# taz.de -- Neue rechte Begegnungsstätte: NPD erobert Terrain | |
> Im mecklenburgischen Grevesmühlen hat die NPD auf einem großen Anwesen | |
> ein Bürgerbüro eröffnet. Die Schweriner Landtagsabgeordneten der NPD | |
> wollen natürlich vorbeischauen. | |
Bild: Wenig einladend: Das Bürgerbüro der NPD in Grevesmühlen. | |
Auf der Straße sind kaum Menschen, doch die neuen Nachbarn im Grünen Weg 5 | |
stoßen bei den Anwohnern auf vorsichtiges Interesse. Man schaut in dem | |
Industriegebiet einfach mal vorbei. "Wir sind für Sie da", steht auf einem | |
Transparent, das auf dem großen Grundstück eines ehemaligen Betonwerkes | |
aufgebaut ist. Hier am Stadtrand von Grevesmühlen, 45 Autominuten von | |
Lübeck entfernt, hat die NPD ein neues Bürgerbüro eröffnet. | |
"Ein Novum", sagt Tim Bleis vom Verein "Landesweite Opferberatung, Beistand | |
und Information" (Lobbi). Das neue Anwesen biete allein schon wegen der | |
Größe und Ausstattung viele Nutzungsmöglichkeiten. | |
Einige neugierige Nachbarn sind mit dem Fahrrad gekommen. Nein, das wäre | |
nicht ihre Partei, wird versichert. Einige, die in benachbarten Unternehmen | |
arbeiten, wollen auch nur mal schauen. Reden möchten sie eher nicht: "Wir | |
wollen keinen Ärger mit den Jungs." Im Rathaus ist Bürgermeister Jürgen | |
Ditz über die Eröffnung wenig erfreut. Erst im Nachhinein habe man von dem | |
Kauf durch Sven Krüger, den NPD-Abgeordneten im Kreistag von | |
Nordwestmecklenburg, erfahren, heißt es. Die Pressesprecherin des | |
Kreistages, Petra Rappen, spricht von einer "sehr unglücklichen Situation". | |
Der Kauf sei "von Privat zu Privat" gelaufen. | |
Seit dem 9. April kann das neue Bürgerbüro besucht werden, das dem | |
Schweriner NPD-Fraktionschef Udo Pastörs und seinem NPD-Fraktionsvize | |
Stefan Köster als Anlaufstelle dient. "In angenehmer Atmosphäre haben sie | |
hier die Gelegenheit, sich Hilfe und Rat von unseren Wahlkreismitarbeiten | |
und Landtagsabgeordneten abzuholen", versichert Andreas Theissen, Pastörs | |
Wahlkreismitarbeiter. | |
In einem Videoclip auf der NPD-Fraktionswebsite erklärt Torgai Klingebiel, | |
Mitarbeiter von Köster, die Bürger mit dem Büro "direkt" erreichen zu | |
wollen. So biete man etwa Hartz-IV-Sprechstunden an - ganz im Sinne der | |
Strategie des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt, soziale Themen lokal | |
aufzugreifen, um auf kommunaler Ebene als die Kraft zu erscheinen, die sich | |
kümmert. | |
Sehr einladend wirkt das Büro allerdings nicht. Ein Palisadenzaun versperrt | |
den Blick auf das mehrstöckige Haus, das eine große Lebensrune ziert. Über | |
dem Eingang steht "Thing Haus" und in Plattdeutsch "Lever dood as Slaav!" - | |
Lieber tot als Sklave. Links vom Tor befindet sich ein "Aussichtsturm" - | |
zwei Kameraden halten von ihm aus Ausschau. Ein niedrigschwelliges Angebot | |
sieht anders aus. Wer hier eintritt, den dürfte der auf einem Transparent | |
zu lesende Satz: "Todesstrafe für Kinderschänder" ansprechen. | |
In dem Video spricht Klingebiel von einer weiteren Nutzung. Das "Thing | |
Haus" solle ein "Anlaufpunkt für national denkende Menschen" werden. Die | |
NPD spricht von einer "Begegnungsstätte". Käufer Krüger sagt: "Wir hoffen, | |
dass viele Leute, jung und alt, unter diesem Dach zusammenkommen." Der Zaun | |
sei bewusst als Sichtschutz geplant gewesen. | |
Zu der Eröffnung waren zahlreiche Kameraden gekommen. An die 100 Gäste, | |
viele junge Frauen hatten ihre Kinder mitgebracht. Vor dem Gebäude wird | |
getratscht. Im Saal des "Thing Haus" lobt Fraktionsvize Köster das | |
Engagement von Kreistagsmann Krüger. Ohne ihn wäre das Gebäude kaum | |
innerhalb von zwei Jahren saniert worden. | |
Tim Bleis von der Opferberatung Lobbi sagt, er sei nicht überrascht von den | |
Bemühungen der NPD in der Kreisstadt. "Im Westen Mecklenburg-Vorpommerns | |
versucht die NPD jetzt planmäßig ihre Verankerung auszubauen, die geringer | |
als im Osten des Bundeslandes ist." Ganz strategisch wolle sich die NPD im | |
kommunalen Alltag zwischen Vereinsleben und Lokalpolitik etablieren. Bisher | |
ist die Partei westlich von Schwerin vor allem im Raum Lübtheen stark | |
verankert, wo Pastörs und Kösters schon lange ein Bürgerbüro haben. | |
Das neue Büro, sagt auch NPD-Mitarbeiter Klingebiel, sei "ein weiterer | |
wichtiger Schritt der Strukturarbeit". Bestehen doch zwischen Wismar und | |
Waschow Kameradschaftsstrukturen, die man anbinden möchte. In Grevesmühlen | |
konnte die NPD mit 4,9 Prozent bei der Kommunalwahl 2009 ihr bestes | |
Ergebnis in ganz Nordwestmecklenburg erreichen. | |
Krüger, der zusammen mit David Böttcher für die Partei in den Kreistag zog, | |
lebt im nahen Jamel, wo er ein Abrissunternehmen hat. In dem kleinen Ort am | |
Ende einer Straße gehören dem 37-Jährigen die meisten Häuser. Nach deren | |
Einzug in den Schweriner Landtag näherte er sich offen der NPD an, und die | |
Landesführung schien nicht zu stören, dass der bullige Glatzkopf | |
Haftstrafen und Gerichtsverfahren hinter sich hat. Im Kreistag, berichtet | |
Opferberater Bleis, kokettierte Krüger gleich bei der ersten Sitzung mit | |
seinen Verurteilungen: "Ich muss ja nicht viel zu mir sagen, sie wissen ja | |
alles von mir", sagte er. "Die Herren sind recht unauffällig", sagt | |
Kreistagssprecherin Rappen. | |
Einen Tag nach der Eröffnung kommen neue Gäste auf das Gelände in | |
Grevesmühlen. Hinter den vergitterten Fenstern des Gebäudes unterrichtet | |
NPD-Bundesordnerchef Manfred Börm eine Gruppe. Ziel des "Grundlehrgangs I" | |
ist laut interne Einladung, als "Ordner bei allen nationalen | |
Veranstaltungen" einsetzbar zu sein. | |
18 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
A. Röpke | |
A. Speit | |
## TAGS | |
Grevesmühlen | |
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