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# taz.de -- Abraham Rabinovich über die Gaza-Blockade: "Die Schiffskonvois sin…
> Zur Gaza-Blockade gibt es keine Alternative, glaubt der israelische
> Historiker Abraham Rabinovich. Die weltweite Empörung zwinge aber zu
> einem Umdenken.
Bild: Israelische Soldaten entern ein Schiff des Hilfskonvois.
taz: Herr Rabinovich, nach der Erstürmung der Gaza-Flotte steht Israel am
Pranger. Was ist schiefgelaufen?
Abraham Rabinovich: Israel ist in ein schreckliches Narrativ verstrickt,
nach der eine Gruppe von Soldaten einen friedlichen Konvoi angreift, der
humanitäre Hilfsgüter zu einer von der Außenwelt abgeschotteten Bevölkerung
in Gaza bringt. Dabei schießen die Soldaten augenscheinlich auf Unschuldige
und verursachen ein Blutbad. Das ist ein schreckliches Bild, von dem ich
glaube, dass es nicht das richtige ist.
Was ist für Sie das richtige Bild?
Israel hat das Recht, die Hamas davon abzuhalten, in den Besitz von Waffen
zu geraten. Eine wichtige Präventivmaßnahme ist die Seeblockade. Denn
selbst wenn sie komplett harmlos sind, stellen diese Schiffskonvois eine
Gefahr für Israel dar. Wenn diese "Flotilla" den Gazastreifen erreicht
hätte, dann wären anschließend Hunderte mehr gekommen. Und die Hamas würde
versuchen, das zu missbrauchen.
Sehen Sie denn keine Alternative zur Blockade?
Was Waffen und vor allem Raketen betrifft, zweifellos. Die Blockade gegen
die Einfuhr von Waffen gehört zu den fundamentalsten
Sicherheitsnotwendigkeiten Israels. Die humanitären Konvois öffnen die Wege
für den Waffenschmuggel nach Gaza.
Musste der Einsatz des Militärs auf dem Flaggschiff nicht Panik auslösen
unter den Passagieren?
Das israelische Militär wollte Eskalationen verhindern und hat die
Bewaffnung auf ein Minimum reduziert. Deshalb trugen die Soldaten
Paintball-Flinten, die gefährlich aussehen, aber keinen Schaden anrichten.
Die Videos zeigen deutlich, wie die israelischen Soldaten auf das Deck
heruntergelassen werden und einer nach dem anderen überwältig wird.
Wie konnten israelische Elitesoldaten denn von einer Handvoll Zivilisten
überwältigt werden?
Das ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen. Aber die Soldaten trugen
Asbesthandschuhe und waren unfähig, den Abzug ihrer Pistolen zu betätigen.
In dem Moment, wo auf sie geschossen wurde, gerieten sie selbst in
Lebensgefahr. So empfanden sie es. Das war der Anfang der Schießereien. Die
Soldaten wurden angegriffen und handelten entsprechend. Mit friedvoller,
humanitärer Hilfe hat das wenig zu tun.
Was hat die Armee bei diesem Einsatz falsch gemacht?
Die Soldaten hätten nicht überrascht werden dürfen. Die Nachrichtendienste
haben versagt, die Marine vorab mit den notwendigen Informationen zu
versorgen.
Jetzt, in diesem Augenblick, ist immer noch ein irisches Schiff auf dem Weg
nach Gaza. Müssen die Aktivisten auf der "Rachel Corrie" mit einer
Wiederholung der Ereignisse rechnen?
Israel wird das Schiff sicher stoppen. Die Aktivisten tun gut daran,
Richtung Ashdod einzuschlagen. Es sind auf diesem Schiff aber auch nur gut
ein Dutzend Leute an Bord.
Andere Aktivisten planen bereits eine weitere, deutlich größere "Flotilla".
Wird die Armee wieder mit Gewalt gegen sie vorgehen?
Israel muss konsequent bleiben, solange es keine Lösung für den
Gazastreifen gibt. Einem Schiff, das möglicherweise Waffen geladen hat,
darf es die Einreise nach Gaza nicht erlauben.
Die Erstürmung der Gaza-Flotilla hat zu einem diplomatischen Scherbenhaufen
geführt. Welche Folgen wird sie haben?
Israel hat sein Image als "tough guy" bestärkt, der man in dieser
Weltregion sein muss. Und Israel hat einen Präzedenzfall geschaffen für
weitere "Flotillas". Wenn du eine Blockade verhängst und dich dann
überrennen lässt, hast du große Probleme.
Gleichzeitig hat der Konvoi es geschafft, die Welt auf das Embargo
aufmerksam zu machen und eine Debatte über Sinn und Unsinn der Blockade in
Gang zu bringen. Israels internationale Isolation hat zudem die Möglichkeit
einer Umbildung der Regierung durch einen Beitritt der Kadima-Partei
näherrücken lassen. Schon zuvor hatte sich Israel mit seiner hartnäckigen
Siedlungspolitik ins Abseits befördert. Die jüngste diplomatische
Zuspitzung könnte ein Umdenken und eine vernünftigere Politik zur Folge
haben.
Israel verweigert eine unabhängige Untersuchung. Warum?
Ich finde, Israel sollte mit beiden Händen zugreifen und die Affäre
untersuchen lassen. Der einzige Grund, es nicht zu tun, ist die Sorge um
die Souveränität. Denn Israel ist keine Bananenrepublik, sondern kann die
Sache selbst untersuchen.
Der weltweite Unmut dürfte sich damit kaum befriedigen lassen.
Deshalb denke ich, wir sollten mit dem Ausland kooperieren.
5 Jun 2010
## AUTOREN
Susanne Knaul
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