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# taz.de -- Rebellen im Kongo: UN-Blauhelme retten Präsident Kabila
> UN-Truppen bewahrten die Provinzhauptstadt Mbandaka vor dem Fall an
> Rebellen, die zu Ostern einmarschierten und dem inhaftierten
> Oppositionsführer Bemba nahestehen.
Bild: Soldaten der UN-Blauhelmtruppe Monuc mussten eingreifen.
BERLIN taz | Im nordwestkongolesischen Mbandaka hat sich die Lage drei Tage
nach dem Überraschungsangriff von Rebellen wieder beruhigt, aber Noramlität
herrscht noch nicht. Die Armeechefs der kongolesischen Regierungsarmee und
der UN-Mission im Kongo (Monuc) landeten am Dienstagnachmittag in der
Stadt, um der Bevölkerung zu beweisen, dass sie die Lage wieder unter
Kontrolle hätten.
Aber wenige Stunden zuvor erst waren im UN-Rundfunk neue Schusswechsel,
Plünderungen durch Regierungssoldaten sowie Kämpfe mit Rebellen am
Stadtrand gemeldet worden. Daraufhin hatte sich die Bevölkerung der 500.000
Einwohner zählenden Hauptstadt der Provinz Équateur wieder in ihre Häuser
zurückgezogen, nachdem sie sich Dienstagmorgen zum ersten Mal wieder auf
die Straße getraut hatte.
Der UN-Rundfunk sprach außerdem von "schweren materiellen Verlusten" am
Flughafen, den die Rebellen am Sonntag besetzt hatten, bis Soldaten der
UN-Blauhelmtruppe Monuc eingriffen. Sämtliche UN-Einrichtungen seien
zerstört. Die Monuc hat drei Tote zu beklagen, darunter ein erfahrener
südafrikanischer Pilot.
Ohne das rasche Eingreifen der Monuc wäre Mbandaka jetzt vermutlich unter
Kontrolle der Rebellen, und der Wasserweg in die Hauptstadt Kinshasa stünde
ihnen offen. Was in offiziellen Verlautbarungen meist als Miliz halbnackter
Dschungelkämpfer mit Pfeil und Bogen dargestellt wird, war am Ostersonntag
mit Uniformen, Artillerie und modernen Satellitentelefonen am Hafen von
Mbandaka gelandet und rasch auf Stadtzentrum und Flughafen vorgestoßen. Der
Gouverneurspalast wurde besetzt, die Regierungsarmee war zunächst nicht zu
sehen. Es dauerte bis zum Abend, bis die UN-Truppen einigermaßen die
Kontrolle wiederherstellten und hinter ihnen Regierungseinheiten Position
beziehen konnten.
Die neue Rebellion im Nordwesten der Demokratischen Republik Kongo hatte
erstmals im Oktober 2009 unter dem Namen "Widerstandspatrioten"
Aufmerksamkeit erweckt, als Milizionäre des Enyele-Volkes die Stadt Dongo
unter ihre Kontrolle brachten. Seit Generationen streiten sich in diesem
sumpfigen Gebiet des urwaldbedeckten Kongo-Flussbeckens Enyele mit dem
Nachbarvolk der Bomboma um Fischereirechte. Während des Kongokrieges
1998-2003 waren Enyele Teil der in dieser Region herrschenden
nordkongolesischen Rebellenarmee MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) von
Jean-Pierre Bemba, während Bomboma-Führer in die benachbarte
Zentralafrikanische Republik flohen. Dongo war im Jahr 2000, zum Höhepunkt
der Kämpfe zwischen Bemba- und Kabila-Truppen im Nordwestkongo, Schauplatz
einer der spektakulärsten Siege der Bemba-Rebellen.
Es gilt als ausgemacht, dass die neue Enyele-Rebellion 2009 ihrerseits
Unterstützung flüchtiger Bemba-Soldaten erhielt. Der MLC-Führer, vor vier
Jahren noch Herausforderer Joseph Kabilas bei Kongos Präsidentenwahl, sitzt
heute in Den Haag unter dem Vowurf von Kriegsverbrechen in der
Zentralafrikanischen Republik in Haft, die MLC-Provinzregierung in Équateur
wurde letztes Jahr unter Korruptionsvorwürfen abgesetzt. Seitdem liebäugeln
immer mehr Bemba-Parteigänger mit einer Rückkehr zum bewaffneten Kampf.
