# taz.de -- Geburten: Hebammen bangen um Existenz | |
> Die Erhöhung der Haftpflichtprämie macht die Arbeit von Hebammen vollends | |
> unrentabel. In Bremen kommen sie derzeit auf einen Stundenlohn von 5,07 | |
> Euro. | |
Bild: Zu wenig Geld für verantwortungsvolle Arbeit: Hebammen-Protest in Berlin… | |
Geburten nur noch im Krankenhaus und dort auch nur noch geleitet von | |
angestellten Hebammen im Schichtdienst - dieses Szenario ist auch für | |
Bremen nicht ausgeschlossen. Am Wochenende haben die freiberuflichen Bremer | |
Hebammen Alarm geschlagen: Sie wissen nicht mehr, wie sie unter den | |
derzeitigen Voraussetzungen ihre ohnehin schon schlecht bezahlte Arbeit | |
fortsetzen können. | |
Der Grund: Bei gleichbleibend niedrigen Gebühren, die sie von der | |
Krankenkasse bekommen, müssen sie ab dem 1. Juli eine noch höhere jährliche | |
Haftpflichtprämie zahlen: Sie soll von 2.370 auf 3.689 Euro steigen. "Das | |
hieße, ich müsste vier Monate umsonst arbeiten, um die Prämie bezahlen zu | |
können", sagt Sabine Stiefel, eine von nur drei Hebammen in Bremen, die so | |
genannte Beleggeburten in Krankenhäusern anbieten. | |
Dabei lässt sich eine Frau von einer freiberuflichen Hebamme in der | |
Schwangerschaft und im Wochenbett betreuen, die Geburt findet dann unter | |
ihrer Leitung in einem Krankenhaus - dem Diako oder Bremen Nord - statt. | |
Diese Form der Geburtshilfe ist bei vielen Frauen besonders beliebt, da sie | |
sowohl die Betreuung durch eine ihnen vertraute Hebamme haben als auch das | |
Krankenhaus-Umfeld, in dem sich viele sicherer fühlen. Anmelden muss man | |
sich in der zweiten Bremer Praxis, die Beleggeburten anbietet, der "Bremer | |
Hebammengemeinschaft", möglichst schon im dritten Monat - so begehrt sind | |
die wenigen Plätze. Das liegt laut Praxis-Leiterin Isabelle Zimmer vor | |
allem daran, dass es kaum noch Hebammen gibt, die Beleggeburten anbieten | |
wollen. | |
Sie verdienen mit 237 Euro noch weniger als für eine Geburt zu Hause (537 | |
Euro) oder im Geburtshaus (445 Euro). Um auf ein Gehalt zu kommen, von dem | |
man einigermaßen leben kann, arbeite sie deshalb 40 bis 60 Stunden | |
wöchentlich, sagt Zimmer. "Das halten viele nur ein oder zwei Jahre durch", | |
sagt sie, die ihre Praxis 1991 gegründet hat und so an der Arbeit hängt, | |
dass sie trotz der Belastung weiter macht. Allerdings weiß auch sie nicht, | |
wie es weiter gehen soll, da die Prämie noch einmal steigen könne und es | |
möglich sei, dass sich in zwei Jahren gar kein Versicherer mehr findet. | |
Ratlos sind auch andere Hebammen. "Extrem existenzbedrohend" sei die | |
Situation für sie, sagt die Beleghebamme Sabine Stiefel, mehr als 60 bis 70 | |
Wochenstunden könne sie nicht arbeiten. Auch die weitere Anhebung der | |
Pauschale für eine Rufbereitschaft, die Hebammen von den Klientinnen direkt | |
bekommen, sei keine Lösung. Derzeit liegt diese je nach Praxis zwischen 250 | |
und 500 Euro, viele erhöhen ihren Satz zum Sommer. | |
Auch im Geburtshaus Schwachhausen - einem von zweien in Bremen - "rechnet | |
man herum", wie dessen Gründerin Katharina Jeschke formuliert. Abzüglich | |
aller Kosten für Versicherungen kämen Hebammen bei einer 40-Stunden-Woche | |
auf einen Stundenlohn für 5,07 Euro, sagt Jeschke. Sollte es bei der | |
angekündigten Prämienhöhe bleiben, fiele dieser noch einmal. "Ich weiß | |
nicht, wie es im nächsten Jahr weitergehen soll." | |
"Eigentlich wundere ich mich über jede, die nicht sofort aufhört", sagt die | |
Vorsitzende des Bremer Hebammenverbandes, Valerie Stabel. Und: "Wir haben | |
richtig Angst." Sie hofft jetzt darauf, dass ab dem 5. Mai möglichst viele | |
BremerInnen eine Online-Petition (epetitionen.bundestag.de) unterschreiben, | |
die die Politik zum Handeln auffordert, das heißt, vor allem Druck auf die | |
Krankenkassen auszuüben. Es gehe schließlich, sagen alle befragten | |
Hebammen, darum, den Schwangeren die Wahlfreiheit darüber zu lassen, wo und | |
wie sie gebären wollen. Nach einer Schätzung der Gesundheitsbehörde finden | |
in Bremen mit vier Prozent doppelt so viele Geburten wie im | |
Bundesdurchschnitt nicht in der Klinik statt. | |
"Vielleicht müssten Hebammen einfach mal streiken", sagt Isabelle Zimmer. | |
Aber dafür seien sie und ihre Kolleginnen wohl einfach zu idealistisch. | |
28 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
Eiken Bruhn | |
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Geburtshilfe | |
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