagegen lehnt sich die Frauenorganisation Mifumi auf, bei der Anwältin | |
| Ajoot arbeitet. Mifumi reichte 2007 Klage beim Verfassungsgericht ein: Die | |
| Tradition des Brautpreises verstoße gegen die Verfassung, die Mann und Frau | |
| in Uganda dieselben Rechte gewährt. Sie führe außerdem zu häuslicher | |
| Gewalt, da der Ehemann die Frau als Eigentum betrachte, für welches er | |
| bezahlt habe. "Frauen sind keine Kühe, die man nach Gutdünken schlagen darf | |
| und niemanden geht es etwas an", so Mifumi. | |
| Häusliche Gewalt ist in Uganda ein großes Problem. 78 Prozent der Frauen | |
| des Landes werden laut einer Parlamentskommission von ihren Ehemännern | |
| geschlagen. 77 Prozent der befragten Frauen sind der Meinung, dass Schläge | |
| durch den Ehemann gerechtfertigt seien. Letzten November verabschiedete | |
| Ugandas Parlament ein Verbot häuslicher Gewalt. Noch aber wartet dieses | |
| Gesetz auf die Unterschrift des Präsidenten. Und selbst wenn es in Kraft | |
| gesetzt wird: Sich als Frau von einem brutalen Gatten scheiden zu lassen, | |
| ist in Uganda nicht einfach. Denn die Eltern der Frau müssen laut Tradition | |
| den Brautpreis zurückerstatten. Dazu sind nur wenige in der Lage. | |
| Der Brautpreis habe Nachwirkungen bis nach dem Tod, beschreibt Mifumi. | |
| Denn: Stirbt die Frau, bevor der Mann den Brautpreis vollständig abbezahlt | |
| hat, darf die Verstorbene nicht beerdigt werden. "Mifumi hat Fälle gesehen, | |
| in welchen Frauen wochenlang vor sich hinrotteten, bevor sie beerdigt | |
| wurden", heißt es in der Klageschrift. | |
| Die Verfassungsrichter scherten sich gestern um diese Argumente nicht. Es | |
| gebe keine einheitliche Definition des Worts "Brautpreis", befanden sie. | |
| Diesen Begriff hätten die britischen Kolonialherren eingeführt. Die in | |
| Ugandas Sprachen benutzten Worte bedeuteten aber eher "das Gewicht eines | |
| wertvollen Gegenstands", also den "Wert" einer Frau im Sinne des Respekts, | |
| nicht den "Preis" einer Ware. An der falschen Interpretation seien die | |
| Europäer schuld, die bei der Übersetzung "gegenüber unseren lokalen | |
| Bräuchen ignorant waren". Und weiter: Der Staat biete die Möglichkeit einer | |
| standesamtlichen Trauung. Da gelte kein Brautpreis. Jedenfalls nicht als | |
| Teil der Trauung. | |
| Nur einer der fünf Richter gibt Mifumi Recht: "Die Tradition wird | |
| missbraucht und kommerzialisiert", sagt er. Dass bei einer Scheidung der | |
| Brautpreis zurückgezahlt werden muss, sei eine "Brutstätte für | |
| Prostitution". Denn: Kann der Brautvater die Kühe, Fernseher oder Autos | |
| nicht zurückzahlen, übe er Druck auf die Tochter aus, die Ehe zu bewahren - | |
| oder die Frau verlasse Heim und Haus ohne Unterstützung ihrer eigenen | |
| Eltern und sei dann mittellos. | |
| Anwältin Ajoot ist vom Mehrheitsvotum enttäuscht. Doch dass einer auf ihrer | |
| Seite war, ermutigt sie. "Wir werden in Berufung gehen", verkündet sie: | |
| "Wir geben die Hoffnung nicht auf." | |
| 27 Mar 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Vereinte Nationen | |
| Nigeria | |
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