Viele einstige Bemba-Soldaten, sofern sie noch leben und nicht in
Nachbarländer geflohen sind, schützen nach wie vor Besitztümer des
einstigen Rebellenführers in Équateur, dessen Familie zu Zeiten der
Mobutu-Diktator eine der reichsten des Landes war.
Vor zehn Jahren erreichten Bembas Truppen trotz wiederholter Offensiven nie
Mbandaka, das damals von Simbabwes Armee verteidigt wurde. Dass die neuen
Rebellen heute die damalige Frontlinie so leicht durchbrechen, macht
deutlich, wie fragil die Macht Kabilas ist. Angriffe auf Provinzhauptstädte
hat ansonsten bisher nur Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda im Osten des
Kongo verübt. Ähnlich wie Kongos Regierung hinter Nkundas Stärke immer den
langen Arm Ruandas vermutete, gibt es jetzt auch Verdächtigungen, dass die
Enyele-Rebellen von Exilsoldaten in Kongo-Brazzaville schlagkräftig gemacht
worden sind.
Dort leben nicht nur viele geflohene einstige Bemba-Kämpfer, sondern auch
viele Veteranen der Armee des 1997 gestürzten Diktators Mobutu Sese Seko,
der ebenfalls aus der Provinz Équateur stammte. Kabila lebt in Kinshasa in
ständiger Angst, dass aus dem Bemba-Mobutu-Sympathisantenkreis Brazzaville
am gegenüberliegenden Ufer des Kongo-Flussufers ein Putschversuch gegen ihn
gestartet werden könnte, vor allem im Vorlauf auf Kongos 50.
Unabhängigkeitsjahrestag, den Kabila am 30. Juni pompös in Kinshasa feiern
will.
Der Blitzangriff auf Mbandaka ist noch aus anderen Gründen für die
Staatsmacht in Kinshasa peinlich. Erst im Januar hatte Kongos Regierung den
endgültigen Sieg über die Enyele-Rebellion verkündet. Aber die 200.000
Menschen, die vor den Kämpfen in die Nachbarländer Kongo-Brazzaville und
Zentralafrikanische Republik geflohen sind, kehrten aus Angst vor den
Regierungstruppen nicht zurück. Seit Ende Februar wurden erneute
Rebellenangriffe gemeldet, viel näher bei Mbandaka als vorher. Aber erst am
31. März behauptete die Provinzregierung, die Rebellion existiere nicht
mehr, es gebe höchstens noch versprengte Banditen, und lud zu einem Treffen
aller Provinzgouverneure mit der Regierung nach Mbandaka ein. Um dies
vorzubereiten, befand er sich gerade in Kinshasa, als die Rebellen in
seiner Hauptstadt zuschlugen.
Der Zeitpunkt der neuen militärischen Eskalation ist kein Zufall. In
Kinshasa wird kontrovers über eine Verfassungsänderung diskutiert, die eine
Verschiebung der für 2011 angesetzten Wahlen und eine Verlängerung der
erlaubten Amtszeiten des Präsidenten ermöglichen würde. Oppositionelle,
darunter auch die MLC sowie die großen zivilen Oppositionsparteien, warnen
vor einem Rückfall in die Diktatur. Im Osten des Kongo hat die mittlerweile
in die Regierungsarmee eingegliederte einstige Nkunda-Rebellenbewegung CNDP
(Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) begonnen, in ihren
Hochburgen erneut ihre eigene Flagge zu hissen.
Zugleich drängt die Regierung Kabila auf einen schnellen Abzug der
UN-Truppen aus dem Kongo, und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon empfahl just
am Ostermontag dem UN-Sicherheitsrat, bei seinen nächsten Kongo-Beratungen
am 13. April einen Plan des schrittweisen Rückzugs zu beschließen, mit
einem ersten Abzug von 2.000 Truppen aus dem Westen Kongos noch vor dem 30.
Juni. Ohne UN-Truppen aber, das zeigt der Angriff auf Mbandaka, ist Kabila
hilflos.
7 Apr 2010
## AUTOREN
Dominic Johnson
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