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# taz.de -- Eine Bank unter päpstlicher Aufsicht: Korruption, Bestechung, Geld…
> Das Istituto per le Opere di Religione (IOR), die Vatikanbank in Rom, war
> in zahlreiche Finanzskandale verwickelt. Gianluigi Nuzzi hat sie
> recherchiert.
Bild: Der umstrittene Erzbischof Paul Casimir Marcinkus leitete die Vatikanbank…
ROM taz | Ein absoluter Monarch mitten in Europa, der auch noch über eine
keinem Kontrollorgan unterworfene Bank gebietet, über eine Bank, die völlig
im Geheimen wirtschaftet und deren Mitarbeiter von niemandem zur
Verantwortung gezogen werden können, da ihr Staat nie Rechtshilfeabkommen
mit anderen Staaten geschlossen hat - das gibt es auch noch im 21.
Jahrhundert. Der Monarch ist der Papst; er ist eben nicht bloß der
spirituelle Kopf von mehr als einer Milliarde Katholiken, sondern auch der
sehr weltliche Herrscher der Mini-Monarchie namens Vatikan-Staat.
Als solcher gebietet er direkt - unter Ausschaltung auch der
Vatikan-Verwaltung - über eines der weltweit wohl mysteriösesten
Geldhäuser: über das Istituto per le Opere di Religione (IOR), das
"Institut für religiöse Werke". Das IOR veröffentlicht keine
Geschäftszahlen, es hält keine Bilanzpressekonferenzen ab, und seine
Gewinne gehen auch nicht in den Vatikan-Haushalt ein. So erfährt die
Öffentlichkeit zwar, wie viel der Heilige Stuhl mit dem Verkauf seiner
Briefmarken, mit den Eintrittsgeldern der Vatikanischen Museen verdient -
schier gar nichts aber weiß man von den Milliardengeschäften des IOR.
Da macht es besonders neugierig, wenn ein Buch zum Thema mit der "Wahrheit
aus einem Geheim-Archiv" aufwarten kann, wie schon der Untertitel verheißt.
Gleich zwei große, mit Dokumenten prall gefüllte Koffer hat der Journalist
und Buchautor Gianluigi Nuzzi erhalten, aus dem Nachlass des Monsignore
Renato Dardozzi, der jahrelang als Aufseher im IOR wirkte. Dardozzi selbst
- das ist der Glücksfall für den Autor, aber auch für die Leser - wollte,
dass nach seinem Tod der Schleier über den IOR-Geschäften wenigstens ein
bisschen gelüftet werde.
Und das Material hat es in der Tat in sich. Bisher war zwar durchaus
bekannt, dass das IOR in den Siebziger- und Achtzigerjahren unter der
Leitung des hoch umstrittenen Erzbischofs Paul Casimir Marcinkus massiv in
düstere Machenschaften verwickelt war. Nuzzi rekonstruiert die
Skandalgeschichte denn auch knapp in den ersten Kapiteln: Das IOR hatte
intensive Geschäftsbeziehungen zu den Mafia-Bankiers Michele Sindona (er
starb 1986 in italienischer Haft an einem mit Strychnin versetzten
Espresso) und Roberto Calvi (der 1982 in einer makabren Suizid-Inszenierung
von seinen Mördern unter einer Brücke in London gehängt worden war).
Doch bisher galt auch die selbstverständliche Annahme, mit diesen
Verstrickungen des IOR habe es spätestens 1989 ein Ende gehabt, als der
seriöse Bankier Angelo Caloia Bischof Marcinkus an der Spitze der Bank
ablöste. Die Dokumente, die Nuzzi analysiert, beweisen jedoch das
Gegenteil. Weiter waren intime Weggefährten von Marcinkus in der Bank
aktiv; der mächtigste unter ihnen war Monsignore Donato De Bonis, der 1989
auf das neu geschaffene Amt des "Prälaten des IOR" berufen wird - und der
sofort an Caloia vorbei eine Bank in der Bank aufzieht.
Insgesamt 17 chiffrierte Konten richtet De Bonis ein, auf denen er an der
Buchhaltung des IOR vorbei hunderte Millionen Euro bewegt, in eigener
Regie, offenkundig aber auch für italienische Politiker und Geschäftsleute.
Die wissen den Vorteil einer Offshore-Bank mitten im Stadtzentrum Roms sehr
zu schätzen. Am Fiskus und an den italienischen Staatsanwälten vorbei
können sie ungestört Millionen verschieben. Gleich das erste von De Bonis
eingerichtete Konto führte zu Giulio Andreotti, der nicht bloß die
Zeichnungsberechtigung besaß, sondern im Falle von De Bonis Tod auch die
dort deponierten Summen erben sollte. Andreotti, der Freund Sindonas, der
Beschützer Calvis - und im Jahr 1989 Italiens Ministerpräsident.
Minutiös auch rekonstruiert Liuzzi die Rolle des IOR und der von De Bonis
eingerichteten internen Parallelbank in Italiens bisher größtem
Korruptionsskandal überhaupt. Mehr als 100 Millionen Euro flossen Anfang
der Neunzigerjahre an zahlreiche Politiker, als die italienische
Industriellenfamilie Ferruzzi ihre Chemieaktivitäten weit überteuert an die
Staatsholding ENI verkaufte. Und die Bestechungsgelder wurden über die IOR
gewaschen. Dass die IOR im Skandal eine Rolle spielte, war auch bisher
schon bekannt. Bisher galt aber auch die von den "ehrlichen" Vertretern des
Hauses damals gewählte Verteidigungsstrategie: Das IOR selbst habe
eigentlich gar nicht gewusst, welche Geschäfte da abgewickelt wurden.
Das Gegenteil ist wahr: De Bonis Gegenspieler Caloia und Dardozzi hatten
sehr schnell begriffen, dass ihr Haus wieder mal als Geldwäscheanstalt
genutzt wurde. Und hier wird Liuzzis Buch zum Lehrstück darüber, wie die
Institution Vatikan, die eben keinerlei externer Aufsicht unterworfen ist,
mit Skandalen umgeht: Die Politik des Leugnens, des hartnäckigen
Abstreitens und Unter-den-Teppich-Kehrens, die mittlerweile auf ganz
anderen Feldern Empörung hervorruft, fand ab 1993 auch in der Bewältigung
der Schmiergeldaffäre rund ums IOR ihre Anwendung; schließlich galt es auch
hier, "Schaden" - und Schadensersatzforderungen - von der katholischen
Kirche abzuwenden.
All das liest sich äußerst spannend, all das ist von hohem zeithistorischem
Interesse, mit Blick auf den Vatikan genauso wie auf die italienische
Politik. Allerdings bleibt das Buch ein Werk über das IOR in den späten
Achtziger- und frühen Neunzigerjahren. Wer sich dagegen Aufschlüsse über
die "Vatikan AG", über den gesamten Komplex der wirtschaftlichen
Aktivitäten des Heiligen Stuhls erhofft, wer gar wissen will, was IOR und
Vatikan heute unter Papst Ratzinger so treiben, der wird weiter warten
müssen.
Gianluigi Nuzzi: "Vatikan AG. Ein Geheimarchiv enthüllt die Wahrheit über
die Finanz- und Politskandale der Kirche". Aus dem Italienischen von
Hausmann/Kaiser/Seuß. Ecowin Verlag, Salzburg 2010, 360 Seiten, 22,50 €
28 Apr 2010
## AUTOREN
Michael Braun
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