| # taz.de -- Medienzensur in Marokko: Wie es ihm gefällt... | |
| > Nach zehnjähriger Herrschaft von König Mohamed VI. ist die Lage freier | |
| > Medien schlechter denn je. Journalisten werden immer häufiger Opfer | |
| > staatlicher Repressionen | |
| Bild: König Mohammed VI von Marokko regiert sein Volk - und die marokkanischen… | |
| Nordafrika schaute voller Hoffnung auf Marokkos jungen König Mohamed VI. In | |
| seinem Land entstand eine freie Presse, die sich erlaubte, was sonst in der | |
| Region undenkbar war. Doch zehn Jahre danach fällt die Bilanz nüchtern aus. | |
| "Die Lage der freien Presse ist schlechter denn je", resümiert der | |
| Journalist Ali Lmrabet das zu Ende gegangene Jahrzehnt unter König Mohamed | |
| VI. | |
| Lmrabet gehört zur alten Garde der freien Presse in Marokko. Er war | |
| Chefredakteur von Le Journal, der 1997 entstandenen, ältesten unabhängigen | |
| Publikation Marokkos. 2000 gründete der Journalist dann mit Demain und | |
| Demain Magazine seine eigene Blätter. Demain Magazine traute sich als erste | |
| Zeitschrift in Marokko an politische Satire heran. Das ging nicht lange | |
| gut. 2003 wurde Demain Magazine geschlossen und Lmrabet wegen verschiedener | |
| Artikel über das Königshaus zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach einem | |
| Hungerstreik kam er wieder frei. 2005 wurde gegen den mittlerweile in | |
| Barcelona lebenden Journalisten ein zehnjähriges Berufsverbot verhängt. | |
| Sein Streben nach gutem Journalismus ist Lmrabet zum Verhängnis geworden. | |
| Als erster arabischer Journalist interviewte er einen israelischen | |
| Ministerpräsidenten. Als erster marokkanischer Reporter schrieb er über die | |
| Flüchtlinge aus der von Marokko besetzten Westsahara, wo er auch ein | |
| Interview mit dem Präsidenten der Exilregierung Mohamed Abdelasis führte. | |
| Die Zeitung Le Journal, bei der Lmrabet einst anfing, existiert auch nicht | |
| mehr. Der Gerichtsvollzieher hat das Blatt im Januar schließen lassen. Der | |
| Grund: Der Verlag habe 450.000 Euro Schulden bei der marokkanischen | |
| Sozialversicherung. "Es stimmt, dass wir hoch verschuldet waren", gibt | |
| Herausgeber Ali Amar unumwunden zu. Dennoch spricht er von Repression, denn | |
| die Schulden seien "nicht die Folgen einer schlechten Geschäftsführung, | |
| sondern einer Kampagne gegen uns". | |
| Es habe gereicht, Anzeigenkunden wissen zu lassen, dass König Mohamed VI. | |
| Werbung in Le Journal nicht gern sieht. "Die Werbeeinnahmen sanken von 2000 | |
| bis 2001 um 80 Prozent", erklärt Amars Vorgänger Aboubaker Jamai. Beide | |
| Journalisten leben mittlerweile in Spanien. | |
| Es vergeht keine Woche, in der nicht irgendein Medium Opfer der | |
| marokkanischen Richter wird. Vergangenen November wurde der Herausgeber der | |
| Tageszeitung al-Massae nach einer Reportage über Drogenhandel zu drei | |
| Monaten Haft verurteilt. Ein Text über den Gesundheitszustand von König | |
| Mohamed VI. brachte dem Chef von Al-Jarida Al-Oula ein Jahr Haft auf | |
| Bewährung ein. Die französische Zeitschrift LExpress wurde für einen | |
| Artikel, der Jesus und Mohamed verglich, mit einem Vertriebsverbot belegt. | |
| Le Monde ereilte das gleiche Schicksal nach der Veröffentlichung einer | |
| Umfrage über die Beliebtheit von Mohamed VI. Ein Bericht über die | |
| königliche Holding kostete das Wirtschaftsmagazin Economie Entreprises | |
| vergangenen Sommer ein Bußgeld von 270.000 Euro. Laut Reporter ohne Grenzen | |
| (ROG) wurden seit 1999 gegen die Presse Strafen von insgesamt 2 Millionen | |
| Euro verhängt. | |
| Auch vor dem Internet macht die Repression nicht halt. Dem Blogger Boubaker | |
| Al-Yadib wurde im Februar ein Beitrag über Studentenproteste zum | |
| Verhängnis. Offiziell wurde er wegen "Teilnahme an einer illegalen | |
| Demonstration" zu sechs Monaten Haft verurteilt. | |
| Marokko ist nicht das einzige Land im Norden Afrikas, das die Presse unter | |
| Kontrolle halten will. Sihem Bensedrine weiß das am besten. Die streitbare | |
| Tunesierin ist Chefredakteurin des unabhängigen Radios Kalima. Der Sender | |
| unterhält eine Internetseite und strahlte sein Programm per Eutelsat in | |
| Tunesien und Algerien aus. Doch am 19. März stellte Eutelsat die Frequenz | |
| von Radio Kalima ein. Es fehle die Lizenz für Algerien, lautete die | |
| Begründung. | |
| "Welche Lizenz?", will Bensedrine, die in Österreich im Exil lebt, wissen. | |
| So etwas gebe es für normale Radiostationen, aber nicht für | |
| Satellitensender. Mittlerweile funktioniert in Algerien auch der | |
| Internetauftritt von Kalima kaum noch. "Das ist der Beginn einer | |
| umfassenden Internet-Zensur", befürchtet ROG. | |
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| 19 Apr 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
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