# taz.de -- Afghanische Friedendschirga: Die Zustimmungsmaschine | |
> Trotz demokratischer Debatten endet Kabuls Friedensdschirga mit einem von | |
> oben verordneten Scheinkonsens. Der Friedensplan wurde den Delegierten | |
> nicht ausgehändigt. | |
Bild: Karsai ließ über den Friedensplan abstimmen, diskutiert wurde nicht. | |
Die Friedensdschirga in Kabul endete am Freitag so ambivalent, wie sie zwei | |
Tage zuvor begonnen hatte. Die 1.600 Delegierten "billigten Präsident | |
Karsais Friedensplan", meldeten die Agenturen. Dschirgavorsitzender | |
Burhanuddin Rabbani, ein Ex-Interimspräsident, der den Delegierten von | |
Karsai vorgesetzt worden war, erklärte: "Wir unterstützen einstimmig den | |
Friedensplan der Regierung." Das twitterte ein Teilnehmer aus dem | |
Dschirgazelt. Rabbani gehört wie andere Hauptakteure der Dschirga dem Kreis | |
der von Karsai so genannten "Dschihdi-Führer" an, ist also ein Ex-Warlord. | |
Am Donnerstag gab es in 28 Diskussionsgruppen Debatten, die | |
Frauenrechtlerinnen "offen" und "demokratisch" nannten. Vorgeschlagen | |
wurden die Schaffung einer Friedenskommission mit Beteiligung der UNO und | |
der Islamischen-Konferenz-Organisation, die Streichung weiterer Taliban von | |
der UN-Sanktionsliste, die Entlassung unschuldiger Gefangener, ein | |
Waffenstillstand und die Fortsetzung saudischer Vermittlungsversuche. Das | |
ähnelt einem Vorschlag von in Kabul ansässigen Ex-Taliban. | |
Die etwa 300 Frauen - einige boykottierten - hatten mit Konservativen zu | |
kämpfen, um Menschen- und Frauenrechte ins Protokoll zu bekommen. Die | |
Gruppen, so schränkten sie nämlich ein, wurden mit einer Ausnahme von | |
"mächtigen Männern" geleitet. In der Abschlussresolution wird zudem | |
verlangt, dass die Beschlüsse auf die Tagesordnung der für Juli in Kabul | |
geplanten nächsten internationalen Afghanistankonferenz kommen. | |
In Karsais "Friedens- und Reintegrationsprogramm für Afghanistan" genanntem | |
Plan steht nichts von Gesprächen mit den Taliban, nur von einem | |
"politischen Ansatz". US-Präsident Barak Obama setzte während Karsais | |
Besuchs kurz vor der Dschirga offenbar durch, dass der afghanische | |
Präsident nicht über allgemeine Aufrufe hinausgehen sollte. Anders als in | |
früheren Appellen sprach Karsai jetzt auch nicht namentlich Talibanchef | |
"Bruder Mullah Omar" an. | |
Laut Plan sollen Taliban-Kämpfer in die "Struktur unserer Gesellschaft | |
reintegriert" werden, vorausgesetzt, dass sie "der Gewalt abschwören, | |
friedlich leben, die Verfassung anerkennen und nach Hause zurückkehren". | |
Das soll ihnen mit einem "Menü von Optionen" versüßt werden, von | |
individueller Berufsausbildung und Amnestie bis zu Krediten für ihre | |
Dörfer. Karsai bot den Taliban in seiner Eröffnungsrede auch eine | |
Regierungsbeteiligung an, ebenfalls ohne konkreter zu werden. | |
Doch der Friedensplan wurde den Delegierten nicht ausgehändigt und nicht | |
diskutiert. Offenbar traf Karsai vorher Absprachen. So ist auch Rabbanis | |
pauschale Zustimmung zu verstehen. Trotz aller Mystifizierung von Dschirgas | |
als "demokratischem" Instrument durch die Afghanen selbst zeigt sich | |
erneut: Dschirgas sind nur eine Zustimmungsmaschine für vorab gefasste | |
Beschlüsse. Es braucht nur jemanden, der wie Rabbani verfährt: | |
Einstimmigkeit behaupten, ohne abzustimmen. | |
Die Friedensdschirga in Kabul endete am Freitag so ambivalent, wie sie zwei | |
Tage zuvor begonnen hatte. Die 1.600 Delegierten "billigten Präsident | |
Karsais Friedensplan", meldeten die Agenturen. Dschirgavorsitzender | |
