# taz.de -- Anzeige gegen Sudan-Staudammbauer: Dörfer ohne Warnung geflutet | |
> Der deutsche Konzern Lahmeyer soll Bauern im Sudan von ihrem Land | |
> vertrieben haben. Dörfer seien ohne Warnung geflutet worden. Die Firma | |
> bestreitet die Vorwürfe. | |
Bild: Staudamm im Nordsudan, aufgenommen im August 2007. | |
Erstmals versuchen Juristen, ein deutsches Unternehmen vor hiesigen | |
Gerichten wegen der Missachtung sozialer Menschenrechte in | |
Entwicklungsländern zu belangen. Wegen mutmaßlicher Verstöße im Sudan haben | |
Anwälte eine Anzeige gegen den deutschen Ingenieurkonzern Lahmeyer | |
International eingereicht. Das European Center for Constitutional and Human | |
Rights (ECCHR) wirft Lahmeyer in der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft | |
Frankfurt/Main vor, durch die Überflutungen beim Bau eines Nil-Staudammes | |
im Sudan die ansässigen Bauern von deren Land vertrieben zu haben. | |
In einer Zeugenaussage, die Teil der Anzeige ist, heißt es: "Während des | |
Morgengebetes stieg der Wasserstand des Nils plötzlich stark an, und das | |
Wasser überflutete mein Haus, obwohl es auf sehr hohem Gelände stand. Das | |
Wasser stieg so schnell, dass ich nichts retten konnte, weder das Vieh noch | |
die Möbel noch sonstigen Hausrat." Um den Fluten des Flusses zu entkommen, | |
schreibt der Bauer vom sudanesischen Volk der Manasir, sei er mit seiner | |
Familie in die Berge geflüchtet, wo er sich nicht mehr selbst habe ernähren | |
könne. | |
Das in Berlin ansässige ECCHR unter der Leitung des Anwalts Wolfgang Kaleck | |
wirft Lahmeyer vor, dass die Planungsfirma die Bauern am Nil 2006 und 2008 | |
nicht rechtzeitig gewarnt habe, als der Merowe-Staudamm nach und nach | |
geschlossen wurde. Weil das Wasser des Flusses die Dörfer plötzlich | |
überschwemmte, hätten die Bewohner deshalb keine Chance gehabt, ihr Vieh, | |
ihren Hausstand und ihre Vorräte zu retten. Damit habe Lahmeyer nicht nur | |
Sachbeschädigung und Nötigung verübt, sondern auch gegen das Menschenrecht | |
auf Eigentum, Nahrung und angemessene Unterkunft verstoßen. | |
Der Merowe-Damm 800 Kilometer nördlich der sudanesischen Hauptstadt | |
Khartoum ist das größte Staudammprojekt Afrikas. Lahmeyer aus Bad Vilbel | |
war mit Planung und Koordinierung beauftragt. Der Damm soll Strom und | |
Wasser für die Bewässerung von Agrarflächen liefern. Seit Beginn der | |
Bauarbeiten im Jahr 2000 wurde auch die Umsiedlung von bis zu 70.000 | |
Menschen geplant. Teilweise war aber "diese Umsiedlung zur Zeit der | |
Überflutung noch nicht erfolgt, wie den Beschuldigten bekannt war", heißt | |
es in der Anzeige. | |
Das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück. "Die Anwohner wurden rechtzeitig | |
gewarnt", erklärt Lahmeyer-Manager Egon Failer. "Berater sind jahrelang zur | |
Bestandsaufnahme und Diskussion in die Dörfer gefahren und haben sogar die | |
Dattelbäume gezählt, um die Entschädigung zu berechnen." Auch bei der lange | |
vorbereiteten Umsiedlung in neue Dörfer sei "professionelle Arbeit | |
geleistet" worden, so Failer. Nur eine Minderheit von "200 bis 300 | |
Personen" habe sich geweigert, ihr angestammtes Land zu verlassen, um "von | |
der Regierung eine höhere Entschädigung zu erstreiten". | |
Ob es zu einem Ermittlungsverfahren und einem Prozess kommt, ist schwer | |
abzusehen. Mit der Anzeige betritt das ECCHR juristisches Neuland. | |
5 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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