# taz.de -- Naturschutz: Ein Tausch am See | |
> Ein Lübecker Unternehmer schlägt der Stadt vor, die Straße vor seiner | |
> Firma großzügig zu sanieren. Im Gegenzug möchte er den kommunalen Anteil | |
> vom Blankensee. | |
Bild: Nahe des Lübecker Flughafens liegt der Blankensee. Auf den spekuliert nu… | |
Ein wahrhaft verlockendes Angebot hat der Unternehmer Winfried Stöcker der | |
Stadt Lübeck da gemacht. Der Chef der Labordiagnostik-Firma Euroimmun | |
schlägt der klammen Kommune vor, auf eigene Kosten eine Straße zu sanieren. | |
Die führt an seiner Unternehmenszentrale entlang und ist spätestens seit | |
dem vergangenen Winter von Schlaglöchern übersät. "Ich schäme mich vor | |
unseren ausländischen Gästen wegen des Straßenzustands", sagte Stöcker den | |
Lübecker Nachrichten. Deshalb sei er bereit, mehr als 200.000 Euro | |
auszugeben, um den Seekamp wieder flott zu machen. | |
Mit dem eingesparten Geld solle die verschuldete Hansestadt "lieber Kitas | |
bauen", sagte Stöcker. Euroimmun kann sich solche Almosen leisten: 2007 | |
fuhr die Firma einen Umsatz von knapp 46 Millionen Euro ein, weltweit gibt | |
es rund 900 Mitarbeiter. Und während Bürgermeister Bernd Saxe (SPD), die | |
CDU und die Industrie- und Handelskammer den Unternehmer für seine | |
"zupackende Art" und die "schöne Geste" loben, legt Stöcker sogar noch | |
einen drauf. So schlägt er der Stadt vor, eine ausgedehntere Sanierung des | |
Seekamps gegen zehn Prozent des Blankensees zu tauschen. Da Stöcker seit | |
Januar 2010 bereits 90 Prozent des an sein Unternehmen angrenzenden Sees | |
besitzt, fehlt ihm nur noch der Anteil der Kommune. "Ich bin an einem | |
Tausch interessiert", sagt er. | |
Allerdings gehört der Blankensee zum 345 Hektar großen Naturschutzgebiet | |
Grönauer Heide. Lübecks Umweltschützer rätseln deshalb, warum Stöcker das | |
Tauschgeschäft vorschlägt. Stöcker selbst lässt sich von seiner Sekretärin | |
entschuldigen. "Keine Stellungnahme", lautet die Antwort. | |
"Das ist eine brisante Geschichte", sagt Hans-Jürgen Schubert, grüner | |
Vorsitzender des Umweltausschusses in der Bürgerschaft. Schließlich wurde | |
der See von der Stadt erst vor wenigen Monaten saniert. Der nahe gelegene | |
Flughafen hatte jahrelang seine Abwässer in das flache Gewässer geleitet. | |
Durch die Enteisungsmittel war der Sauerstoffgehalt im Blankensee | |
dramatisch gesunken. | |
Der Lübecker Naturschutzbehörde zufolge müsste sich auch Winfried Stöcker | |
als Privateigentümer an die geltenden wasserrechtlichen Vorschriften sowie | |
an die Landesverordnung über das Naturschutzgebiet Grönauer Heide halten - | |
theoretisch. Denn in der Praxis ist Stöcker, der den Erhalt des bankrotten | |
Flughafens unterstützt, nicht unbedingt als Naturfreund bekannt. | |
Als er 1998 sein Unternehmen nach Lübeck verlegte, kaufte er für seinen | |
Firmensitz einen halben Hektar des Kasernengeländes am Blankensee. Brigitte | |
Dowideit vom Lübecker Naturschutzbund (Nabu) erinnert sich, dass daraus | |
dann ein Gewerbegebiet werden sollte. "Das war ein echtes Traumgrundstück", | |
sagt sie. Also klammerte die Baubehörde das Waldstück aus den Plänen | |
Stöckers aus - und er fällte trotzdem Bäume. Dowideit gegenüber sagte er, | |
dass dadurch die Büros seiner Mitarbeiter heller werden würden. "Vor den | |
Fällungen gab es dort Saatkrähenkolonien, Eulen, Fledermäuse und den | |
Pirol", sagt die Nabu-Aktivistin. Doch die seien nun alle verschwunden. | |
Peter Reinhardt, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion ist weniger | |
skeptisch. "Wir begrüßen diesen Tausch", sagt er. Eine gut sanierte Straße | |
gegen ein Stückchen See, das sei ein "gutes Geschäft". Der | |
Koalitionspartner Linkspartei möchte den Vorschlag erst einmal prüfen | |
lassen. "Aber eigentlich steht die Linke nicht dafür, Stadteigentum zu | |
veräußern", sagt Fraktionsgeschäftsführer Ragnar Lüttke. | |
21 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Uta Gensichen | |
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