# taz.de -- Datenbank "Entartete Kunst": Den Kunstraub bezeugen | |
> 1937 beschlagnahmten die Nazis in der Aktion "Entartete Kunst" Werke der | |
> Moderne. Eine neue Online-Datenbank dokumentiert die Verluste. | |
Bild: "Frau in den Dünen" (1914) von Karl Schmidt-Rottluff: Auch dieser Holzsc… | |
BERLIN taz | Datenbanken oder computergestützte Verzeichnisse über NS-Raub- | |
oder Beutekunst gehören mittlerweile zur Grundausstattung öffentlicher | |
Museen, Galerien und Kulturstiftungen. Umso erstaunlicher ist es, dass ein | |
Gleiches über eine der größten und wirkungsmächtigsten | |
Beschlagnahmeaktionen von Kunstwerken durch die Nationalsozialisten noch | |
nicht existierte. Eine Online-Datenbank über das Schicksal der 21.000 | |
Kunstwerke, welche die Nazis für die Ausstellung "Entartete Kunst" 1937 aus | |
den Museen zusammenrafften, blieb bisher eine Leerstelle. | |
Mittwoch wird diese Lücke geschlossen. Unter der Internetadresse | |
[1][www.geschkult.fu-berlin.de] dokumentiert das Forschungsprojekt | |
"Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin seine Recherchen und | |
Ergebnisse. Neben den Daten zu der Propagandaausstellung, die von 1937 bis | |
1941 durch das Reich tourte, werden die als "entartet" diffamierten Werke | |
und Künstler, die Rollen der Museen und der Kunsthändler ergründet. Es wird | |
ein Stück deutsche Geschichte mit besonderem Gewicht gehoben. | |
Den Angriff auf die gesamte Moderne, darunter die Werke von Beckmann, | |
Barlach oder Marc Chagall hatte Hitler 1937 selbst gegeben. Wer "Gesichter | |
grün oder Wiesen rot" malte, entsprach weder dem Kunstverständnis der Nazis | |
noch ihrer Blut-und-Boden-Ideologie. Im gleichen Jahr beschlagnahmten sie | |
aus den deutschen Museen ganze Sammlungsbestände moderner Kunst – Bilder, | |
Plastiken, Grafiken –, die nach der Schau "entartete Kunst" verkauft | |
wurden, verschwanden und verschollen sind. Nach dem Krieg tauchten die | |
Werke nur zum Teil und dann zumeist im Ausland wieder auf. | |
Seit 2002, sagten Klaus Krüger, Professor am Kunsthistorischen Institut an | |
der FU, sowie Andreas Hüneke, Initiator des Projekts, geht die | |
Forschungsstelle der Aufklärung dieses Kunstraubs, der Beschlagnahme und | |
den Verkäufen nach. "Im Mittelpunkt der Recherchen steht dabei der | |
Besitzerwechsel der beschlagnahmten Werke bis zum heutigen Standort", so | |
Hüneke, "das ist eine vielschichtige und auch politisch brisante Suche nach | |
den verschollenen Kunstwerken." Denn ein Bild wie etwa das Porträt "Vater | |
Hirsch" (1909) von Oskar Kokoschka, das die SS in Halle kassiert hatte und | |
das seit 1953 bis heute in den Museen Linz hängt, verweist auf die | |
Ankaufspolitik der heutigen Eigentümer. | |
Zurückgegeben werden müssen die Kunstwerke an die einstigen | |
Museumsstandorte nicht. Denn – das ist ein pikanter Punkt – das NS-Gesetz | |
von 1938 zur entschädigungslosen Einziehung sogenannter entarteter Kunst | |
gilt noch heute. Die öffentlichen Museen können sich nicht auf rassische | |
oder politische Verfolgung berufen. "Sie haben sich ja selbst enteignet", | |
sagt Hüneke. | |
Noch ist die Datenbank nicht vollständig. 500 der 1.400 Künstler sind | |
erfasst. Auch 121 Werke, die als verschollen galten, sind inventarisiert. | |
Desiderate gibt es weiterhin. "Wir hoffen, dass über die Datenbank auch | |
Informationen an uns zurückfließen." Das werden sie mit Sicherheit. | |
*** | |
Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne | |
Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns | |
freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können | |
wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen. | |
Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | | |
Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de". | |
21 Apr 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.geschkult.fu-berlin.de/ | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
## TAGS | |
Beutekunst | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Franz-Marc-Ausstellung in Berlin: Wer fängt die blauen Pferde? | |
Das Bild „Der Turm der blauen Pferde“ ist seit 80 Jahren verschollen. Nun | |
fragen 20 Künstler nach seinem Verbleib – und wer's findet, darf's | |
behalten! |