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# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Mit dem Klavier zur Mutter Jesu
> Im Londoner Osten träumte mir von starken muslimischen Frauen. Sie sind
> mitten unter uns. Wir reisen viele Jahrhunderte zurück zu Asiya, die das
> Kind vom Nil bei sich aufnahm.
Bild: Starke Frau im Koran: Maria, hier in Grün.
Es ist dunkel. Ein bisschen violett, dann färbt ein blaues Licht die Bühne
und die Silhouette einer Frau wird sichtbar. Sie trägt ein langes weißes
Kleid und einen weißen Schal. Leise ertönt Geigenmusik, dann eine
Querflöte, dann Klavier. Die Bühne erhellt sich und ich erkenne nun ein
Gesicht. Die tiefschwarzen Haare sind zu einem losen Dutt zusammengebunden,
prüfend schaut sie ins Publikum. Alia beginnt zu erzählen.
Klatsch! Rotes Licht flutet die Bühne. Mit Schwung schellt Alias Hand in
die Höhe. Sie beschreibt, wie Abu Jehil mit voller Wucht Fatima schlug.
"Vater der Ignoranz", so nennen Muslime diesen Mann, der Fatima, die
Tochter des Propheten Mohammed, grundlos ohrfeigte, als er ihr zufällig auf
der Straße begegnete.
Die Musik hält inne.
Alia schaut in das Publikum und lässt uns den Schmerz fühlen, den die
kleine Fatima spürte. Wie sie ihre Tränen unterdrückte und mit erhobenem
Kopf den Ort der Erniedrigung verließ.
Ich bin in einem Kulturzentrum im Osten Londons und höre mir traditionell
islamische Geschichten zu westlicher klassischer Musik an. Alia, die
Erzählerin, spricht von starken Frauen im Koran. Von der Jungfrau Maria und
der Liebe, mit der sie ihren vaterlosen Sohn, den Propheten Jesus, aufzog.
Wir reisen viele Jahrhunderte zurück zu Asiya, der Frau des Pharaos, die
das Kind vom Nil, den späteren Propheten Moses, bei sich aufnahm, ihn
aufzog. Eine Frau, die für ihn und ihren Glauben viel ertrug. Und wir
reisen zu Hatice, der erfolgreichen Geschäftsfrau und ersten Frau des
Propheten Mohammed, die selbstbewusst dem Propheten einen Heiratsantrag
machte.
Der Klang von Alias Stimme trägt meine Gedanken in einem Tagtraum fort. Zu
meiner Freundin Myriam, einer quirligen französischen Britin: Als Kind eine
Schauspielerin, setzt sie sich heute als Akademikerin und Journalistin für
Frauen, den Islam und Gleichberechtigung ein. Sie ist direkt, ehrlich und
schlagfertig. Genau wie Sultana, die hübsche Anwältin, die seit einigen
Tagen auf Postern in ganz London zu sehen ist - als Teil einer Kampagne
gegen Islamophobie in Großbritannien.
Da ist Hacer, die alleinerziehende Mutter von drei Söhnen, die sich gegen
ihren Exmann durchsetzte und heute auf eigenen Beinen steht. Da sind die
beiden Schwestern, die sich dem Kopftuchverbot an türkischen Universitäten
nicht beugen wollten und heute in England ohne Eltern und Bekannte ein
neues Leben aufbauen und studieren. Und da ist …
Klatsch! Wieder ist Alias Hand oben. Dieses Mal war es Abu Jehil, der
perplex dastand und nicht wusste, wie ihm geschah. Fatima hatte sich beim
Stammesführer beschwert. "Führ mir genau vor, was vorgefallen ist", bat er.
So ging das kleine Mädchen zurück zu Abu Jehil und schlug ihm ins Gesicht.
Nicht aber die Ohrfeige schmerzte Abu Jehil, sondern von einem kleinen
Mädchen vor seinen Stammesleuten bloßgestellt zu werden. Von der kleinen
Fatima wusste man seitdem, dass sie Ungerechtigkeit nicht duldet. Von den
muslimischen Frauen heute sollte man auch noch mehr hören. Es wäre schön,
wenn das kein Traum bliebe.
9 Jun 2010
## AUTOREN
Kübra Yücel
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