# taz.de -- Chinesische Hacker: Dalai Lama und Indien ausgespäht | |
> Nordamerikanische Experten haben ein Spionagenetz im Internet aufgedeckt. | |
> Angeblich sollen sie von Westchina aus agieren. Chinas Außenministerium | |
> wies die Vorwürfe umgehend zurück. | |
Bild: Es sei durchaus möglich, dass die Hacker von Agenten des chinesischen St… | |
TORONTO/PEKING dpa | Nordamerikanische Experten haben nach eigenen Angaben | |
ein großangelegtes Spionagenetz im Internet aufgedeckt, das insbesondere | |
Indiens Regierung und Sicherheitsorgane sowie den Dalai Lama ausgespäht | |
hat. Allerdings sind auch andere Länder und die Vereinten Nationen | |
betroffen. Die Cyber-Attacken kamen aus Chengdu in Südwestchina, | |
berichteten amerikanische und kanadische Forscher der Gruppe Information | |
Warfare Monitor an der Universität von Toronto und Experten der | |
Shadowserver Stiftung in einem Dienstag veröffentlichten Bericht "Shadows | |
in the Cloud" (Schatten in den Wolken). | |
Die Regierung in Peking wies die Vorwürfe umgehend zurück. "Wir verstehen | |
nicht, warum diese Leute immer die chinesische Regierung erwähnen", sagte | |
die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu. China lehne | |
Cyber-Verbrechen ab und gehe gegen Hacker vor. Solche Angriffe seien ein | |
internationales Problem. In ihrer achtmonatigen Untersuchung hatten die | |
Forscher das entdeckte "komplexe System von Cyber-Spionage" zu "bekannten | |
Gruppen innerhalb des kriminellen Untergrunds" in China zurückverfolgt. | |
"Es gibt auch eine offensichtliche Verbindung zwischen den Opfern, der Art | |
der gestohlenen Dokumente und den strategischen Interessen des chinesischen | |
Staates", heißt es in dem Bericht über das "Schattennetzwerk". Es sei | |
durchaus möglich, dass die Hacker von Agenten des chinesischen Staates | |
angeführt werden. Doch könne eine Verwicklung der chinesischen Regierung | |
nicht bewiesen werden. Eine wichtige Frage sei allerdings, ob Chinas | |
Behörden jetzt gegen das Spionagenetzwerk vorgehen werden, schrieben die | |
Forscher. | |
Aus dem Bericht geht hervor, dass unter anderem 1500 E-Mails von 2009 aus | |
dem Büro des Dalai Lama, des religiösen Oberhauptes der Tibeter, | |
ausgekundschaftet worden seien. Bei der Verfolgung der Spione entdeckten | |
die Forscher auch Dokumente der indischen Regierung, die als "geheim" oder | |
"vertraulich" eingestuft waren. Es sei um geheime Einschätzungen der | |
Sicherheitslage in indischen Bundesstaaten oder Beziehungen Indiens zu | |
anderen Ländern gegangen. Ziel waren auch militärische und | |
wissenschaftliche Einrichtungen. | |
Die Forscher bauten auf ihren Untersuchungen auf, die im März 2009 zur | |
Enthüllung eines "Ghostnet" (Geisternetz) genannten Spionagerings geführt | |
hatten, der ebenfalls mit China in Verbindung gebracht worden war. Von den | |
damaligen Angriffen, die auf die exiltibetische Gemeinde abzielten, waren | |
Computer von Behörden und Organisationen in 103 Ländern betroffen. | |
Hacker-Angriffe aus China veranlassten auch den US-Internetkonzern Google | |
vergangenen Monat zur Überprüfung seines China-Geschäfts und zur Schließung | |
seiner chinesischen Suchmaschine, um sich nicht mehr der Selbstzensur | |
unterwerfen zu müssen. | |
Das ganze Ausmaß der neuen Cyber-Spionage konnten die Forscher nicht | |
enthüllen. Nach ihrer Kenntnis sind unter anderem Computer einer Vertretung | |
der Vereinten Nationen in Thailand sowie von indischen Botschaften und | |
Konsulaten in Kabul, Moskau, Dubai und Abuja in Nigeria kompromittiert | |
worden. Vertrauliche und persönliche Visainformationen von Bürgern | |
verschiedener Staaten, darunter auch Deutschland, seien ebenso entwendet | |
worden wie vertrauliche Angaben über Reisetätigkeiten unter anderem in | |
Afghanistan. | |
Die Hacker hätten kostenlos verfügbare soziale Netzwerke wie Twitter, | |
Google Groups oder Blogspots, Baidu Blogs, blog.com, Yahoo Mail und freie | |
Serverdienste benutzt, die von Computern in China gesteuert worden seien. | |
Kritisch äußerten sich die Forscher über den möglichen Missbrauch der | |
sozialen Netzwerke und des sogenannten Cloud Computing, bei dem Daten nicht | |
mehr auf heimischen Computern, sondern im Internet verwaltet werden. "Im | |
globalen Meer der Informationen ist heute kein Land oder keine Organisation | |
mehr eine sichere Insel", heißt es in dem Bericht. Die Sicherheit von | |
Informationen sei "nur so groß wie das schwächste Verbindungsglied in der | |
Kette". | |
6 Apr 2010 | |
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Schwerpunkt Überwachung | |
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