Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Menschenkette: Atomkraftgegner machen sich lang
> 120.000 Menschen beteiligen sich am Anti-Atom-Protest zwischen den
> Atommeilern Brunsbüttel und Krümmel. In vielen Regionen klappte die Kette
> besser als erwartet.
Bild: Schafe machen bei Brunsbüttel ihre eigene Kette.
Um Punkt 14.30 Uhr ertönen die Alarmsirenen vor dem Atomkraftwerk
Brunsbüttel. Auf der Bühne vor der Zufahrt zum Meiler, die zugleich
Streckenposten Null der Anti-Atom-Kette ist, gibt Dirk Seifert vom
Trägerkreis Kettenreaktion den "Anpfiff", die 120 Kilometer lange
Menschenkette bis zum Atomkraftwerk Krümmel zu schließen. "Damit diese
Reaktoren nie wieder ans Netz gehen", so sein Appell. Soweit das Auge
blicken kann, haben sich die Menschen in Reih und Glied aufgestellt. Dann
schicken die Teilnehmer mehrere La Ola-Wellen auf die Reise. "Damit die
Botschaft schneller ankommt", sagt Seifert.
Unterstützt wird die Menschenkette vom Hohenlockstedter Fallschirmverein
Skydive, der mit sieben Springern und einem Banner "Atomkraft nein Danke"
vor der Menschenkette auf dem Deich bei der Ortschaft Büttel landet (Text
unten). "Das war ein cooles Bild, wie eindruckvoll die Menschenkette
stand", sagt die im Tandem mitgesprungene IG Metall-Sekretärin Christiane
Niemann nach der Landung.
Schon den gesamten Morgen über hatte beim Aufbau der Bühne ein reges
Treiben vor der Atomkraftwerks-Zufahrt geherrscht. Die Meldorfer Firma
Aldra-Solar stellt den Bio-Diesel-Generator für die Kundgebung zur
Verfügung. "Damit nicht Atomstrom genommen werden muss", sagt
Geschäftsführer Bernd-Alexander Sönnichsen mit Sinn fürs Symbolische.
In Brunsbüttel werden die Leute frühzeitig vor der Bühne aufgefordert, sich
zum Aufbau der Menschenkette auf der K 75 in Richtung Büttel auf den Weg zu
machen. IG Metall-Ordner weisen den Weg. Erst in letzter Minute vor dem
Anpfiff werden die Letzten direkt in die Lücke am Streckenposten Null
dirigiert.
Dass sich die Menschenkette bis Glückstadt weitgehend aufgestellt hat,
bestätigen noch während der laufenden Aktion zwei Einsatzleiter der
Polizei. "Vor 34 Jahren war ich in Brokdorf auch dabei", sagt der eine.
"Wir haben es aber nicht geschafft, Brokdorf ist gebaut worden - aber das
Symbol ist geblieben", sagt er erfreut und zeigt auf das Transparent mit
dem Sonnenemblem "Atomkraft - Nein Danke". Sein Kollege sinniert, dass es
"früher oftmals anders zur Sache gegangen" sei, als er gegen Brokdorf
demonstriert habe. "Heute ist das ja mehr ein Volksfest."
In der Tat: Nach der Aktion treffen sich Jung und Alt zur Kundgebung.
Freude herrscht darüber, dass 120.000 Menschen an der Kette teilgenommen
haben. Es werden zwar auch politische Redebeiträge gehalten, etwa von
Brokdorf-Veteran Karsten Hinrichsen und Herrmann Albers vom Bundesverband
Windenergie, oder von Uwe Zabel, Chef der IG Metall Unterelbe. Die
Attraktion ist aber der Auftritt des Rappers Jan Delay und seiner Freunde.
In seine Show baut er Atomkraftkritische-Elemente ein: "Feiert mit den
Anti-AKW-Atzen."
Volksfest-Atmosphäre auch in Hamburg-Billstedt. Um 14 Uhr ist die
vierspurige Ausfallstraße voller Leben. Menschen stehen und sitzen in der
Straßenmitte, nur wenige Lücken gibt es noch. Ein türkisches Restaurant
erkennt die Chance. Ein Kellner läuft die Reihe ab und bietet Kaffee an:
"Echter Arabica, nur ein Euro." Etliche Becher wird er los. Eine
Viertelstunde später kommt er wieder vorbei: "Cola, Fanta, Wasser, alles
gekühlt, nur einsfünfzig." Auch am Rande des Kundgebungsplatzes am
Billstedter Markt hat ein halbes Dutzend Türkinnen mit Kopftüchern die
Gunst der Stunde genutzt und einen Imbissstand aufgebaut: Falavel, Böreks,
Kartoffelsalat. Ein Postbote hält, stellt sich mit seinem gelben Fahrrad in
eine größere Lücke: "So viel Zeit muss sein heute."
Um 14.30 Uhr schließt sich die Kette, auch hier im sozialen Brennpunkt im
Hamburger Osten. Auf der leeren Straße spielen zwei achtjährige Jungen
Fußball und lassen sich vom Lärm der Trillerpfeifen nicht stören. Um 15 Uhr
löst sich die Kette wieder auf. Der Postbote radelt davon: "Ich muss dann
mal wieder."
25 Apr 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
Sven-Michael Veit
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.