# taz.de -- Ökonom zu alternativer Klimakonferenz: "Wir müssen 'glokal' denke… | |
> Die alternative Klimakonferenz war eine Reaktion auf das Scheitern der | |
> Verhandlungen in Kopenhagen, sagt der ecuadorianische Ökonom Alberto | |
> Acosta. | |
Bild: Tradionelles Produkt der Indigenas: Teilnehmer des Gipfels mit Koka-Blät… | |
taz: Herr Acosta, was halten Sie von der Initiative der bolivianischen | |
Regierung, in diesem Moment den alternativen Klimagipfel einzuberufen? | |
Alberto Acosta: Es ist ein wertvoller Anstoß, der noch vertieft werden | |
muss. Zunächst einmal ist er eine Reaktion auf das totale Scheitern der | |
UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Dort wurde die multilaterale Logik der UNO | |
in Stücke gerissen. Unter der Führung von Barack Obama versuchte dort eine | |
Gruppe von Ländern, ein völlig belangloses "Abkommen" ohne jegliche | |
Verpflichtungen durchzusetzen. | |
Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Rechte der Natur in | |
Ecuadors Verfassung verankert wurden - eine weltweite Premiere. Wie sieht | |
die Umsetzung in die Praxis aus? | |
Leider gibt es vonseiten der Regierung eine regelrechte Konterrevolution, | |
beispielsweise durch ein Bergbaugesetz, mit dem ausländische Investoren | |
hofiert werden. Auch die Verhandlungen mit der EU über ein | |
Freihandelsabkommen gehen weiter - das ist das Gegenteil von dem, was | |
Präsident Rafael Correa einmal versprochen hat! | |
Wie haben Sie die Debatte über die "Rechte der Mutter Erde" hier in | |
Cochabamba erlebt? | |
Das Thema der Naturrechte muss von unten her entwickelt werden, als | |
Ergänzung zu den Menschenrechten und der Logik der westlichen | |
Rechtsgeschichte. Für die Indígenas ist die Natur Teil eines Ganzen. Wir | |
müssen das innerhalb der westlichen Logik formulieren, die bisher | |
anthropozentrisch war. Wir sind Teil der Natur. | |
Die Realität sieht anders aus, auch in Venezuela und Bolivien. | |
Ja, es ist fatal, die "Pachamama", die "Mutter Erde", nur auf globaler | |
Ebene zu betrachten und die nationale oder lokale Ebene auszuklammern. Der | |
Widerstand gegen den Bergbau an einem bestimmten Ort betrifft uns alle, wir | |
müssen "glokal" denken. Genauso wenig ist es denkbar, einen | |
Umweltgerichtshof einzurichten, der nur über die Länder des Nordens | |
urteilt. Man darf doch nicht den Splitter im Augen des Nächsten sehen und | |
den Balken im eigenen ignorieren. | |
Erwarten Sie rasche Fortschritte? | |
Eine Ausarbeitung der Naturrechte ist wichtig, auch ihre Umsetzung. An den | |
Unis müssten Projekte entwickelt werden, etwa über Verfassungsänderungen in | |
diese Richtung, auch Gesetze. Dass geht nicht über Nacht. Es hat sehr lange | |
gedauert, bis die Sklaven, Frauen oder Kinder Rechte bekamen. | |
Was halten Sie von dem Vorschlag, ein Umwelttribunal zu schaffen? | |
Man muss sehen, wie und wo man diese Arbeit macht. Für mich sollte er bei | |
der UNO angesiedelt sein, vielleicht zunächst angelehnt an den | |
Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag und später eigenständig. | |
Und von dem Referendum über die Reduzierung der Rüstungsausgaben? | |
Das ist Hilfe bei der Bewusstseinsarbeit. Dabei hängt viel von den Fragen | |
und den Gruppierungen ab, die das vorantreiben. Es gibt ja das historische | |
Beispiel der 1990er, als man weltweit Millionen Unterschriften für einen | |
Schuldenerlass sammelte. | |
Wie erklären Sie sich, dass gerade Bolivien in der Klimadebatte eine | |
Vorreiterrolle eingenommen hat? | |
Seit dem Amtsantritt von Evo Morales werden hier völlig andere Debatten | |
geführt. Die Bewegungen der Kleinbauern und der Indígenas beginnen zu | |
fließen und ganz neue Räume zu erobern. Bei allen Widersprüchen gibt es | |
eine viel größere Nähe zwischen den sozialen Bewegungen und der Regierung, | |
als das in Ecuador der Fall ist. | |
24 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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