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# taz.de -- Rekrutengelöbnis: Niederlage für die Bundeswehr
> Ihren 25-jährigen Gründungstag wollte die Bundeswehr 1980 besonders
> würdig feiern. Aber der 6. Mai im Bremer Weserstadion endete mit Krawall.
> Warum?
Bild: "Immer wieder Erfolgsgefühle": Der 6. Mai 1980.
Der "sechste Mai" ist ein Mythos - nicht nur unter "Autonomen". 30 Jahre
ist es her, da kam es vor dem Weserstadion zu einer für Bremen
beispiellosen Schlacht mit der Polizei. Selten war die Polizei so
überrascht über eine Gruppe militanter, gut gerüsteter Demonstranten.
Selten sind so viele friedliche Demonstranten von der Polizei, die offenbar
"Rache" nehmen wollte - egal an wem -, so brutal zusammengeknüppelt worden.
Selten haben so viele, die zu einer friedlichen Demonstration gehen
wollten, am Ende dann doch Steine geworfen. Die Schlacht war, politisch
gesehen, enorm erfolgreich: Zehn Jahre lang gab es danach in der ganzen
Republik keine öffentlichen Vereidigungen der Bundeswehr mehr.
In einer Zeit, in der hunderttausende Friedensdemonstranten auf die Straße
gingen gegen gegen Kanzler Helmut Schmidt (SPD) und den
"Nato-Doppelbeschluss", wollte SPD-Verteidigungsminister Hans Apel mit
seiner Bundeswehr "Flagge zeigen". Zum 25-jährigen Jubiläum sollte es eine
große öffentliche Vereidigung geben, mit Bundespräsident und großem
Zapfenstreich. Apel fragte Parteifreund Hans Koschnick, den Bremer
Bürgermeister, ob das im Weserstadion ginge - und der sagte zu, ohne die
Parteibasis zu fragen.
Die protestierte gegen das "militärische Brimborium" und
"unverantwortliches Säbelrasseln" und zeigte dem Bürgermeister Koschnick
auf diesem Nebenkriegsschauplatz, dass er die Partei nicht dauernd
ignorieren konnte. Es war auch eine parteiinterne Demonstration gegen den
Kurs der Regierung Schmidt. Viele Sozialdemokraten waren an jenem 6. Mai
1980 auf dem Osterdeich, der zum Weserstadion führt.
Weil Demonstranten die Eingänge versperrten, kamen Bundespräsident,
Verteidigungsminister und der Bremer Bürgermeister per Hubschrauber ins
Weserstadion. Die militanten Anti-Kriegs-Gruppen konnten sich nicht
einigen, ob man die Plätze im Stadion frühzeitig "besetzen" sollte, um von
den Rängen aus zu stören, oder alle Tore blockieren.
Am 6. Mai standen dann 100 Polizeibeamte vor dem Zaun, der das Weserstadion
schützen sollte - und sahen sich plötzlich mit mehreren hundert
Demonstranten konfrontiert, die Helme trugen, mit Holzlatten zuschlugen und
auch mit Molotow-Cocktails warfen. Es gab die ersten verletzten Polizisten.
An anderer Stelle hielten Demonstranten vier VW-Busse der Bundeswehr an,
die Richtung Stadion fuhren - die Soldaten flüchteten, ein Bus ging in
Flammen auf.
Die Polizei forderte Verstärkung an - und schlug zurück. Die meisten der
Demonstranten waren ohne Helm gekommen und wollten friedlich demonstrieren.
"Ein paar Rowdies konnte ich den Stein aus der Hand nehmen", erinnerte sich
später Henning Scherf, damals SPD-Jugendsenator, "manche abhalten von
Gewalt. Alle nicht. Bei weitem nicht." Einmal bildeten friedliche
Demonstranten eine Kette zwischen Polizei und Militanten - und wurden von
den Wasserwerfern mit CS-Gas-Beimischung gnadenlos weggespritzt. So mancher
Polizist warf die Steine einfach zurück.
Eine "Schlacht" sei das gewesen, erinnern sich Teilnehmer. Sogar ein
Wasserwerfer wurde zur Strecke gebracht. Von einem "Gewaltexzess gegen
Menschen und Sachen" schrieb später ein Demonstrant, der mit dem Anliegen,
gegen den Aufmarsch von Soldaten zu protestieren, "rein gar nichts zu tun"
gehabt habe.
Als sich am Abend die restlichen Demonstranten zurückziehen wollten,
sperrte die Polizei mit frischen Kräften aus Niedersachsen Nebenstraßen ab
- und schlug noch einmal zu. Gefangene wurden nicht gemacht in dieser
Nacht. Am nächsten Morgen meldete die Nachrichtensprecherin von Radio
Bremen: "Bei der Verteidigung von 1.200 Bundeswehrrekruten ist es gestern
Abend zu schweren Krawallen gekommen."
Dass der 6. Mai zum Mythos in der autonomen Szene werden konnte, liegt
sicherlich daran, dass es über ein, zwei Stunden immer wieder
Erfolgsgefühle gab. Auf eine Million Mark bezifferte die Polizei ihren
Sachschaden und meldete über 250 Verletzte. Dass die militanten
Demonstranten die Polizei überraschen konnte, lag daran, dass sie eher
unkoordiniert agierten - es waren Reste von kommunistisch orientierten
Gruppen, die ihre Schlagkraft beweisen mussten, und autonome
Anti-Kriegs-Gruppen.
Es ist auf den ersten Blick verwunderlich, dass die Bundeswehr 30 Jahre
danach kaum noch Ziel derart großer Proteste ist, obwohl sie doch - unter
wesentlicher Mitwirkung eines alten "Militanten", des grünen Außenministers
Joschka Fischer - im Kosovo oder in Afghanistan in Kriegseinsätzen
unterwegs ist. Der Zusammenbruch des Ostblocks hat offenbar dem Thema
Bundeswehr seine Bedeutung genommen.
Auch wenn viele Demonstranten vor 30 Jahren pazifistisch motiviert waren -
die Organisatoren waren es keineswegs. Die DKP-orientierten
"Friedensgruppen" wollten die Bundeswehr im Interesse der DDR im Misskredit
bringen, die maoistischen und autonomen Gruppen setzen darauf, mit
quasi-militärischen Mitteln die Nato zu schwächen. Vom "Frieden" träumten
sie höchstens für die klassenlose Gesellschaft.
5 May 2010
## AUTOREN
Klaus Wolschner
Klaus Wolschner
## TAGS
Linke Szene
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