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# taz.de -- Novelle des EEG: Wie viel darf der Nutzen kosten?
> Am Donnerstag soll die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
> verabschiedet werden. Über einen angemessenen Preis für den Ausbau der
> Erneuerbaren wird erbittert gestritten.
Bild: Vorstellung eines semitransparenten Dünnschicht-Solarmoduls auf der Phot…
"Der lässt sich schön was fördern, ne", sagt Christoph Maria Herbst alias
Stromberg in einem aktuellen Werbespot, als er nach Haus kommt und seinem
Nachbar gerade eine Solaranlage aufs Hausdach installiert wird.
"Umweltprämie fürs Auto. Ökoprämie fürs Haus. Wenns eine Abwrackprämie f�…
seine Frau gäbe, dann säße die aber ratz-fatz im Altenheim." Von ihm aus
könne sein Nachbar sein ganzes Dach "mit diesem Solar-Dingsda
volltapezieren" lassen. "Ich habe Sonne im Herzen. Das ist viel wichtiger."
- "Irgendwann kommt jeder drauf", lautet die Antwort in dem RWE-Werbespot
für finanzielle Förderung von Solarstrom.
Ja, auch die großen Energiekonzerne sind drauf gekommen: Die Produktion von
Ökostrom ist rentabel. Zu rentabel? - Zum zehnjährigen Jubiläum des
Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG, wird diese Frage wieder heiß
diskutiert. Selten dürfte eine Jubiläumsbilanz so umstritten sein, wie in
diesem Fall.
Die mit dem Gesetz verknüpften Ziele zum Ausbau der Ökostrom-Produktion
wurden zwar weit übertroffen, so dass die Anhänger des Gesetzes stolz auf
die erste Dekade blicken. Doch die kritischen Stimmen mehren sich: Im
Mittelpunkt steht die Diskussion, ob das EEG den Strom zu teuer macht. Doch
auch die Fragen, wie viele neue Arbeitsplätze die Branche wirklich
geschaffen hat und welchen ökologischen Effekt das EEG hat, sind
umstritten.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat sich rasant entwickelt. Ihr Anteil
am Stromverbrauch hat sich seit Einführung des EEG fast verdreifacht und
liegt heute bei gut 16 Prozent. Doch so eine Entwicklung - das wird jetzt
deutlich - hat ihren Preis.
Jeder Anlagenbetreiber, so sieht es das EEG vor, erhält einen für 20 Jahre
festgeschriebenen Fördersatz pro Kilowattstunde. Der Preis hängt jeweils
von der Technologie ab - also Windkraft, Solar oder etwa Biomasse. Die
Mehrkosten, die gegenüber konventionellem Strom entstehen, werden auf alle
Stromkunden umgelegt.
Das EEG sieht zudem vor, dass aufgrund wachsender Effizienz der garantierte
Strompreis für neue Anlagen jährlich um gewissen Prozentsatz sinkt. Ebenso
räumt das EEG den Erneuerbaren einen Vorrang ein: Jede Kilowattstunde, die
aus ihren Anlagen kommt, muss von den Netzbetreibern in das öffentliche
Netz eingespeist werden.
Inzwischen haben sich Milliarden Euro angehäuft, die die Allgemeinheit der
Stromkunden über die monatliche Stromrechnung bezahlen muss. Nach Angaben
der Informationsplattform der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber,
eeg-kwk.net, beliefen sich die Kosten für die gesamte Vergütung im Jahr
2008 auf knapp 8,72 Milliarden Euro. Da Jahr für Jahr neue Anlagen
hinzukommen, werden für das Jahr 2015 Kosten in Höhe von etwa 21,95
Milliarden Euro erwartet.
Über einen angemessenen Preis für den Ausbau der Erneuerbaren streiten
Umweltschützer gegen Verbraucherschützer, Politiker und Branchenvertreter
erbittert. So fordert etwa die Verbraucherzentrale Bundesverband eine
Kürzung der Einspeisevergütung um 30 Prozent. "Das EEG ist das richtige
Instrument", sagt Präsident Gerd Billen. "Aber es hat unerwünschte
Nebenwirkungen." Seiner Meinung nach stellten sich die Politiker, die über
das Gesetz entscheiden, nicht die Frage, was das die Verbraucher koste und
ob die Förderhöhe noch angemessen sei. "In den nächsten Jahren wird es zu
hohen Strompreiserhöhungen kommen."
