# taz.de -- Fusion im Pressemarkt: "Wir arbeiten an unseren Grenzen" | |
> Am Montag startet die Redaktionsgemeinschaft von Berliner Zeitung und | |
> Frankfurter Rundschau. Werden mit dem Projekt zwei Zeitungen kaputt | |
> gespart oder gerettet? Ein Interview mit dem Chefredakteur. | |
Bild: Uwe Vorkötter: "Alle Beteiligten wollen zusammenarbeiten, alle wollen di… | |
Die Pläne wurden seit Monaten in den Redaktionen heiss diskutiert. Jetzt | |
soll es losgehen mit dem gemeinsamen Politik- und Wirtschaftspool von | |
Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau. Doch Probleme bleiben: Denn das | |
neue Konzept, das maßgeblich von Berliner-Zeitung Chefredakteur Uwe | |
Vorkötter entwickelt wurde, ist weiter höchst umstritten. Und dann kommen | |
auch noch die neuen Möbel zu spät - weshalb der Starttermin nochmal um eine | |
Woche vom 19. auf den 26. April verschoben werden muss. | |
taz: Herr Vorkötter, für viele Mitarbeiter in Berlin und Frankfurt ist die | |
neue Redaktionsgemeinschaft der Einstieg in eine Zentralredaktion. Sie | |
scheinen mit solchen Befürchtungen wenig anfangen zu können. | |
Uwe Vorkötter: Nein, denn das ist genau nicht die Zentralredaktion. Wir | |
fassen rund 25 Autoren aus der Berliner Zeitung und der Frankfurter | |
Rundschau zusammen, damit sie künftig wichtige Themen für beide Zeitungen | |
und für die anderen Abo-Titel von DuMont schreiben. Die | |
Grundsatzentscheidung bleibt: Die Zeitungen werden an unterschiedlichen | |
Orten von unterschiedlichen Redaktionen gemacht – und wir haben einen | |
Autoren-Pool, der übergreifend für alle Titel schreibt. Das ist das | |
Gegenteil einer Zentralredaktion. | |
Das heißt, die Redaktionsgemeinschaft hat trotz eigener Chefredakteurin | |
eigentlich wenig zu melden, sondern nur auf Bestellung zu schreiben? | |
Sie wird einerseits natürlich Dienstleister sein. Aber nicht als eine Art | |
DuMont-Inlandsdienst Artikel liefern, aus denen die Zeitungen machen was | |
sie wollen. Die Redaktionsgemeinschaft soll andererseits nicht nur Aufträge | |
der Redaktionen abarbeiten, sondern gemeinsam mit ihnen über thematische | |
Konzepte und ihre Umsetzung diskutieren. Und dann fällt jeden Tag in einer | |
Videokonferenz der Chefredaktionen von Berliner Zeitung und Frankfurter | |
Rundschau mit der Chefredaktion der Redaktionsgemeinschaft die | |
Entscheidung: Machen wir's zusammen, oder arbeiten wir getrennt. | |
Und im Konfliktfall... | |
Wird es nicht so viel anders sein als heute, wo wir uns in der Redaktion | |
auch nicht immer einig sind, was auf die Seite eins soll, welches das | |
richtige Tagesthema ist. Das werden wir inhaltlich entscheiden, ohne | |
Machtspielchen. Alle Beteiligten wollen zusammenarbeiten, alle wollen | |
diesen Weg gehen – und deshalb werden wir ihn auch erfolgreich gehen | |
können. | |
Brigitte Fehrle, die Chefredakteurin der Redaktionsgemeinschaft, hat | |
immerhin schon mal klar gemacht, dass es dann „auf die eigene Blattfarbe“ | |
nicht mehr so ankommen könne. | |
Klar, es wird nicht die Aufgabe der Redaktionsgemeinschaft sein, die | |
Blätter möglichst unterschiedlich zu machen. Für die jeweils eigene | |
Blattfarbe gibt es die separaten Redaktionen in Berlin und Frankfurt. In | |
der Redaktionsgemeinschaft dagegen organisieren wir das Gemeinsame. | |
Und wenn die Redaktionsgemeinschaft eine Exklusivmeldung hat, heißt es | |
künftig „Die DuMont-Redaktionsgemeinschaft gibt bekannt“? | |
Nein, das nicht. Aber zugegeben, auf diese Frage haben wir bisher eine | |
Antwort, die zunächst skurril klingt, die aber gleichwohl pragmatisch | |
funktionieren kann. Wir haben nach vielen Diskussionen in den Redaktionen | |
entschieden, die DuMont Redaktionsgemeinschaft nicht als eigene Quelle zu | |
etablieren – jetzt jedenfalls nicht. Stattdessen werden wir jeweils einem | |
Titel unsere Exklusivgeschichten zuordnen, und zwar tageweise wechselnd | |
zwischen Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau, und dann auch noch | |
überkreuz: Dienstags zum Beispiel Politik/Berliner Zeitung, | |
Wirtschaft/Frankfurter Rundschau. Und mittwochs dann umgekehrt. | |
Nun ist die Redaktionsgemeinschaft als eigene GmbH im Handelsregister | |
eingetragen. Und da steht unter Geschäftszweck, sie könne ihre Produkte | |
