# taz.de -- Kommentar Bildungspolitik: Reise nach Absurdistan | |
> Für seine polemische Reise nach Absurdistan erhält Roland Koch sogar | |
> Rückendeckung vom CDU-Wirtschaftsrat. Beim Sparen bei Bildung und | |
> Familien dürfe es keine Tabus geben. | |
BERLIN taz | Wir müssen Roland Koch natürlich danken. Nach dem | |
CDU-Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen hat der visionärste aller | |
CDU-Ministerpräsidenten das Erfolgsrezept der Union wiederentdeckt: die | |
Rolle rückwärts. Koch will, dass die Bundesregierung den Sparstift vor | |
allem auch bei Bildung und Familie ansetzt. Und für seine polemische Reise | |
nach Absurdistan erhält der Mann sogar Rückendeckung vom | |
CDU-Wirtschaftsrat. Beim Sparen bei Bildung und Familien dürfe es keine | |
Tabus geben. | |
Wir erinnern an die Zahl der Woche: 750 Milliarden Euro presst die | |
Europäische Union mal eben aus der Hüfte, nacht- und nebelig, ehe nachts | |
noch die Aktienmärkte am anderen Ende der Welt öffnen. Das ist innerhalb | |
von wenigen Stunden möglich. Im Gegensatz dazu: 327 Milliarden Euro beträgt | |
das komplette Jahresetat des deutschen Bundeshaushalts 2010, aus dem alles | |
Gesellschaftliche bezahlt wird. Straßenbau und Kindergeld, Hartz IV und | |
Bildungsausgaben. Hier wird um jeden Cent gerungen, minutiös und superzäh. | |
Kurz nachdem die EU die revolutionärste Finanzmarktspritze ihrer Geschichte | |
beschließt, kommt Koch mit derber Sparpolemik zum Thema Bildung. Er sagt, | |
die Märkte retten wir in Nächten, das ausgrenzende, darbende Bildungssystem | |
- DAS soziale Nachhaltigkeitsthema schlechthin - interessiert uns in | |
Jahrzehnten nicht. Was ist das anderes als eine offene Kampfansage? Es ist | |
ein Klassenkampf von oben und, leider, ja, des Kapitals. | |
Kochs plumpe Derbheit ist dennoch zu begrüßen. Sie offenbart den harten | |
Kern der christdemokratischen Hintergedanken, die auch von den parteilichen | |
Öffnungsversuchen der Kanzlerin nicht überdeckbar sind. Sie zeigt nach der | |
Wahl in Nordrhein-Westfalen zum Glück auch: Die Köpfe dieses Klassenkampfs, | |
die Krisenkönige sind abwählbar. | |
14 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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