Derzeit liegt die Umlage - also die Differenz zwischen dem Preis für
erneuerbaren und konventionellen Strom, die jeder Kunde pro Kilowattstunde
zahlt - bei etwa zwei Cent. Vor einem Jahr waren es noch 1,1 Cent.
Verbraucherschützer Billen erwartet, dass es auch zum nächsten
Jahreswechsel wegen des weiteren Ausbaus der Erneuerbare-Energien-Anlagen
noch einmal zu einer Verdoppelung kommen und dass ein durchschnittlicher
Haushalt dann etwa 150 bis 170 Euro im Jahr allein für die EEG-Umlage
zahlen werde. "Das sind schon erkläckliche Beträge, die sich auf der
Stromrechnung bemerkbar machen", sagt Billen.
Diese Kritik kennt Hans-Josef Fell, Bundestagsabgeordneter der Grünen,
hinlänglich. "Gerade die Umlage war von Anfang an ein Kritikpunkt der
Gegner", erinnert sich der Mitautor des Gesetzes. Obwohl das EEG im
Koalitionsvertrag der damaligen rot-grünen Bundesregierung gar nicht
vorgesehen war, gab es eine Initiative aus dem Parlament. "Dagegen gab es
damals heftigen Widerstand, vor allem vom damaligen Wirtschaftsminister
Werner Müller", sagt Fell.
Die aktuelle Diskussion dreht sich vor allem um die Förderung der
Solarkraft. Der Sonnenstrom sei zu teuer, die Anlagen zu ineffizient
gegenüber anderen erneuerbaren Energien, heißt es. Zudem biete die
festgeschriebene Einspeisevergütung kaum Innovationsanreize, während die
Anlagen in anderen Ländern, vor allem in China, längst günstiger
hergestellt werden könnten. Um die Kosten einzudämmen, plant die
Bundesregierung die Einspeisevergütung stark zu senken. Derzeit liegt der
garantierte Abnahmepreis beispielsweise für Solarstrom vom privaten
Hausdach bei gut 39 Cent pro Kilowattstunde. Nach den aktuellen Plänen, die
vor kurzem in den Bundestag eingebracht wurden, soll die Einspeisevergütung
einmalig um 16 Prozent gekürzt werden.
Dagegen wettert die Branche und warnt vor Jobverlusten und Insolvenzen -
und lässt sich deshalb auch den Anlass des 10. Geburtstages nicht nehmen,
um vor einer allzu radikalen Absenkung der Fördersätze zu warnen. "Die
aktuelle Debatte um die Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien darf
nicht den Blick auf das Ganze verstellen", sagt der Präsident des
Bundesverbands Erneuerbare Energien, Dietmar Schütz. "Das EEG bringt einen
hohen Nutzen für Arbeitsmarkt, Klimaschutz und Volkswirtschaft." Diese
Erfolgsgeschichte müsse die Politik jetzt fortsetzen.
Doch genau vor dem "Fortsetzen" warnt die Gegenseite. "Hier wird die
Zukunft der nächsten Generationen verspielt", sagt Manuel Frondel vom
Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. "Selbst
wenn die Förderung von heute auf morgen abgeschafft würde, muss der größte
Batzen noch in den nächsten 20 Jahren bezahlt werden."
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft, Klaus
Zimmermann, spricht sich gegen allzu hohe Fördersätze aus: "Wenn manche
Produzenten ohne hohe Subventionen nicht auf dem Markt bestehen können,
dann müssen sie eben ausscheiden."
Dass es nicht darum geht, dauerhaft unrentable Betriebe am Markt zu halten,
ist selbst den EEG-Anhängern klar. Eine Dauersubventionierung wollen auch
sie nicht. Doch ohne die entsprechende politische Unterstützung könne die
Branche noch nicht auf eigenen Füßen stehen. "Zu drastische Kürzungen
würden dazu führen, dass wir keinen Zuwachs mehr bei der Photovoltaik
hätten", sagt DUH-Geschäftsführer Rainer Baake und geht auf
Konfrontationskurs zum Bundesverband der Verbraucherschützer. "Es gab noch
nie eine Energie, die so viel Akzeptanz in der Bevölkerung genoss", so
Baake. "Die Verbraucherzentrale überzieht, wenn sie so Kürzungen um bis zu
30 Prozent fordert."
Wie viel sich eine Gesellschaft sauberen Strom kosten lassen will, ist eine
Frage, um die sich die Diskussion dreht. Doch auch über andere Aspekte
streiten die Kontrahenten. So werden auch die Bilanz und Effektivität des
Gesetzes unterschiedlich bewertet.
