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# taz.de -- Kolumne Das Schlagloch: Offizieller Aufrüster der WM
> Der deutschen Rüstungsindustrie geht es auch in der Krise weltmeisterlich
> gut. Und mit Schulden lässt sich alles erreichen.
Folgende epochale Rede unseres Außenministers Guido Westerwelle, gehalten
im Poseidon-Tempel zu Athen im Februar dieses Jahres, ging im
finanzmerkelischen Trubel der letzten Monate leider unter. Sie sei hiermit
nachgereicht:
"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Hellenen, wir sind in einer
Schicksalsgemeinschaft. Gemeinschaft bedeutet Solidarität, Solidarität
besagt Mitgefühl, Mitgefühl beinhaltet Mitsparen, Mitsparen bedingt Opfer
auf beiden Seiten - und diese Opfer wollen wir tapfer tragen.
Aber doch nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten - oder, anders
formuliert, die Fregatte mit dem Sparpaket untergehen lassen. Uns verbindet
doch eine gegenseitige Anziehung. Wir haben schöne Waffen, Sie haben schöne
Menschen. Wir haben schnieke U-Boote der Klasse 214 mit
Brennstoffzellenantrieb, Sie haben die Akropolis. Wir haben blitzschnelle
Mehrzweckkampfflugzeuge der Marke ,Eurofighter Typhoon', Sie haben
Tsatsiki. Wir haben potente Kampfpanzer des Typs ,Leopard 2' mit
120-Millimeter-Glattrohrkanonen, Sie haben Sirtaki. Wir haben, was Sie
nicht brauchen, und Sie haben kein Geld. Da heißt es, zusammenzustehen.
Wir werden Sie nicht verhungern lassen. Uns eint - ich habe es ja schon
vorhin unmissverständlich deklariert (verzeihen Sie, dass an diesem
geschichtsträchtigen Ort die rhetorischen Gäule mit mir durchgehen) - eine
Schicksalsgemeinschaft, die wahrhaftigste aller Schicksalsgemeinschaften,
jene zwischen Verkäufer und Käufer. Was könnte heiliger sein? Mögen die
Zahlen für sich sprechen: 13 Prozent unserer Waffenexporte gehen an Sie,
liebe Hellenen, kein anderes Land wird von uns großzügiger bedacht - nur
die Türkei erhält 14 Prozent, ein klitzekleines bisschen mehr. Sie haben
bestimmt Verständnis dafür: die Nato hat den Zweck, Krieg nach außen zu
tragen und zwischen Mitgliedsländern zu verhindern. Diesem Anspruch genügen
wir, in dem wir durch paritätische Abschreckung vorbeugen.
Seien Sie unbesorgt, wir lassen Sie in dieser historischen Sekunde nicht im
Stich. Wir sind in Europa die größten Exporteure, Sie sind die größten
Importeure - unsere Verbindung ist von den Göttern gestiftet worden.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen ihrer großen Vordenker zu zitieren:
,Wenn ein Mensch behauptet, mit Geld lasse sich alles erreichen', schrieb
einst Aristoteles, "darf man sicher sein, dass er nie welches gehabt hat.'
Wie wahr, liebe Freunde. Wir wissen es besser: mit Schulden lässt sich
alles erreichen. Und bei wem verschuldet man sich lieber, wenn nicht bei
seinem treuesten Waffenlieferanten?
Deswegen erkläre ich ohne Wenn und Aber: wir lassen Sie nicht im Regen
stehen. Sie können weiterhin bei uns anschreiben. Und weil es gute Sitte
ist, sich in diese mächtigen Säulen einzukritzeln, will ich hier, neben dem
Namen von Lord Byron, der einst für Ihre Freiheit gekämpft hat, als Bürge
ihrer zukünftigen Sicherheit festhalten: 6 x U 214 = 3.000.000.000 Euro.
Denn, wie wir zu Hause so gerne sagen: Geteiltes Sparen ist doppelte
Freude."
Liebe Leserinnen und Leser, Sie werden sich vielleicht wundern, wieso Ihre
tageszeitung Ihnen diese Rede vorenthalten hat. Die Antwort erhalten Sie,
wenn Sie bei "google news" die Stichworte "Griechenland Rente" eingeben.
Sie werden auf etwa 900 Treffer verwiesen werden. Suchen Sie hingegen nach
"Waffenexporte Griechenland", werden Ihnen ganze zwölf Treffer angeboten.
Die Medienmeinung hat sich offensichtlich darauf eingeschossen, in den viel
zu hohen griechischen Renten einen Verursacher der Schuldenkrise zu
entlarven - und nicht in dem aufgeblähten und überflüssigen Militärapparat.
Deswegen kursieren selbst in seriösen Publikationen absurde Behauptungen -
etwa, dass der gemeine griechische Rentner bislang 95 Prozent seines
letzten Nettogehalts als Rente bezogen habe. Die Fußnote, dass sich diese
Angabe allein auf das Grundgehalt im öffentlichen Dienst beziehe, ohne
Hinzuziehung jedweder Zuschläge, ist eingespart worden. Ebenso der Hinweis
darauf, dass die Griechen erheblich weniger Rente erhalten als die
Deutschen und auch nicht, wie oft behauptet wird, im Durchschnitt früher
pensioniert werden. Wer was zahlen soll, ist umstritten. Einvernehmen
herrscht aber darüber, dass ohne unsere Rüstung nie wieder ein Krieg
ausgehen soll.
Wissen Sie übrigens, wer der drittgrößte Abnehmer deutscher Waffen ist? Ja,
die Nation der Bafana Bafana, der Ausrichter der Fußballweltmeisterschaft
2010: Südafrika. Ein Land, das zwar zehnmal so viele soziale Probleme hat
wie Griechenland, dafür aber keine natürlichen Feinde (es grenzt nur an
Namibia, Botswana, Lesotho, Swaziland und Mosambik).
## Charme deutscher Fregatten
Wenn sich die Südafrikaner eine gute Schlacht gönnen wollten, müssten Sie
einen Ozean überqueren. Vielleicht bestellt die südafrikanische Marine
daher eifrig bei "ThyssenKrupp Marine Systems". Regiert wird das Land
übrigens von einem Mann, Präsident Jacob Gedleyihlekisa "Msholozi" Zuma,
der seine privaten Finanzen an Geschäften mit französischen Fregatten
gesundgestoßen hat.
Immerhin muss man sich keine Sorgen mehr um die Sicherheit der
Weltmeisterschaft machen. Die südafrikanischen Organisatoren haben sich
resolut am Riemen gerissen und unter anderem einen
10-Kilometer-Polizeikordon um das Moses-Mabhida-Stadion in Durban
zugesichert (das atemberaubend schöne Stadium ist vom deutschen
Architektenbüro gmp projektiert worden). Afrikanische Elemente werden
zurückgedrängt - so auch die Frauen, die normalerweise vor den Stadien pap
(Polenta) and vleis (Fleisch) verkaufen. Stattdessen lässt die Fifa für
viel Geld aus Deutschland importierte Markisezelte von einer deutschen
Baufirma aufstellen.
Vor dem ersten Spiel am 13. Juni zwischen Deutschland (Siemens) und
Australien (66 Milliarden schwerer Auftraggeber; neue U-Boote) werden neben
vielen anderen paramilitärischen Einschüchterungen "Überflüge von
Kampfflugzeugen" garantiert.
Und das Motto der WM wird lauten: Zu Gast bei guten Kunden.
25 May 2010
## AUTOREN
Ilija Trojanow
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