# taz.de -- Androgyne Mode: "Mann und Frau nähern sich an" | |
> Wenige Modemacher entwerfen so weiche und erotische Männerbilder wie | |
> Damir Doma, frei von allen Klischees und Stereotypen. Doma sagt: Männer | |
> und Frauen werden sich körperlich immer ähnlicher. | |
Bild: Fließende Mannsbilder. | |
taz: Herr Doma, ist Ihnen das Spiel mit Geschlechtlichkeit wichtig? | |
Damir Doma: Die Leute verwechseln das immer. Viele denken, das sei so für | |
mich. Mir geht es aber gar nicht um das Geschlecht, sondern um das | |
Individuum. Da ist meine letzte Show vielleicht ein gutes Beispiel. Da | |
waren bei den Männer verschiedene Charaktere, und es ging darum, für jedes | |
Outfit den Richtigen zu finden. Mir fehlt das in der Männermode. Die Mode | |
für Männer stammt ja von Uniformen ab, und so sieht sie auch meistens aus. | |
Sie brechen also nicht damit? | |
Mir geht es um Mann und Frau, aber unterbewusst. Ich versuche, Mann und | |
Frau nicht in Boxen zu stecken, so wie es aber die Gesellschaft macht. | |
Und wie ändern Sie diese Art des Denkens? | |
Männer haben wie Frauen verschiedene Charakterzüge. Die Kleidung ist ein | |
Mittel, sich auszudrücken, und deswegen fand ich das so schade, dass immer | |
nur eine Seite davon gezeigt wird. Es gab Designer wie Jean-Paul Gaultier, | |
die schon versucht haben, das zu ändern. Aber das wirkte so unnatürlich, | |
das ging in eine extreme schwule Richtung. Das ist überhaupt nicht negativ | |
gemeint. Es wurde eher ein Mann gezeigt, der eigentlich gern eine Frau | |
wäre. Männer haben auch sehr weiche Züge, genauso wie Frauen. Das wird aber | |
in unserer Gesellschaft nur schwer akzeptiert, jeder spielt seine Rolle. | |
Und Mode, vor allem Männermode, hat ja viel mit Rollenspielen zu tun. | |
Deswegen arbeite ich sehr wenig mit klassischen Modereferenzen wie Anzug, | |
Smoking und Krawatte. | |
Warum nicht? | |
Das interessiert mich eigentlich gar nicht, und das gibt es ja auch schon | |
zuhauf. Wenn ich auch damit arbeiten würde, hätte ich keine | |
Daseinsberechtigung. Ich will Neues erschaffen. Ab dem Punkt, wo ich das | |
nicht mehr kann, ist es nur noch ein Produkt. Ich habe schon den Anspruch, | |
mehr zu kreieren. Meine Silhouette ist sehr weich, das liegt aber viel an | |
der Art und Weise, wie ich Stoffe verarbeite. Ich versuche, die Sachen so | |
roh wie möglich zu halten und nicht viel zu bekleben, zu bearbeiten und zu | |
verändern. Das ist die DNA des Labels. Es ist roh, pur und hat eine weiche | |
Seite. | |
Ihre Männerkollektionen waren von Anfang an auch für Frauen interessant. | |
Ja, natürlich. Deswegen war jetzt der Zeitpunkt, eine Frauenkollektion zu | |
machen. Die Idee gab es schon immer, und ich konnte das nicht mehr lange | |
aufheben. Denn irgendwann trägt man die Überschrift "Männerdesigner" auf | |
der Stirn. Es war schon immer so, dass viele Frauen der Kollektion gefolgt | |
sind. Ich glaube, da geht es eher um eine Grundphilosophie und nicht um | |
Mann oder Frau. | |
Ihre Sommerkollektion für Herren ist sinnlich, fast schon sexy. Ihre | |
Frauenmode hingegen verzichtet auf Körperbetontes, was aber gerade viele | |
andere Designer machen. | |
Genau das ist mein Antrieb: Ich will nicht einfach machen, was die anderen | |
machen. Jemand, der sich wirklich auskennt und sich meine Mode nicht | |
voreingenommen anschaut, der kann nicht behaupten, dass ich das Gleiche wie | |
Rick Owens, Ann Demeulemeester oder Haider Ackermann mache. | |
Sind die Sachen aus den beiden Kollektionen austauschbar? | |
Das kann man so im Allgemeinen nicht sagen. Es gibt ja heute viele Männer, | |
die eine androgyne Figur haben. Es gibt ein paar Oversized-Sachen, die | |
können beide tragen. Da geht es dann eher um das Konzept. Aber die meisten | |
anderen Teilen sind sehr auf den Frauenkörper zugeschnitten. Das könnte ein | |
Mann nur schwer tragen. Aber es gibt in Asien Körper, die sehr androgyn | |
sind. Und das ist natürlich interessant. Tatsache ist ja, dass sich Mann | |
und Frau körperlich schon sehr annähern, finde ich. | |
Zerstören sich nicht einfach die Stereotype? | |
Es ist so, dass in den Achtziger- und Neunzigerjahren das männliche Ideal | |
ein anderes war. Da ging es dann schon viel um dieses klassisches | |
Muskelding. Als ich angefangen habe, sahen die Models anders aus, sehr | |
sportlich. In den letzten Jahren hat sich das sehr geändert. Es sind andere | |
Typen gefragt, das fängt bei den Modeschauen an und kann bis auf die Straße | |
reichen. Die 18-jährigen Jungs wollen anders aussehen als vor zehn Jahren. | |
Also ein natürlicher Prozess? | |
Ja, so würde ich das sagen. Mode ist ja Veränderung. Es geht immer um den | |
Wechsel. Dafür wurde es langsam Zeit, weil wir seit acht Jahren das Gleiche | |
machen. | |
27 May 2010 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
## TAGS | |
Mode | |
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