Stichwort Arbeitsmarkt: Das Bundesumweltministerium stellte vor kurzem die
Bilanz der Erneuerbaren für das Jahr 2009 vor. Dabei betonte Minister
Norbert Röttgen (CDU), dass die Branche auch im Krisenjahr gewachsen sei.
Die Zahl der Beschäftigten sei inzwischen auf mehr als 300.000 gestiegen.
Dies bedeute allein für 2009 einen Zuwachs von mehr als 20.000 gegenüber
2008.
Klingt gut, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle ist
damit trotzdem nicht ganz einverstanden. Ulrich Blum erklärte kürzlich in
einem Interview mit der Nachrichtenagentur ddp, dass der Arbeitsmarkt "nur
begrenzt" von der Förderung regenerativer Energien profitiere - weil das
Geld in der Regel von allen Steuerzahlern genommen werde, es aber wenigen
gegeben werde, um diese Technologien zu fördern. "Vereinfacht gesagt:
Einfache Arbeitsplätze gehen verloren, um Ingenieurarbeitsplätze zu
schaffen."
Zweites Stichwort Klimaschutz: Laut Umweltministerium resultierte im
vergangenen Jahr eine Vermeidung von rund 109 Millionen Tonnen
Treibhausgasen allein aus dem Einsatz erneuerbarer Energien. Zum Vergleich:
2009 emittierte Deutschland insgesamt, also nicht nur im Energiesektor,
etwa 878 Millionen Tonnen Treibhausgase. Das heißt mehr als die Hälfte des
Kioto-Ziels - 21 Prozent weniger Emissionen bis 2012 im Vergleich zu 1990 -
konnte Deutschland durch den Ausbau der Öko-Energien erzielen.
Klingt auch toll - und wieder kommt ein Gegenargument: "Solange wir einen
Emissionshandel haben, der die Gesamtmenge an Treibhausgasen vorgibt,
entstehen überhaupt keine weiteren Einsparungen durch das EEG", ein
Argument, mit dem Frondel vom RWI immer wieder argumentiert. Seiner Meinung
nach sei der Effekt gleich Null.
Allerdings argumentiert er dabei mit falschen Tatschen. Denn bei der
Festlegung der Menge der Emissionszertifikate wird die eingesparte Menge an
Treibhausgasen durch den Ökostrom-Ausbau bereits einkalkuliert.
Unbestreitbar ist, wie effektiv das EEG die Ausbauziele erreicht und sogar
weit übertroffen hat. Lag der Anteil der Öko-Energien am Stromverbrauch zum
Zeitpunkt der EEG-Einführung noch bei etwa sechs Prozent und speiste sich
vor allem aus alten Wasserkraft-Anlagen, so betrug der Anteil im
vergangenen Jahr bereits 16 Prozent. Der Anteil am gesamten
Endenergieverbrauch, also an Wärme, Strom und Kraftstoffen, überstieg im
vergangenen Jahr erstmals die Zehnprozentmarke (10,1 Prozent). Dieser lag
vor zehn Jahren bei etwa vier Prozent.
Wohl nicht zuletzt deshalb haben sich inzwischen fast 50 Länder das
deutsche Modell zum Vorbild genommen und es mehr oder weniger kopiert. In
Europa beispielsweise Spanien und Frankreich. Weltweit etwa noch vor einem
Jahr Indien und Südafrika. In den USA haben einzelne Bundesstaaten ein
entsprechendes Gesetz beschlossen.
Großbritannien hatte sich hingegen lange gegen das Gesetz gestemmt. Erst
vor wenigen Wochen trat auch dort ein EEG in Kraft. Zuvor hatte die
britische Regierung statt der Einspeisevergütung eine Quotenregel
eingeführt, bei der der Staat die Menge beziehungsweise den Anteil der
Erneuerbaren am Gesamtmarkt vorschreibt. Dies galt zunächst, etwa bei der
Europäischen Kommission, als die marktliberalere Variante.
Doch der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtanteil stagnierte auf
niedrigem Niveau. 2008 lag der Anteil des Ökostroms an der
Gesamtstromproduktion bei 5,5 Prozent - also noch nicht einmal auf dem
Niveau, auf dem Deutschland im Jahr der EEG-Einführung gestartet war. Das
Beispiel Großbritannien dürfte damit womöglich sogar eines der stärksten
Argumente für das EEG sein.
5 May 2010
## AUTOREN
Nadine Michel
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