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# taz.de -- Ein Urlaubsort verändert sich: Dahab, davor
> Im Laufe der letzten Jahre hat sich das nun vom Terror heimgesuchte
> Städtchen am Roten Meer von einer Hippie-Oase zum fast normalen
> Urlaubsort gewandelt. Eine teilnehmende Beobachtung.
Bild: Am Strand von Dahab
Mythos Dahab, Anfang 1992 war es, als ich erstmalig den Namen der
Beduinen-Oase am Roten Meer hörte. In Deutschland herrschte eisiger Winter,
und ich war einige Stunde Bus und eine Staatsgrenze entfernt in Elat,
Israel. Ich war von Rhodos nach Israel gekommen, wir bildeten in Elat den
Bodensatz und pendelten vom Peace Café zum Underground, schliefen in
Abrisshäusern und nutzten die verschiedenen Happy Hours der Kneipen nach
ausgeklügelten Plänen aus.
Die meisten dieser bunten internationalen Truppe kamen aus Sachsen, England
und Südafrika und waren schon in Dahab gewesen. Da müsse ich unbedingt hin,
sagten sie mir, und so stellte ich mich an bei der ägyptischen Vertretung,
ließ die geforderten Passbilder machen und kaufte das Visum.
Wir merkten sofort, dass wir mehr überschritten als nur eine Landesgrenze.
Vom Hightech-Land Israel, in dem nachts an jedem Baum und jedem Strauch aus
unsichtbaren Düsen die Bewässerung sprühte, damit die Wüste blühte, kamen
wir ins staubige Chaos Ägypten, die Uniformen schienen schlecht zu sitzen,
die Autos waren zerbeult. Aber wir waren da, den Schnaps in unseren
Rucksäcken hatte niemand beanstandet.
In Dahab gab es kein Nobelhotel, nicht einmal Taxis, wir wurden vom
Busbahnhof in Pick-up-Wagen hingekarrt. Wir schliefen in Kabuffs, 10 Meter
vom Strand entfernt, faulige Matratzen, auf die wir unsere Schlafsäcke
betteten, absurd billig, 1 Mark die Nacht. Den Tag über lagen wir in den
verschiedenen Strandcafés, von Palmenstämmen eingefasste Teppiche, auf
denen man hockte oder die Schischa im Liegen rauchte.
Als ich das nächste Mal dorthin kam, hoffte ich einen alten Freund zu
treffen. Jann Boomgarden hieß er, war Ostfriese und seit vielen Jahren im
Ausland auf der Flucht vor den deutschen Behörden, weil er eine
Polizeistation angezündet hatte. Ich hatte kurz vor dem Flug eine Postkarte
aus Ägypten von ihm bekommen, wenn auch ohne Absender. Bestimmte Leute
würden allerdings immer nach Dahab kommen, und er war einer von denen.
In Dahab angekommen sah ich ihn tatsächlich an einem Feuer sitzen, Jahre
vorher waren wir in meinem Trabant von Kreta bis ins türkische Nevali Cori
gefahren, wo uns eine Ausgrabungsstätte interessierte, die kurz darauf
unter den Fluten des Atatürk-Stausees verschwand. Jetzt schlich ich mich an
ihn heran und hielt ihm von hinten die Augen zu, die Überraschung gelang.
Später saß er deprimiert am Feuer und machte einen müden, erloschenen,
ausgebrannten Eindruck. Ich sollte ihn nie wieder sehen, er starb einige
Jahre darauf bei einem Autounfall auf einer spanischen Insel.
Über die Jahre wurde Dahab zu meinem häufigsten ausländischen Urlaubsziel.
Die Restaurants wurden etwas besser, doch am günstigsten aß man nicht am
Strand, sondern etwas abseits, Hühnchen bei Hawk (wie Adler), dem Mann mit
dem Plastauge. "Magic!" fand er meine Polaroid-Kamera und erließ uns für
ein Porträt den Tee. Das Dienstleistungsparadies Dahab entwickelte sich:
"Ich schreibe Ihren Namen auf einen Seeigel."
Als ich das letzte Mal dort war, hatte sich eine Menge verändert, man bekam
jetzt guten italienischen Lavazza-Kaffee, konnte sich deutsche Zeitungen
kaufen, ein zwar sehr langsames, aber immerhin funktionierendes
Internet-Café stand zur Verfügung.
Irgendwann war es zu absurd, es konnte doch nicht sein, dass meine Frau und
ich die Einzigen waren, die an diesem Tauchparadies noch nicht getaucht
waren. Wir borgten uns Schnorchelausrüstungen und gaben ein ausgesprochen
lächerliches Bild ab, das niemand vergessen kann, der es gesehen hat:
Zuerst fielen wir mit den riesigen Flossen an den Füßen, mit Taucherbrille
und Schnorchel auf der Flucht vor den Kamelen hin. Dann hatten wir endlich
das flache Wasser erreicht, aber bei den ersten Wellen verloren wir wieder
das Gleichgewicht und platschten auf die Korallen. Meine Frau entdeckte nun
zu allem Überfluss eine Seegurke oder Muräne oder einen Raubaal, mir
schwamm ein anderer riesiger schwarzer Fisch vor die Brille.
Die Tiere und die Tiefe versetzten uns in völlige Panik, ich griff über die
rasiermesserscharfen Korallen, als ich befürchtete, nach Saudi-Arabien
gesogen zu werden, und holte mir blutende Fingerspitzen. Verzweifelt
versuchten wir wieder an Land zu kommen, wo wir uns von den Strapazen am
Pool erholten.
In der Nacht ging meine Frau noch hinaus und sah eine Sternschnuppe, so
groß wie ein Komet, so gigantisch, wie sie noch nie in ihrem Leben eine
gesehen hatte. Aber gewünscht hat sie sich nichts.
taz vom 26.4.2006
26 Apr 2006
## AUTOREN
Falko Hennig
## TAGS
Reiseland Ägypten
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