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# taz.de -- Die Vorfahren des Menschen: Der Neandertaler in uns
> Der Neandertaler ist doch ein Vorfahr heutiger Menschen. Außerhalb von
> Afrika zeugten Homo sapiens und der Neandertaler gemeinsame Nachkommen.
Bild: Die Rekonstruktion einer Gruppe Neandertaler im Neandertaler Museum in Kr…
BERLIN taz | Nun ist es bewiesen: Neandertaler und die Vorfahren des
modernen Homo sapiens hatten nicht nur Sex miteinander, sondern auch
gemeinsame Nachkommen - und diese haben sich auch fortgepflanzt. So oft und
dicht näherten sich die Wege der knollennasigen "Höhlenbewohner" und der
Vorfahren des modernen Menschen einander, dass Kontakte aller Art zwischen
ihnen nie auszuschließen waren. Aber die Vererbung genetischer Merkmale von
einer Gruppe in die andere hielten viele Wissenschaftler bisher für
unmöglich.
Dass es dennoch dazu kam, belegt in der aktuellen Ausgabe des
Wissenschaftsmagazins Science die Dokumentation einer über vier Jahre
betriebenen Gen-Sequenzierung. Ein internationale Forschergruppe unter
Leitung von Professor Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut für
evolutionäre Anthropologie verglich bei dieser wissenschaftlichen Tour de
Force DNA-Proben aus etwa 40.000 Jahre alten Neandertaler-Knochen mit den
Genomen von fünf unserer Zeitgenossen aus China, Frankreich,
Papua-Neuguinea, Südafrika und Westafrika.
Das Neandertaler-Genom sequenzierten sie immerhin zu 70 Prozent. Ihr
Schluss: Nicht Afrikaner, wohl aber Europäer, Asiaten und
Papua-Neuguineaner tragen heute zwischen 2 und 4 Prozent
Neandertaler-Erbgut in sich. Die Erklärung ist einfach: Homo sapiens und
der Neandertaler haben beide ihre Ursprünge in Afrika. Die Neandertaler
verließen diesen Kontinent lange vor den Jetztmenschen in Richtung auf
Europa, Vorderasien und Südsibirien.
Jene unserer Vorfahren, die Afrika ebenfalls den Rücken kehrten, wandte
sich zunächst dem Mittleren Osten zu. Vor etwa 100.000 bis 50.000 Jahren,
noch bevor sie sich in Europa und Asien in verschiedene ethnische Gruppen
aufspalteten, vermischten sie sich mit dort ansässigen Neandertalern. Vor
30.000 Jahren starben diese aus.
Das in Leipzig analysierte halbe Milligramm Knochenpulver stammt von Funden
aus Kroatien, Spanien, Russland und auch von dem 1856 zuerst entdeckten
Exemplar, dem im deutschen Neandertal an der Düssel gefundenen Skelett
eines Mannes, der der Art ihren Namen gab. Er wies alle wesentlichen
Merkmale seiner Gruppe auf: große Nase, fliehende Stirn, eine kräftige
Kinnlade und starke Beine und Füße.
Anders als oft dargestellt gingen die Neandertaler aufrecht. Sie verfügten
über eine weitgehende Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Lagern,
bemalten Schmuck aus Muscheln, behandelten ihre Verwundeten und begruben
liebevoll ihre Nächsten. Das im Erbgut von Mensch und Neandertaler
identische Gen Foxp2 gilt als entscheidend für die Sprachentwicklung.
Es sind aber die Unterschiede, denen das Hauptaugenmerk Pääbos und seines
Teams auch weiterhin gelten wird. Sie wollen herausfinden, was dem modernen
Menschen so große Überlebensvorteile einbrachte. Solche Unterschiede
entdeckten sie bereits in Genen, die mit kognitiven Funktionen
zusammenhängen, mit dem Stoffwechsel, der Entwicklung des Schädels oder
Brustkorbs. Wie diese sich auswirkten, können die Wissenschaftler noch
nicht sagen.
"Wir wissen nicht, ob der Neandertaler blaue Augen oder braune Haare hatte.
Unsere Aussagen über seine Verwandtschaft mit uns heute entstammen erst mal
reiner Statistik. Wir haben über das ganze Genom sozusagen erst mal
drübergeschaut und festgestellt, da gibt es bei Europäern und Neandertalern
mehr Ähnlichkeiten in den Sequenzen als unter Afrikanern und
Neandertalern", sagt Johannes Krause, Mitarbeiter im Pääbo-Team.
Ein Problem für die Forscher bildete die starke Verunreinigung der alten
DNA mit dem Erbgut von Mikroben, Pilzen und sogar Archäologen. Die Forscher
bearbeiteten die Proben in Reinsträumen, reparierten die eigentlichen
Neandertaler-DNA-Sequenzen und markierten sie so, dass dies deren
Kontaminierung mit fremdem Erbgut während der eigentlichen Sequenzierung
ausschloss. Insgesamt werteten die Wissenschaftler vier Milliarden
DNA-Basenpaare aus.
Die Entwicklung neuer Sequenziermaschinen hat diesen Durchbruch ermöglicht.
"Das menschliche Genom wurde um das Jahr 2000 weltweit in einigen tausend
Labors entschlüsselt mit einer Technologie, die es erlaubte, 50 bis 1.000
DNA-Sequenzen mit einem Mal zu bestimmen", sagt Johannes Krause: "Die
Arbeit dauerte damals 13 Jahre und kostete 1,5 Milliarden Euro. Heute
erbringen wir diese Leistung innerhalb einer Woche für 5.000 Euro."
7 May 2010
## AUTOREN
Barbara Kerneck
## TAGS
DNA
Neandertaler
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