# taz.de -- Geschichtsaufarbeitung in Spanien: Die Suche nach dem Vater | |
> Die Opfer der Verbrechen im Spanischen Bürgerkrieg stoßen bei der | |
> Aufarbeitung auf massive Widerstände. Und Untersuchungsrichter Baltasar | |
> Garzón droht ein Berufsverbot. | |
Bild: Ein Stein, der an die Hinrichtung von Republikanern während des spanisch… | |
MADRID taz| Viel ist es nicht, was Fausto Canales von seinem Vater Valerico | |
geblieben ist. Nicht einmal die Geschichte, wie der Tagelöhner 1936 von den | |
Anhängern General Francisco Francos abgeholt und erschossen wurde, ist | |
seine. Denn als all das passierte, war er erst zwei Jahre alt. Fausto weiß | |
dies nur aus Erzählungen. | |
Vielleicht hängt der heute 76-Jährige deshalb so an diesem alten | |
Schwarzweißfoto. Zu sehen sind drei Männer, wie sie Kisten | |
aufeinanderstapeln. "Kiste 198", sagt Fausto, "darin liegen die Überreste | |
meines Vaters." Er sitzt in der Fakultät für Arbeitsrecht im Zentrum | |
Madrids. "Wir unterstützen Baltasar Garzón", steht am Eingang zu lesen. | |
Die Angehörigen der Opfer der faschistischen Repression treffen sich hier | |
und solidarisieren sich mit dem Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der | |
das Verschwinden von mindestens 112.000 Menschen während des Bürgerkrieges | |
(1936-1939) und danach aufklären wollte. Jetzt wurde er vom Obersten | |
Gericht wegen "Rechtsbeugung" angeklagt, ihm droht Berufsverbot. Am 22. | |
April wird die Justizbehörde über seine einstweilige Suspendierung beraten. | |
"Die wollen Garzón weghaben, um das Thema der Verschwundenen weiter | |
totschweigen zu können", beschwert sich Fausto. Gewerkschaften, Juristen | |
oder namhafte Künstler wie Regisseur Pedro Almodóvar unterstützen Garzón. | |
"Überall auf der Welt wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
aufgearbeitet", sagt Fausto energisch. | |
Die faschistischen Schergen erschossen damals ihre Opfer und verscharrten | |
sie. Alle wussten davon, doch niemand traute sich, die Leichen zu holen. | |
Mittlerweile haben sich überall in Spanien Familien zusammengeschlossen, | |
die ihre verschwundenen Familienmitglieder suchen. Mit anderen Angehörigen | |
fand Fausto 2003 ein Massengrab und öffnete es. "Wir entdeckten nur einen | |
Schädel, ein paar Wirbel und Zähne", berichtet er. Sie informierten den | |
Richter, der antwortete nicht. "Schließlich erzählte mir ein alter Mann, | |
dass die Leichen 1959 abtransportiert worden waren", berichtet Fausto. | |
Diktator Franco hatte damals überall im Land Massengräber öffnen lassen. | |
Die Leichen wurden in eine Basilika unweit von Madrid gebracht. | |
Zehntausende Tote beider Seiten des Bürgerkrieges ruhen dort. Die | |
Faschisten sahen darin eine Geste der Versöhnung. | |
Seine Recherchen führten Fausto schließlich zur Kiste 198 und dem Foto. | |
Richter Garzón ordnete 2008 an, dass die Überreste den Angehörigen | |
ausgehändigt werden. Doch dann wurde er von der Staatsanwaltschaft und dem | |
Obersten Gerichtshof gestoppt. Den Erfolg zum Greifen nahe, befürchtet | |
Fausto jetzt, dass die ganze Suche nach seinem Vater vergebens war. | |
19 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |