# taz.de -- Kaum Hoffnung auf schnelles Ende: Ölflut hat gerade erst begonnen | |
> Es gibt kaum Hoffnung auf ein schnelles Ende der Ölpest im Golf von | |
> Mexiko. Andernorts gehen die höchst umstrittenen Bohrungen in der Tiefsee | |
> weiter. | |
Bild: Durchweichte Barrikaden: Sie konnten das Öl nicht aufhalten. | |
"Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor", erklärte Carol Browner, oberste | |
Energieratgeberin von US-Präsident Obama, am Sonntagabend. Bis zu 150 | |
Millionen Liter Öl sind in den letzten sechs Wochen womöglich schon in den | |
Golf von Mexiko geströmt. Nun könnten noch einmal doppelt so viel | |
dazukommen, bis eine realistische Chance besteht, das Leck der gesunkenen | |
Ölplattform "Deep Horizon" in den Griff zu bekommen. Zwei | |
Entlastungsbohrungen sollen den Druck abbauen. Und bis diese das | |
unterirdische Ölvorkommen erreicht haben, dürfte es August werden. | |
Mindestens. | |
Norwegische Ölexperten hatten von vornherein solche Entlastungsbohrungen | |
als einzig erfolgversprechende Methode eingeschätzt, um einen "Blow-out" in | |
1.500 Meter Meerestiefe unter Kontrolle zu bringen. Nachdem der "Top Kill", | |
der Versuch, mit Schlamm und Zement das Loch zu stopfen, gescheitert ist, | |
will der BP-Konzern in den kommenden Tagen aber erst einmal einen neuen | |
Versuch mit einem Auffangbehälter unternehmen. Er soll über das Steigrohr | |
am Bohrloch gestülpt werden. Auch im besten Fall könnte aber nur ein Teil | |
des Öls aufgefangen werden. | |
Misslingt die Operation, könnte es sogar schlimmer werden als jetzt, warnt | |
der Ölbohrexperte Søren Hartmann. Er hat früher für Transocean, den | |
Eigentümer der "Deepwater Horizon", gearbeitet. Das Problem: Das Steigrohr | |
wird gekappt, bevor der Auffangbehälter übergestülpt wird. Es bildet | |
bislang aber zumindest teilweise eine Barriere für das hochdrückende Öl. | |
Fällt diese Barriere weg, könnten bis zu 20 Prozent mehr Öl austreten, | |
meint Hartmann. Man habe aus den Erfahrungen von zwei ähnlichen und bereits | |
gescheiterten Versuchen mit Auffangvorrichtungen gelernt, erklärte | |
BP-Operationschef Doug Suttles mit. Er gab sich dennoch skeptisch: "So | |
etwas wurde nie zuvor in einer Tiefe von 1.500 Metern versucht." | |
Unterdessen wird die Liste der Versäumnisse und Verschleierungsversuche von | |
BP immer länger. Am Wochenende warfen drei norwegische Seeleute, die als | |
Erstes zu Rettungsarbeiten nach der "Deepwater Horizon"-Explosion | |
eingesetzt waren, dem Ölkonzern in der Osloer Tageszeitung Dagbladet "Lügen | |
und Propaganda" vor: Auf den Fernsehaufnahmen vom Meeresboden habe jeder | |
sehen können, dass wesentlich mehr als die ursprünglich genannten 1.000 bis | |
5.000 Tonnen Öl aus dem Bohrloch sprudelten. | |
Und nicht nur BP, sondern auch die US-Küstenwache habe versucht, das Ausmaß | |
der Katastrophe zu verharmlosen. Eine Ölkatastrophe wie im Golf könne sich | |
jederzeit auch in der Nordsee ereignen, warnt Greenpeace - zumal in | |
zunehmend tieferen Gewässern gebohrt werde. Um das Produktionsniveau | |
aufrechtzuerhalten, obwohl die Ausbeute aus den "konventionellen" Feldern | |
immer mehr abnehme, "verschieben die Konzerne die technologischen Grenzen | |
konstant weiter nach vorn", sagt der Öl-Analyiker Manouchehr Takin vom | |
Center for Global Energy Studies. Die Unfallrisiken stiegen. | |
Konzerne und Aufsichtsbehörden lernen offenbar wenig aus der Katastrophe. | |
In Norwegen gehen die Vorbereitungen weiter, im kommenden Jahr Ölbohrungen | |
in der Barentssee zu starten: Sie sollen auf dem 60 Kilometer vom Nordkap | |
entfernten "Goliat"-Feld beginnen, in bis zu 420 Meter Meerestiefe, Taucher | |
können dort nicht mehr arbeiten. Träte dort Öl aus, könnte es binnen 24 bis | |
36 Stunden die Küstenbereiche Nordnorwegens und besonders reiche | |
Fischgründe erreichen. Es werden nun 125 Fischer darin ausgebildet, wie sie | |
im Falle einer Ölpest mit ihren Fischerbooten Ölsperren auslegen sollen. | |
1 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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