auch an Dritte – also nicht DuMont-Blätter – verkaufen Da ist doch mehr im | |
Busch! | |
Da steckt inhaltlich überhaupt nichts dahinter. Das sind von Juristen für | |
Juristen getroffene Vorkehrungen, die keinerlei praktische Bedeutung haben. | |
Gilt das nur für heute oder auch noch morgen? | |
Das gilt für jeglichen überschaubaren Zeitraum. Was in zehn Jahren ist, | |
weiß ich nicht. Aber es gibt keine Pläne, kein Szenario! | |
Die Frankfurter Rundschau macht weiter massive Verluste, Sie selbst haben | |
mehrfach erklärt, weitere Einsparungen seien unvermeidlich. Bislang sparen | |
Sie durch die Redaktionsgemeinschaft nichts. Kommt da noch das dicke Ende? | |
Das Sanierungsprogramm bei der Frankfurter Rundschau ist im vollen Gange, | |
und dazu tragen alle Mitarbeiter bei, aus Redaktion und Verlag, mit dem | |
Ziel, die FR bis 2012 in die schwarzen Zahlen zu bekommen - übrigens | |
unabhängig von allen Kooperationen und Synergien, die wir jetzt machen. Die | |
Redaktionsgemeinschaft ist ein Qualitätsprogramm mit Blick auf die Zukunft, | |
kein unmittelbares Sparprogramm. | |
Seien Sie ehrlich: Die Betonung liegt dabei auf „unmittelbar“! | |
Wir wissen, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren nicht mit | |
wachsenden Budgets agieren können. Darauf stellen wir uns mit der | |
Redaktionsgemeinschaft ein – um den Personalabbau, den es quer durch die | |
Republik in fast allen Redaktionen noch geben wird, realisieren zu können, | |
ohne dass die Blätter Schaden nehmen. Wir wollen diesen Prozess in den | |
nächsten zwei bis drei Jahren ohne Kündigungen, nur über die normale | |
Fluktuation in den Redaktionen, umsetzen. Die Redaktionsgemeinschaft | |
bündelt jetzt die Kräfte, um trotz schwieriger Rahmenbedingungen die besten | |
Zeitungen zu machen. | |
Will heißen: Die neben der Rege bestehenden Redaktionen der Einzeltitel | |
werden garantiert nicht größer – sondern kleiner. | |
Schon im Verlauf der letzten zehn Jahre sind unsere Redaktionen Schritt für | |
Schritt kleiner geworden. Das war am Anfang auch kein Problem: Eine | |
quantitative Verringerung muss überhaupt keine qualitative Verschlechterung | |
sein. Doch in fast allen Redaktionen kommen wir zusehends an die Grenzen | |
des Möglichen. Wir arbeiten heute in fast allen Bereichen schon sehr | |
effizient. Wenn wir in den bestehenden Strukturen immer weiter Personal | |
abbauen, beschädigen wir die Qualität unserer Produkte. Genau deshalb ist | |
es so wichtig, in neuen Strukturen zu denken. | |
Da sind neue Redaktionsgemeinschaften der bislang nicht berücksichtigten | |
Ressorts wie Sport und Kultur ja programmiert. | |
Das klingt auf den ersten Blick plausibel, ist es aber nicht: Im Gegensatz | |
zur Politik haben wir im Sport einen regionalen Anteil unserer | |
Berichterstattung von weit über 50 Prozent. Hertha, Alba, die Eisbären – da | |
muss man aus der regionalen Sicht arbeiten. Die Sportressorts zum Beispiel | |
kooperieren auf andere Weise. Die im eigentlichen Sinn überregionalen | |
Sportarten organisieren wir bereits weitgehend gemeinsam. Ein Beispiel: Für | |
die Formel-1 hat der Kölner Stadtanzeiger die Federführung, andere | |
Sportarten werden von Berlin aus betreut. Oder aus Franfurt. Das sind | |
maßgeschneiderte Lösungen. | |
Die alle eins gemeinsam haben: Die publizistische Vielfalt in der deutschen | |
Presselandschaft nimmt weiter ab. | |
Stimmt. Wenn Sie publizistische Vielfalt so definieren, dass möglichst | |
viele Leute über ein Thema schreiben, schränken wir die Vielfalt ein. Die | |
real existierende Vielfalt ist aber oft nur die Vielfalt des Mittelmaßes. | |
Und natürlich die ganze Vielfalt, die dpa ihren Kunden zu bieten hat. | |
Vielfalt ist nicht gleich Qualität. Es gibt in der Praxis im Gegenteil | |
einen Konflikt zwischen Vielfalt und Qualität: Ich kann mehr Qualität für | |
die Blätter organisieren, indem wir zusammen arbeiten – und nehme dafür in | |
Kauf, dass es weniger Vielfalt insgesamt gibt. Von dieser Vielfalt hat der | |
Leser bislang aber auch nichts gehabt: Dem Leser der Berliner Zeitung ist | |
der eine oder andere ausgezeichnete Beitrag aus der FR vorenthalten worden, | |
und umgekehrt. Schade. Das ändern wir jetzt. | |
16 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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