# taz.de -- Die Idee der Ökumene: Zäher Groove, zarte Bande | |
> Vielen Kirchentagsbesuchern fällt es schwer, die Brücke zur anderen | |
> Konfession zu schlagen - außer im Gesang. Doch die stillen Stars sind | |
> Fulbert Steffensky und Otto-Hermann Pesch. | |
Bild: Trotz aller Rhetorik: Das große ökumenische Wir-Gefühl will in Münche… | |
MÜNCHEN taz | Und dann ist es, Gott sei Dank, doch wie immer: Von weit | |
hinten in der S-Bahn sind Kirchenlieder zu hören, gesungen von einer | |
beseelten Jugendgruppe. Die rund zehn Jugendlichen hier in der Mitte des | |
Waggons zögern dagegen noch, ob sie mit einstimmen sollen, ganz so cool ist | |
das ja nicht, selbst auf dem Ökumenischen Kirchentag in München. | |
Ein etwas selbstsichereres Mädchen schlägt „Laudato si“ vor oder wenigste… | |
„Damit ihr Hoffnung habt“, den Kirchentagssong der christlichen | |
Hip-Hop-Band „Wise Guys“, schließlich sei der Song „endgut“. Aber eini… | |
kann man sich dann doch nur auf den Gröhlsong „Eisgekühlter Bommerlunder“. | |
Die Stimmung wird zusehends anders-christlicher. Ein Jugendlicher erklärt | |
laut und großmäulig, nach der Konfirmation gehe er bestimmt nicht mehr in | |
den Gottesdienst. Und das längst singbereite Mädchen meint in einer | |
überraschenden Grundsatz-Sentenz, sowohl Katholiken wie Protestanten seien | |
zwar gläubig – aber Protestanten „cool gläubig“. | |
Wie steht es um die Ökumene auf diesem Kirchentag, dessen Wesen ja dadurch | |
geprägt sein soll, folgt man seinem Namen - wie steht es um das Gemeinsame, | |
um das zu Überbrückende zwischen Katholen und Evangelen? Das Zusammenspiel | |
der Konfessionen ist rein zahlenmäßig wohl das bestimmende Thema des großen | |
Christentreffens, von den rund 3.000 Veranstaltungen sind ein paar Hundert | |
diesem mühsamen, womöglich mühseligen Feld gewidmet. | |
Aber ein gemeinsames Abendmahl, das deutlichste Zeichen gegenseitiger | |
Verbundenheit, will die katholische Seite nicht wagen, nachdem zwei Pfarrer | |
brutal zurecht gewiesen wurden, als sie vor sieben Jahren am Rande des | |
ersten Ökumenischen Kirchentags solche Feiern zelebrierten. Einerseits | |
wollen die in München versammelten Laien dieses Jahr nicht schon wieder | |
zwei katholische Priester 'verbrennen', andererseits Rom nicht verprellen. | |
So findet auch in der bayerischen Landeshauptstadt die ganz große | |
Verschwisterung mit Hilfe eines gemeinsamen Abendmahls nicht statt. Und ab | |
und zu blitzen auch hier die Differenzen auf, die es zwischen den | |
Glaubensbekenntnissen gibt – etwa als der eindeutige Star des Kirchentags, | |
die wegen einer Alkoholautofahrt zurückgetretene Ratsvorsitzende der | |
Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, am Donnerstag auf die | |
prima Idee kommt, die Pille anläßlich ihres 50. Jubiläums ein „Geschenk | |
Gottes“ zu nennen. Das finden konservative Katholiken nicht so einladend. | |
Dennoch herrscht natürlich ein ökumenischer Geist auf dem Kirchentag. Und | |
vielleicht am schönsten wird das deutlich beim sehr gut besuchten | |
Zwiegespräch zwischen zwei alten Recken der ökumenischen Bewegung. Da ist | |
der ehemalige katholische Benediktiner-Pater Fulbert Steffensky, der zum | |
Protestantismus konvertierte und mit der verstorbenen Jahrhunderttheologin | |
Dorothee Sölle verheiratet war. Und an seiner Seite der in der | |
