# taz.de -- Kreuzfahrt: Wo alles begann | |
> Brütende Hitze, heiliges Wasser - eine Tour auf dem Nil von Luxor nach | |
> Assuan | |
Bild: Abendstimmung auf dem Nil | |
Hundertfünfzehn Meter Nil unter den Füßen, ein strahlend blauer Himmel über | |
dem Hirn, 40 Grad Celsius auf der Haut - ruhig schiebt sich die "Semiramis | |
II" mit 17 Stundenkilometern durch das heilige Wasser des alten Ägyptens - | |
eine Kreuzfahrt auf der Lebensader des Landes, das heute noch 97 Prozent | |
seines Wassers dem Fluss entnimmt und auch Quelle für die Küche und die | |
Duschen des Schiffes ist, im Maschinenraum gefiltert für den täglichen | |
Bedarf. Am vorbeiziehenden Ufer spielen Kinder im Nil. "Die kriegen später | |
Bilharziose", meint Farrag Yussef, unser Fremdenführer zwischen Luxor und | |
Assuan. Von einer Schnecke übertragen, führt die Krankheit zur Erblindung | |
und hat der Nilbevölkerung schon vor viertausend Jahren das Leben | |
schwergemacht. | |
Der drahtige 39-Jährige hat Glück gehabt, nach vierjährigem | |
Germanistikstudium und nochmals vierjähriger Ausbildung zum Ägyptologen | |
darf er nun Touristen durch Pyramiden, Tempel und andere Grabanlagen | |
führen. Doch die Zeiten sind mies im Augenblick, die Nil-Touristen bleiben | |
aus. 320 Schiffe fahren derzeit auf dem Fluss, "viel zu viel für die | |
wenigen Touristen", klagt Ayman A. Metaal, Chef der "Semiramis II". 140 | |
Passagiere könnte sie aufnehmen, 44 sind diesmal dabei. | |
Für Unentschlossene ist es deshalb schwer, eine Liege auf dem Schiffsdeck | |
zu finden. Die Auswahl ist zu groß. Die blau-weißen Plastikruhemöbel sind | |
leer, auch unter dem großen Sonnendach. Und nur ganz Verwegene lassen sich | |
in der prallen Sonne nieder, bis die Haut verbrannt ist. Im flachen Pool | |
können sie sich sitzend den Hintern abkühlen, für einen Schwimmzug reicht | |
es nicht. | |
So bleibt bei flirrender Hitze ein sehnsüchtiger Blick auf das stille | |
Wasser, über das die "Semiramis" wegen der Sandbänke mit gerade einmal 170 | |
cm Tiefgang fast ohne Wellengang gleitet, vorbei an grünen Uferstreifen. | |
Seit Jahrtausenden gilt das Nildelta, sagt Yusuf, als fruchtbares Land, | |
gedüngt mit dem Schlamm des regelmäßig überflutenden Nils. Seit der | |
Assuan-Staudamm den Fluss gezähmt hat, ist es allerdings aus mit der | |
fruchtbringenden Flutung von Äckern und Viehweiden. Bewässerungsgräben und | |
chemischer Dünger übernehmen die Aufgabe, wie die Landausflüge über Kanäle | |
und vorbei an Düngemittelfabriken zeigen, aus deren Schornsteinen | |
schwefelgelbe Rauchschwaden steigen. | |
Unserer Kreuzfahrt auf dem wohltemperierten Schiff tut dies keinen Abbruch, | |
das grüne Ufer, die weidenden Rinder und selbst die in Ruderbooten | |
kreuzenden fliegenden Händler, die Baumwolltücher, Minipyramiden und | |
anderen Nippes für Euro-gefüllte Plastikbeutel an Bord werfen wollen, | |
vermitteln das wohlige Gefühl, eine uralte Kulturlandschaft komfortabel | |
erleben zu dürfen. Auch die Grabräuberei ist kein neues Phänomen, erfahren | |
wir. Kaum standen die ersten Pyramiden, schon räumten Diebe die | |
goldgefüllten Grabkammern leer. | |
"Ägypten, wo alles beginnt", wie die "neue globale Ägypten-Werbe-Kampagne" | |
verheißt, ist kaum nirgendwo näher als in Gizeh bei Kairo und eben auf dem | |
Nil zwischen Luxor und Assuan mit seinen prächtigen pharaonischen | |
Grabanlagen, dem Tal der Könige oder dem Tempel der unschön ums Leben | |
gebrachten Hatshepsut. Früh morgens schon verlassen wir das Schiff für | |
Besichtigungen in Edfu und Kom Ombo, um der schlimmsten Hitze | |
zuvorzukommen. Ein anschließender Softdrink in der eiskalten Bar der | |
"Semiramis", ein Paradies für Raucher, lässt uns langsam wieder zu Kräften | |
kommen. Und wenn das Schiff still vor Anker liegt, sind auch die | |
Nachrichten aus der kalten Heimat nicht fern. Dann zeigt der | |
Flachbildschirm im Doppelzimmer Neues per ARD und ZDF, wenngleich ein wenig | |
verschneit. | |
Auch sonst fühlten wir uns stets auf der sicheren Seite. Zwei Polizisten | |
bewachen das Wohlleben an Bord, und der private Sicherheitsmann steht | |
nachts seinen Mann als Diskjockey. Selbst der Nil wird nicht mehr einfach | |
seinem Schicksal überlassen. Er untersteht dem Geheimdienstchef Omar | |
Sulaiman, ein enger Vertrauer des ägyptischen Präsidenten Mubarak, wie | |
deutschen Medien zu entnehmen ist. Seit die Anrainerstaaten an den | |
Oberläufen des Weißen und des Blauen Nils mehr Wasser für ihre wachsende | |
Bevölkerung entnehmen wollen, bangt das Land um althergebrachte Rechte auf | |
das kostbare Nass. Weniger Wasser könnte auch den Tourismus auf dem Nil | |
gefährden, ein heftig umworbener Wirtschaftszweig. "Der Nil steht für die | |
Faszination eines gigantischen Stroms", verspricht uns noch die | |
Reiseleitung, "für umweltfreundliches Reisen, für monumentale Stätten, für | |
das Zusammenspiel der Naturgewalten und ewiges Leben." | |
Wir nehmen es hin und genießen die üppige Verpflegung und den aufmerksamen | |
Service an Bord. Unter diesen Bedingungen würden wir schon gerne ewig | |
leben. | |
9 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Geier | |
## TAGS | |
Reiseland Ägypten | |
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