Burhanuddin Rabbani, ein Ex-Interimspräsident, der den Delegierten von | |
Karsai vorgesetzt worden war, erklärte: "Wir unterstützen einstimmig den | |
Friedensplan der Regierung." Das twitterte ein Teilnehmer aus dem | |
Dschirgazelt. Rabbani gehört wie andere Hauptakteure der Dschirga dem Kreis | |
der von Karsai so genannten "Dschihdi-Führer" an, ist also ein Ex-Warlord. | |
Am Donnerstag gab es in 28 Diskussionsgruppen Debatten, die | |
Frauenrechtlerinnen "offen" und "demokratisch" nannten. Vorgeschlagen | |
wurden die Schaffung einer Friedenskommission mit Beteiligung der UNO und | |
der Islamischen-Konferenz-Organisation, die Streichung weiterer Taliban von | |
der UN-Sanktionsliste, die Entlassung unschuldiger Gefangener, ein | |
Waffenstillstand und die Fortsetzung saudischer Vermittlungsversuche. Das | |
ähnelt einem Vorschlag von in Kabul ansässigen Ex-Taliban. | |
Die etwa 300 Frauen - einige boykottierten - hatten mit Konservativen zu | |
kämpfen, um Menschen- und Frauenrechte ins Protokoll zu bekommen. Die | |
Gruppen, so schränkten sie nämlich ein, wurden mit einer Ausnahme von | |
"mächtigen Männern" geleitet. In der Abschlussresolution wird zudem | |
verlangt, dass die Beschlüsse auf die Tagesordnung der für Juli in Kabul | |
geplanten nächsten internationalen Afghanistankonferenz kommen. | |
In Karsais "Friedens- und Reintegrationsprogramm für Afghanistan" genanntem | |
Plan steht nichts von Gesprächen mit den Taliban, nur von einem | |
"politischen Ansatz". US-Präsident Barak Obama setzte während Karsais | |
Besuchs kurz vor der Dschirga offenbar durch, dass der afghanische | |
Präsident nicht über allgemeine Aufrufe hinausgehen sollte. Anders als in | |
früheren Appellen sprach Karsai jetzt auch nicht namentlich Talibanchef | |
"Bruder Mullah Omar" an. | |
Laut Plan sollen Taliban-Kämpfer in die "Struktur unserer Gesellschaft | |
reintegriert" werden, vorausgesetzt, dass sie "der Gewalt abschwören, | |
friedlich leben, die Verfassung anerkennen und nach Hause zurückkehren". | |
Das soll ihnen mit einem "Menü von Optionen" versüßt werden, von | |
individueller Berufsausbildung und Amnestie bis zu Krediten für ihre | |
Dörfer. Karsai bot den Taliban in seiner Eröffnungsrede auch eine | |
Regierungsbeteiligung an, ebenfalls ohne konkreter zu werden. | |
Doch der Friedensplan wurde den Delegierten nicht ausgehändigt und nicht | |
diskutiert. Offenbar traf Karsai vorher Absprachen. So ist auch Rabbanis | |
pauschale Zustimmung zu verstehen. Trotz aller Mystifizierung von Dschirgas | |
als "demokratischem" Instrument durch die Afghanen selbst zeigt sich | |
erneut: Dschirgas sind nur eine Zustimmungsmaschine für vorab gefasste | |
Beschlüsse. Es braucht nur jemanden, der wie Rabbani verfährt: | |
Einstimmigkeit behaupten, ohne abzustimmen. | |
5 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Thomas Ruttig | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kommentar Friedensdschirga: Demokratie und Defizite | |
Nicht alles war schlecht an Afghanistans Friedensversammlung. Teilnehmer | |
beschreiben die Diskussion als demokratisch. Aber Präsident Karsai ist | |
beratungsresistent. | |
Friedensdschirga in Kabul: Trotz Raketenbeschuss fortgesetzt | |
In Kabul sind die Debatten der Friedensdschirga über einen möglichen | |
Friedensprozess fortgesetzt worden. Die Taliban haben für Karsais Treffen | |
weiter nur Beschuss und Hohn übrig. | |
Debatte Friedensdschirga: Großer Basar in Kabul | |
Die Friedensdschirga berät über Verhandlungen mit den Taliban; deren | |
Menschenrechtsbilanz ist verheerend. Auf Kosten der Menschenrechte aber | |
kann es keine echte Versöhnung geben. |