Glaubensszene berühmte katholische Theologe Otto Hermann Pesch, der an | |
einer evangelischen Fakultät der Universität Hamburg lehrte. Es sind | |
theologische Brückenbauer der Spitzenklasse, so unwahrscheinlich in ihrer | |
Biographie, dass sie noch nicht einmal erfunden sein könnten. | |
Im Saal B0 des Messegeländes reden sie am Donnerstagnachmittag, poetisch | |
beide auf ihre Weise, von der Rechtfertigungslehre, einem ziemlich | |
sperrigen Thema, das vor allem für Protestanten das Kernstück ihrer | |
Theologie ist. Und wie sich da die beiden alten Herren, die sich duzen, die | |
theologischen Bälle beinah freundschaftlich gewogen zuwerfen, sich sanft | |
gegenseitig korrigieren und am Ende beinahe zärtlich-traut die Hände beim | |
Schlussapplaus geben – das muss jeden rühren, dessen Herz auch nur ein ganz | |
klein bisschen für die ökumenische Sache schlägt. | |
Der Absturz nach diesem kleinen Hochamt der christlicher Brüderliebe folgt | |
kurz danach am Eingang des „Circus Krone“. Hier soll ein Abend der | |
Kabarettisten Eckart von Hirschhausen und Jürgen Becker zum Thema Ökumene | |
stattfinden – eine schöne Idee, aber die Sache geht voll in die Hose, denn | |
Tausende Menschen, die in den Veranstaltungsort wollen, drücken sich vor | |
dem Eingang fast tot. Da ist sehr wenig von christlicher Nächstenliebe zu | |
spüren, eher ein Stück von der Roheit am Rande von Fußballstadien. Es ist | |
fast ein kleines Wunder, dass bei diesem abstoßendem Gedränge niemand krank | |
gequetscht wurde. | |
Viel zivilisierter geht es dann am Freitagabend bei dem ökumenischen | |
Höhepunkt des Kirchentags auf dem Odeonsplatz in der Münchner Innenstadt | |
zu. Es ist eine Art orthodoxe Agape-Feier, das heißt das gemeinsame Essen | |
gesegneten Brotes an 1.000 Tischen unter freiem Himmel. Fast alle Tische | |
sind auch besetzt, das Fernsehen hat seine Bilder. Aber auch hier mag das | |
große ökumenische Wir-Gefühl nicht so recht aufblühen, zu fremd und zu | |
steif wirken die orthodoxen Riten mit uralten Gebeten, viel Weihrauch und | |
fremden Riten auf das Publikum. Auch das Wetter spielt nicht mit, es ist | |
stark bedeckt, ja ausgesprochen kalt für einen Maienabend. Nur wenig | |
spirituelle Ergriffenheit ist denn auch hier zu spüren, eher touristisches | |
Interesse, was es so alles gibt. Immerhin, die Musik der drei Chöre ist | |
wunderbar. | |
Dennoch, natürlich gibt es auch in München die Momente des ökumenischen | |
Wohlklangs – aber die sind am ehesten, wie bei dem Gespräch zwischen | |
Steffensky und Pesch, bei den eher kleinen Veranstaltungen zu erleben. Am | |
Donnerstagabend beispielsweise in einem kleinen Zirkuszelt im Münchner | |
Stadtteil Laim. Die evangelische und katholische Gemeinde des Ortes hat zu | |
einem Gospelgottesdienst eingeladen, und sieht man einmal davon ab, dass | |
Weiße es sowieso mit dem Soul eher schwer haben, macht der Chor seine Sache | |
doch ziemlich gut. Die Sängerinnen und Sänger singen die Klassiker wie | |
„When the Saints“ und einen Hit aus dem Hollywoodfilm „Sister Act“, und | |
manchmal groovt auch das Publikum mit. Das kommt dann, wie auch die | |
gemeinsamen Gebete, so leicht und zugleich innig daher, dass man sich am | |
Ende schon fragt: Wo war noch mal das Problem mit der Ökumene? | |
15 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
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